Morphodit. Dietrich Novak
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»Sind Sie damit einverstanden, dass ich ein Handyfoto von Ihnen beiden mache?«, fragte Heiko.
»Bitte, solange ich keine Autogramme geben muss.«
»Wo sagten Sie, ist Ihnen der Ausweis gestohlen worden?«, fragte Valerie, während Heiko die Fotos machte.
»Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. An jenem Abend war ich erst im Club 23, der ist auf dem Gelände der Kulturbrauerei, aber da war mir das Publikum zu grün. Ich bin dann weiter in den Frannz Club auf demselben Gelände. Theoretisch kann ich ihn aber auch schon vorher verloren haben.«
»Wie lautet Ihre jetzige Adresse, Herr Vogler?«
»Isländische Straße 7, 10439 Berlin. Das ist nur eine Viertelstunde zu Fuß von hier.«
»Wie groß ist die Wohnung?«
»Leider nur ein Zimmer, aber es gibt eine Kleiderkammer. Und da sie im Erdgeschoss liegt, ist sie noch erschwinglich. Mehr kann ich mir leider nicht leisten.«
»Was sind Sie von Beruf?«, wollte Valerie wissen.
»Ich bin Versicherungskaufmann.«
»Interessieren Sie sich für transsexuelle Menschen?«
»Nein, diese Unentschlossenheit, was das eigene Geschlecht betrifft, ist mir irgendwie suspekt.«
»Geht Ihre Abneigung so weit, dass Sie regelrecht Hass empfinden?«
»Ach woher, jeder soll so leben, wie er es für richtig hält, solange er mir nicht zu nahe kommt.«
»Haben Sie schon mal eine derartige Bekanntschaft gemacht? Hat die Dame Ihnen womöglich ihr Vorleben verschwiegen?«
»Zum Glück ist mir so etwas bisher erspart geblieben. Ach, ich verstehe. Die Frau auf dem Foto war wohl auch so eine Geschlechtsverirrte? Egal, ich habe sie noch nie zuvor gesehen und bin froh darüber. Das fehlte mir noch …«
»Das wär’s für heute. Es kann gut sein, dass wir noch einmal auf Sie zukommen, wenn wir Ihr Alibi überprüft haben.«
»Hören Sie, das sind doch unhaltbare Vorwürfe«, sagte Merle Vogler. Wenn Sie Uwe kennen würden …« »Es ist ja sehr ehrenwert, wie sich für Ihren Bruder einsetzen, aber wir müssen jedem Hinweis nachgehen. Wer sich nichts hat zuschulden kommen lassen, braucht von uns nichts zu befürchten. Einen schönen Tag noch Ihnen beiden!«
Unten sprach Heiko Valerie sogleich an.
»Du mochtest den Knaben nicht, oder?«
»Wer sich so despektierlich über andersgeartete Menschen äußert, hat bei mir schlechte Karten.«
»Glaubst du, dass er unser Täter ist, trotz der anderen Haarfarbe?«
»Eher nicht. Mir zeigt das nur, dass Frau Wendler es nicht so genau mit der Anmeldung nimmt. Den Ausweis scheint sie nie gesehen zu haben. Aber sowohl sie als auch Frau Krüger haben den Mann eindeutig als blond beschrieben. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er die Frau in seiner kleinen Einzimmerwohnung getötet hat, bei dem vielen Blut. Trotzdem werden wir die Alibis der Geschwister überprüfen. Seit gestern müsste man sich noch an sie erinnern. Aber abgesehen davon, ob Vogler der Täter ist oder nicht, müssen wir die KTU noch mal befragen, ob der Tatort möglicherweise in der Nähe war. Vielleicht ist sie nur zum Fundort geschleppt worden.«
Wie schon erwartet, stellte sich das Alibi der Geschwister als wasserdicht heraus. Beim Griechen konnte man sich an die beiden erinnern, und auch der Barkeeper im Doors erkannte sie wieder. Er meinte, sie hätten die Bar erst gegen zwei Uhr verlassen. Damit kam der große Unbekannte ins Spiel, der sich lediglich der Identität von Uwe Vogler bedient hatte. Trotzdem wollte Valerie der Zimmerwirtin und auch der Mitbewohnerin das Foto von Vogler zeigen. Sie wusste aus Erfahrung, dass Zeugenaussagen nur bedingt zu vertrauen war.
