Hüben und Drüben. Gerstäcker Friedrich

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Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich

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      Förster Buschmann war außer sich. Jetzt hatte er nun den erbetenen Forstschutz erhalten und auch einen jungen Forstgehülfen, und trotzdem holten sie ihm fast das Wild unter der Nase weg. Und was würde die oberste Forstbehörde, an die er doch jedenfalls Bericht erstatten mußte, dazu sagen - natürlich bekam er eine furchtbare Nase.

      Auch dem Forstgehülfen war das gar nicht recht, denn allem Anschein nach hatten sie es hier nicht mit einem einzelnen Wilderer, sondern mit einer ganzen Bande derselben zu thun, die einander in die Hände arbeitete, und wo er schon geglaubt, daß sie ihnen das Handwerk gründlich gelegt, trieben sie es ärger, als je zuvor, und trotzten der ganzen Försterei

      Von da an war er fast keine Nacht mehr zu Hause, ja selbst der alte Förster ließ sich nicht mehr halten und begleitete ihn manchmal, oder nahm auch zu Zeiten einen Strich allein /110/

      und dann nur einen Kreiser oder einen Forstschutz mit sich, denn es war eben nicht gerathen, sich unter solchen Umständen ganz allein in den Wald zu wagen, wo man nicht wissen tonnte, was passirte.

      Die nächsten Tage blieb übrigens Alles ruhig, denn die Wilderer konnten sich wohl denken, daß die Forstleute jetzt wachsam sein würden. Nach vier oder fünf Tagen aber, wo sie glauben mochten, daß sie in ihrem Aufpassen etwas nachgelassen hätten, und gerade bei recht hellem Mondschein, knallte es wieder, und diesmal hatten sie sich einen unglücklichen Fleck dazu ausersehen. Raischbach nämlich befand sich selber mit einem der Kreiser ganz in der Nähe und ertappte sie auf frischer That.

      Allerdings gaben sie sich nicht gutwillig, und der eine Bursche feuerte und traf den Forstgehülfen mit der Kugel in den Oberschenkel; der aber schoß ihn, wie er noch die Büchse am Backen hatte, in seinen Fährten nieder und jagte auch noch einem der Anderen, mit dem zweiten Lauf seiner Büchsflinte, eine Ladung Schrot nach, die ihn in die Beine traf. Hinter dem Dritten feuerte der Kreiser her, auch mit Schrot. Der entkam aber, für den Augenblick wenigstens. Der Eine dagegen war, als sie zu ihm traten, todt, und der Andere hatte sich nur noch eine Strecke in den Busch hineingeschleppt, wo er lag und nicht weiter konnte.

      Der Kreiser, da Raischbach mit seinem Bein nicht recht vorwärts konnte, mußte jetzt nach dem Forsthaus zurück und Hülfe holen. Dicht daneben war eine Anzahl Holzhauer beschäftigt, die Nachts in der einen Scheuer schliefen, und diese eilten jetzt herbei, um die Verwundeten und den Todten zum Haus zu schaffen. Ein Bote mußte augenblicklich zur nächsten Stadt, und schon am Nachmittag waren die Gerichte da, um den Thatbestand zu untersuchen.

      Förster Buschmann hatte indessen in der Nähe des gestrigen Kampfes ein angeschossenes Stück Wild gefunden, das nicht weit von der Stelle verendet lag, und es dauerte auch nicht lange, so spürten die Gensdarmen den dritten Wilderer heraus, der, die Haut voller Schrote, im Dorf krank lag und sich erst gar nicht wollte untersuchen lassen. /111/ Jetzt begann ein langes Verhör, aber die beiden ertappten Wilderer fanden bald, daß ihnen Leugnen nichts mehr half, ja der eine von ihnen gab sogar seine übrigen Helfershelfer an, wonach sich dann herausstellte, daß die ganze Bande aus sieben Mann bestanden hatte, die den Wilddiebstahl, von den großen Dickungen begünstigt, schon lange geschäftsmäßig betrieben haben mußten. Sie wurden alle zu ziemlich schwerer Strafe verurtheilt und der Wald bekam jetzt Ruhe. Wenn auch vielleicht noch manch Einer in der Nachbarschaft lebte, der seiner Zeit ebenfalls kein Kostverächter gewesen, so schien ihm doch die Sache, im Verhältniß zu dem Nutzen, den sie brachte, ein wenig zu gefährlich geworden zu sein, um gleich Hals und Kragen daran zu setzen, und sie ließen's lieber bis auf ruhigere Zeiten.

      Raischbach hatte übrigens in der Nacht einen tüchtigen Denkzettel bekommen, der ihn für ein paar Wochen an sein Lager fesselte; denn wenn die Kugel auch glücklicher Weise keinen Knochen getroffen, war es doch ein häßlicher Fleischriß, der seine Zeit zum Heilen verlangte.

