Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt. Michael Schenk
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oder nicht sofort tödlich ist, so heilt sie rasch und zuverlässig. Ihr seid
deswegen nicht unverwundbar …« Marnalf lachte gutmütig. »Aber Ihr könnt
Verletzungen besser überstehen. Und ich denke, das ist nicht das Einzige, was
das Graue Wesen auf Euch übertragen hat.«
»Daher also die Prüfung?« Nedeam spürte, dass seine Beine schwach
wurden. Furchtbare Gedanken schossen ihm durch den Kopf. »Glaubt Ihr …
glaubt Ihr, ich werde zu einem … einem …?«
»Unsinn.« Marnalf schüttelte entschieden den Kopf. »Hätte er Euer Wesen
verwandelt, so hätte sich das vorhin gezeigt. Ihr seid noch immer Nedeam,
der Pferdelord.«
»Wie schön«, ächzte dieser erleichtert.
Der Graue Magier lachte auf, und es klang freundlich. »Ich fragte vorhin,
ob Euch etwas an meinem Aussehen auffällt. Nun, ich will es etwas genauer
formulieren. Seht Ihr gelegentlich andere Menschen von einer seltsamen
Erscheinung umgeben? Einem farbigen Licht? Ah, ich dachte es mir.
Verschiedene Farben, nicht wahr? Wann fiel es Euch zum ersten Mal auf?
Geschieht es regelmäßig? Könnt Ihr es kontrollieren?«
»Langsam, guter Herr Marnalf, das sind recht viele Fragen. Manchmal
sehe ich Menschen wie vor einem farbigen Leuchten stehen. Mal ist es rot,
dann grün oder blau.«
»Wenn Ihr die rote Aura seht, was empfindet Ihr dann?«
Nedeam lachte bitter. »Zuerst dachte ich, ich wäre krank. Oder meine
Augen seien nicht in Ordnung.«
»Oh, seid unbesorgt, das sind sie. Wir Grauen haben die Fähigkeit, die
Stimmung eines anderen Wesens zu erkennen. Wenn es uns feindlich gesinnt
ist, erscheint es in einer roten Aura. Eine grüne Aura bedeutet freundliche
Stimmung.« Marnalf lachte erneut. »Es hat uns schon oft geholfen, Feind von
Freund zu unterscheiden.«
»Nun verstehe ich.« Nedeam griff ebenfalls zu dem Schinken und schnitt
sich ein großes Stück ab. Er hatte keinen Hunger, aber er musste sich nun
irgendwie beschäftigen, um seine Nerven zu beruhigen. »Zum ersten Mal
bemerkte ich es, als ich in die Stadt Gendaneris kam, die von den Korsaren
der See besetzt war. Einige von ihnen waren von dem roten Licht umgeben.
Ich konnte es nicht deuten, aber ich spürte instinktiv, dass etwas nicht in
Ordnung war.«
»Wir Grauen können diese Gabe gezielt einsetzen. Ich fürchte, das ist bei
Euch nicht der Fall, Nedeam, aber dennoch kann sie Euch gute Dienste
leisten. Wenn auch nicht dabei, Wesen meiner Art zu erkennen, denn wir
können die Ausstrahlung unserer Aura unterbinden. Deshalb fällt es mir auch
schwer, meine eigenen Artgenossen aufzuspüren.« Marnalf fühlte die
Besorgnis des Pferdelords. »Ihr seid und bleibt ein Mensch, Nedeam,
Pferdelord. Ihr verfügt nun lediglich über ein paar besondere Fähigkeiten. Sie
verändern Euer Wesen nicht, aber dennoch solltet Ihr sie geheimhalten. Die
anderen Menschen werden kaum verstehen, was da mit Euch geschehen ist.
Sie könnten Euch mit Furcht, ja sogar mit Hass begegnen.«
»Ich verstehe es ja selber nicht.«
»Jedenfalls solltet Ihr niemandem von diesen Fähigkeiten erzählen.«
Marnalf blähte die Backen und stieß dann die Luft explosionsartig aus. »Eine
… unbedeutende Kleinigkeit wäre da noch zu erwähnen. Die Fähigkeit der
Heilung ist mit einem längeren Leben verbunden.«
Nedeams Lippen zitterten. »Ein Leben wie das der Elfen?«
»Nein, nur ein paar zusätzliche Jahreswenden. Vermutlich werdet Ihr
etwas langsamer altern. Aber Ihr werdet ebenso dahinscheiden wie alle
sterblichen Wesen.« Marnalf nahm Nedeam den Schinken und das Messer aus
den zitternden Händen. Dann legte er den Schinken ins Regal zurück, wischte
das Messer sauber und schob es wieder in Nedeams Gürtel. »Denkt immer
daran, Pferdemensch Nedeam, Ihr seid ein sterbliches Wesen und verfügt
über keinerlei Zauberkraft. Nur ein paar Gaben, die ungewöhnlich sind für
einen Menschen. Aber Ihr könnt sie nicht beherrschen; sie beherrschen Euch.
Aber sie haben Euer Wesen nicht verändert, mein Freund. Dessen musste ich
mich vergewissern.« Er schlug Nedeam aufmunternd auf die Schulter. »Und
nun sollten wir wieder zu den anderen gehen, sonst machen sie sich noch
Sorgen.« Er lächelte sanft. »Doch zuvor lasst uns noch ein Stück diese
Schinkens mitnehmen. Er ist wirklich zu köstlich.«
Die Ruhe oder Unruhe der anderen berührte Nedeam in diesem
Augenblick nicht sonderlich. Was der gute Graue Marnalf ihm da eröffnet
hatte, war unfassbar, und er wusste nur, dass es sein Leben entscheidend
beeinflussen konnte.
Kapitel 7
Der