2. Kapitel
Abteilungschef Paul Schütterer rief seine gesamte Mannschaft zusammen. Neben ihm stand ein hagerer Mann, schätzungsweise Anfang fünfzig, mit moderner Kurzhaarfrisur, die erste graue Fäden erkennen ließ.
»Ich möchte euch meinen Nachfolger Dr. Zeisig vorstellen«, sagte Schütterer, »der Anfang nächster Woche meinen Platz einnehmen wird. Der Vorname ist der gleiche, somit könnt ihr auch weiterhin hinter vorgehaltener Hand von „Paule“ reden.«
Es ertönte allgemeines Gelächter, nur Dr. Zeisig blieb ernst, und hinter seiner randlosen Brille zeigte sich eine kleine Falte über der Nase.
»Wenn er so singt wie er aussieht, wollen wir das lieber nicht hören«, flüsterte Valerie und erhielt dafür von Hinnerk einen Stoß mit dem Ellenbogen.
»Ich habe mir meinen Ruhestand mehr als verdient«, sprach Schütterer weiter. »Aber ich scheide mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Irgendwie ist mir der Haufen hier schon ans Herz gewachsen, obwohl ich manchmal befürchtete, vorzeitig unter die Erde gebracht zu werden. Doch letztendlich waren wir ein gutes Team und haben ausgezeichnete Arbeit geleistet. Die Statistiken zeugen davon. Falls ich Sehnsucht habe, werde ich bestimmt das ein oder andere Mal den Kopf reinstecken. Aber verlasst euch lieber nicht darauf, da meine Frau das mit allen Mitteln zu verhindern suchen wird. Danke für die gemeinsamen Jahre.«
Alle applaudierten, bis Schütterer abwinkte.
»Ich übergebe jetzt das Wort an Herrn Dr. Zeisig.«
»Ich begrüße Sie alle herzlich und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit. Es heißt nicht umsonst: „Neue Besen kehren gut“. Deshalb wird es nach einer gewissen Gewöhnungsphase vielleicht die eine oder andere Änderung geben. So schwebt mir eine wöchentliche Teamsitzung vor, bei der die aktuellen Ergebnisse besprochen werden.«
»Was meint der, was wir sonst gemacht haben?«, zischte Valerie.
»Lass doch! Schütterer hat es schon manchmal etwas schleifen lassen«, flüsterte Hinnerk zurück.
»Ja, wollten Sie etwas einwenden?«, fragte Zeisig. »Nein? Dann mache ich mal weiter. Selbstverständlich stehe ich auch sonst mit Rat und Tat zur Seite. Bei besonders dringenden Fragen stehe ich täglich zwischen neun und zehn Uhr zur Verfügung. Herr Schütterer hat ja schon von der guten Aufklärungsquote gesprochen, die hoffentlich auch unter meiner Leitung beibehalten, wenn nicht sogar noch erhöht wird. Genug der vielen Worte. Ich bin voller Tatendrang und freue mich auf die neue Aufgabe.«
Wieder wurde brav applaudiert, aber manchen Gesichtern sah man eine gewisse Skepsis an. Allen war bewusst, dass ein neuer Wind in der Abteilung nicht nur von Vorteil sein musste, sondern auch für Unruhe und Aufregung sorgen konnte. Und dieser Dr. Zeisig war ein wenig zu glatt und schwer zu durchschauen. Auf alle Fälle war er nicht der gemütliche, väterliche Typ. So viel stand fest. An Schütterers Wutausbrüche waren alle gewöhnt. Was jetzt kommen würde, musste sich erst noch zeigen.
»Paule wird mir fehlen«, sagte Valerie, als sie wieder in ihrem Büro waren.
»Darf ich dich daran erinnern, dass du ihn manchmal am liebsten auf den Mond geschossen hättest?«, sagte Hinnerk. »Wie übrigens umgekehrt auch.«