Zeit ist nicht das Problem. Jens Wollmerath

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Zeit ist nicht das Problem - Jens Wollmerath

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sich dabei den Fuß zu verstauchen. Das erzählte er Max aber nicht.

      Der hörte eh nicht zu.

      „Mann, jetzt kriegen wir endlich unseren Titel, damit kannst du die Damenwelt tief beeindrucken.“

      Er packte Karl kurz am Arm und zeigte mit dem Kinn nach vorne.

      „Guck mal, was haben wir denn da? Die hat ja ´ne Oberweite wie Pam Anderson! Wieso ist mir die noch nie aufgefallen?“

       Pam? Scheinst ja alle Stars persönlich zu kennen. Klar, dass du auf die Brüste glotzt. Die hat so ein hübsches Lächeln. Und wie diese Fahrwassertonne sieht die ja wohl gar nicht aus.

      Karl und Max näherten sich langsam dem blonden Mädchen, das am Ende des Flures auf einem Stuhl saß.

      „Wartest du auch für das Prüfungsamt?“

      „Ja, aber da ist noch jemand drin“.

      Sie lächelte Karl an, er nickte nur.

      Sie hat mich länger als fünf Sekunden angesehen! Ich habe mitgezählt.

      Trotzdem tat er so, als ob er ihren Blick nicht bemerkte und lehnte sich an die Wand.

      „Mensch Karl, deine Stimme klingt ja wie das Piepsen einer Feldmaus“, hörte er neben sich Max, doch er hatte keine Lust auf Ärger.

       Sie sieht wirklich gar nicht so schlecht aus. Aber, Meister Grün, man müsste wissen, wie man sie jetzt rumkriegt. Stattdessen lieber die Klappe halten und heute Nachmittag schön melancholisch vor der Anlage rumhängen und Broken-Heart-Songs hören. Du weißt doch, allein ist man am besten unglücklich!

      Während Karls Miene sich zunehmend verfinsterte und es Max anscheinend auch die Sprache verschlagen hatte, wurde der Gang durch das Öffnen der Tür erhellt. Ein Student kam aus dem Büro und nickte dem Mädchen zu. Sie erhob sich und ver­schwand hinter dem sich wieder schließenden Lichtschein.

      „Dann setz ich mich mal!“ schnaufte Karl und ließ seine 80 Kilo auf den freigewordenen Stuhl sacken.

      „Jetzt sag bloß nicht, dass dich das Anbaggern so angestrengt hat“, erwiderte Max. Er war sauer, schließlich hatte ihn die junge Schöne kaum beachtet. „Von mir aus kannst du deine Knochen schonen, im Stehen quatscht es sich sowieso besser.“

       Nein, bitte bloß nicht weiterreden. Ist schon schlimm genug hier. Warum befindet sich das Leben in einer permanenten Wiederholungsschleife? Wie oft haben wir schon in dunklen Gängen vor Türen gesessen, von denen bereits der Lack abblättert, und darauf gewartet, die Zahnräder der Bürokratie sich einige wenige Millimeter weiter bewegen zu sehen. Ob wir wohl auch eines Tages mal hinter so einer Tür sitzen und im Rhythmus der zu Boden schwebenden Farbpartikel meterhohe Stapel von Akten in Ablagefächer sortieren? Was sollen wir denn sonst machen?

      Als hätte er Karls Gedanken erraten legte Max los: „Na, mal wieder dem Tiefsinn verfallen. ‚Wie soll das denn alles werden? Die böse, böse Welt da draußen hat uns gar nicht lieb.’ Alter, du musst mal lockerer werden. Warst du eigentlich in den letzten sechs Semestern einmal in der Disco oder mit 'ner Frau aus? Oder doch immer nur Buchladen? Meine Oma hat mal gesagt...“

      Karl sollte niemals erfahren, welchen Rat die alte Frau Stubenrauch ihrem Enkel gegeben hatte, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür des Prüfungsamtes ein zweites Mal.

      „Du kannst jetzt rein.“

      Wieder lächelte das Mädchen Karl zu und hielt ihm die Tür auf.

      „Danke“, antwortete er ohne sie anzusehen, stand auf und hinkte mit gesenktem Kopf an ihrer Schulter vorbei in das Büro.

      Hinter einem Nussbaumschreibtisch aus den zwanziger Jahren saß die Hüterin der Abschlussnoten und schob einen Aktenberg zur Seite. Sie sah Karl kurz an.

       Mann, die sieht so alt aus wie ihr Schreibtisch. Und die Hornbrille...

      „Guten Tag“ sagte Karl kaum vernehmbar und setzte sich auf die Vorderkante des Stuhls vor dem Schreibtisch.

      Er kramte in seiner Kollegmappe und räusperte sich.

      Wieso fragt mich diese Tante nicht was ich will?

      Schließlich brachte er eine verknickte Postkarte zum Vorschein.

      „Hier steht“, beendete er das Schweigen, „dass ich mir heute mein Magisterzeugnis abholen kann!“

      Er legte das Beweisstück auf den Tisch und wies mit dem Zeigefinger auf das Datum. Ohne die Karte eines Blickes zu würdigen drehte sich die Frau auf ihrem Drehstuhl um und beugte sich über eine Schublade mit Hängeordnern, die aus einem Schrank an der hinteren Wand des Zimmers herausragte.

      „Name?“ sagte sie monoton, ohne den Kopf zu wenden.

      „Grün. Karl Grün. Meine Matrikelnummer ist…“

      „Brauch ich nicht“, unterbrach ihn die Aktenbevollmächtigte und zerrte einen der Ordner heraus.

      Stöhnend drehte sie sich in ihre alte Sitzposition zurück und schlug die Mappe auf dem Schreibtisch auf. Sie entnahm einige Blätter und breitete sie aus. Schließlich schob sie Karl eines von ihnen zu.

      „Da unterschreiben!“

      Karl zögerte einen Augenblick.

      „Hätten Sie eventuell einen Stift?“

      Die so Angesprochene verdrehte kurz die Augen und wollte gerade zu ihrem Lieblingsmonolog über das Organisationstalent von Studenten im Allgemeinen und deren Qualifikation für das wahre Leben im Besonderen ansetzen, als Karl einen Kugelschreiber aus der Innentasche seiner Jacke hervorzauberte.

      „Hab ihn schon“, lächelte er triumphierend und kritzelte sein Autogramm auf das Formular. „Bitte sehr.“

      Ohne etwas zu erwidern zog die Frau das Blatt wieder zu sich zurück, drückte einen Datumsstempel auf den oberen rechten Rand und schob es in eines der Ablagefächer, die sich zu ihrer Linken auf dem Schreibtisch stapelten. Anschließend überreichte sie Karl die übrigen beiden Blätter, die noch vor ihr lagen.

      „Hier Ihr Zeugnis! Und die Magisterurkunde!“

      Karl nahm die Dokumente entgegen und betrachtete sie kurz.

       Eine Note betone nie.

      „Das können Sie doch auch draußen lesen, oder?“ wies Frau Namenlos mit Zornesfalten und gestrecktem Zeigefinger zur Tür, „Sie sehen doch, was hier zu tun ist!“

       Äh, nein! Sehe ich nicht.

      Er stand auf und wollte schon zur Klinke greifen, als er sich noch einmal umdrehte.

      „Danke! Dieser bedeutende Moment wird auf ewig in meinem Gedächtnis bleiben. Was für eine Festlichkeit!“

      Und bevor die Angestellte des Prüfungsamtes

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