      Indessen pflegten ihn die Frau Försterin und die alte Lisel nach besten Kräften, und die Letztere besonders wachte in der ersten Zeit, wo er ein tüchtiges Wundfieber bekam, ganze Nächte bei ihm. Seine kräftige Natur erholte sich aber doch bald wieder und es heilte rasch; nur schonen mußte er das Bein noch und durfte nicht hinaus in den Wald, bis die Wunde vollständig verharscht war, und das bekümmerte ihn dabei am meisten.

      Ein Jäger im Bett - es giebt nichts Trostloseres - und das noch dazu in der besten Jagdzeit; aber es half nichts, er mußte aushalten, und die Frau Försterin litt schon selber gar nicht, daß er sich vor der Zeit wieder anstrengte.

      Und was für Muße hatte er jetzt wieder, über alte Geschichten nachzugrübeln - er wollte zuletzt gar nichts mehr denken, und wenn dann die alte Lisel kam, forderte er sie auf, ihm etwas zu erzählen - und selten umsonst. Die Alte hatte schon lange den Mann lieb gewonnen, weil er ganz anders war als das übrige junge Volk, und nie über ihre Erzählungen lachte oder gar darüber spottete. Sie erfüllte /112/ deshalb auch gern seinen Wunsch; aber das Einzige, über was sie sprechen konnte, war eben das, was sie nicht begriff - das Übernatürliche, Uebersinnliche, und darin besaß sie entweder eine reiche Phantasie oder ein vortreffliches Gedächtniß, denn sie konnte ihm Stunden lang von all' dem Geisterhaften berichten, was den Wald belebte, und Bernhard lag dann mit halbgeschlossenen Augen auf seinem Bett, hörte ihr zu und dachte an seine fremde Maid, die er selber da draußen getroffen.

      Endlich war die Wunde geheilt, und der Dorfchirurg, der ihn manchmal besuchte, gestattete ihm, daß er wieder hinaus dürfe, wenn er sich auch noch tüchtig schonen müsse. Vor allen Dingen verbot er ihm anstrengende Touren und erlaubte nur höchstens einen ruhigen Bürschgang, bei dem er sich manchmal eine Stunde ansetzen oder rasten konnte.

      Das war dem jungen Jäger gerade recht - weiter verlangte er nichts, und schon der nächste Morgen sah ihn wieder mit seiner Büchse im Wald; denn jetzt hatte er die beste Zeit, um sich auf den alten Bock anzusetzen und ihm seinen Wechsel abzulauschen - aber es war nichts , und der Bursche schien viel zu schlau für ihn, um ihm irgendwo in den Weg zu laufen.

      So wurde es Herbst, und Raischbach hatte sich einen ganz vorzüglichen Dachshund von einem benachbarten Förster gekauft, den er, wie sich bald auswies, auch vortrefflich als Schweißhund benutzen konnte. Der Hund war jedenfalls ausgezeichnet und von da an des jungen Forstgehülfen steter Begleiter; ja selbst auf den Anstand konnte er ihn mitnehmen, denn „Dachs", wie er ihn genannt, rührte sich nicht und lag Stunden lang, ohne auch nur den Kopf zu heben, an seiner Seite.

      Der junge Forstgehülfe war aber so oft dem Bock jetzt zu Gefallen gegangen und immer vergeblich, daß er es zuletzt satt bekam. Förster Buschmann hatte ganz Recht, wenn er behauptete, es sei ihm eben nicht beizukommen und er müsse seine Zeit abwarten - vielleicht glücke es doch einmal. Mit desto größerem Eifer legte er sich aber dafür auf die Fuchsjagd, und wie der erste Schnee fiel und die Bälge brauchbar wurden, /113/ leistete er darin Außerordentliches. Bis Mitte December hatte er allein schon sieben geschossen, und Förster Buschmann, dem die Bälge als Jagdrecht gehörten, hätte sich keinen besseren Forstgehülfen wünschen können.

      Es war Mitte December und wieder in der Nacht ein Neues6 gefallen, als Raischbach auch schon, noch Morgens vor Tag, seinen Dachs fütterte, selber seinen Kaffee trank, ein Stück Brod und einen Schnaps in seine Jagdtasche schob und hinausging, um abzuspüren.

      Oft und oft war er im Spätsommer und Herbst den alten Weg gegangen, und wie hatte er sich dann bald die Augen aus dem Kopf geschaut, um das bunte Tuch wieder durch die Büsche scheinen zu sehen und dem lieben Mädchen noch einmal zu begegnen. Sie kam nicht - es blieb immer vergebens, und wenn er auch jetzt im Schnee nicht daran denken durfte, sie draußen im Wald zu treffen, flogen doch trotzdem die Gedanken, als er sich wieder dem Fuchsbau näherte, zu ihr zurück, und leise vor sich hin mit dem Kopf schüttelnd, sagte er halblaut:

      „Es bleibt doch eigentlich merkwürdig, daß ich das Blitzmädel nie wieder treffen konnte, und daß sie gerade damals hier am Bau wie in den Boden hinein verschwand. Wenn sie nur

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