Zeit ist nicht das Problem. Jens Wollmerath

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Zeit ist nicht das Problem - Jens Wollmerath

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auf der virtuellen Kohle von irgendwelchen dubiosen Investoren basieren. Und wenn die abspringen – Bumm – das war’s! Vielleicht hätte mir der Quatschkopf eben erklären können, wie das funktioniert.

      Dieser trat genau in dem Moment wieder in den Wartebereich. Er strahlte über das ganze Gesicht und lief direkt auf Karl zu.

      „Hier, hab schon so gut wie sicher eine Stelle! Der schlaue Hasenbein weiß halt, wo es langgeht.“

      Die wulstige Hand hielt Karl ein Blatt vor die Nase.

      „Na, dann viel Spaß bei deinem unbezahlten Praktikum“, erwiderte Karl unbeeindruckt und deutete mit seinem Zeigefinger auf die unterste Zeile des Stellenangebots.

      „Was? Das ist ja…“

      Karl kümmerte sich nicht weiter um die Reaktion des Wirtschaftsexperten und vertiefte sich in ein weiteres Faltblättchen aus dem Sortiment der Arbeitslosenverwalter. Nach einer Stunde war der Wartebereich leer bis auf Karl. Er saß noch an seinem Tisch und wartete, dass seine Nummer endlich aufgerufen würde. Es passierte aber nichts. Schließlich stand er auf und steckte seinen Kopf noch einmal durch die Tür des Anmeldezimmers.

      „Wann bin ich denn dran?“ fragte er die junge Frau, die sich weit in den Bürostuhl lehnte und genussvoll in ein Butterbrot biss.

      Vor Schreck verschluckte sie sich fast an ihrem Wurtsteiggemisch und stammelte mit vollem Mund:

      „Wir haben doch längst Mittagspause!“

      „Aha, und wann werde ich dann bedient?“

      „Heute gar nicht mehr, die Nachmittagssprechzeiten sind donnerstags von zwei bis sechs!“

      „Das ist ja nicht zu fassen! Wozu gibt es dann diese bescheuerten Nummern, wenn sowieso nur Dienst nach Vorschrift gemacht wird?“

      Karl zerknüllte den Zettel in seiner Faust und verließ wortlos das Büro. Die Uhr im Wartebereich zeigte kurz vor halb eins.

       Um halb zwei bin ich mit Steve zum Streichen verabredet. Prima! Eine Stunde lang kann ich mich jetzt noch über diese Sesselpupser aufregen.

      Karl rutschte auf dem Treppengeländer hinunter, humpelte durch die Drehtür ins Freie und erwischte tatsächlich noch den Bus. Während der Fahrt betrachtete er die Stadt, in der er nun schon so lange wohnte.

       Komisch, mich hat es nie so richtig in die Ferne gezogen!

       4

      Über die Ostsee wehte der Wind und trieb die Wellen an den Strand. Hier und da riss die Wolkendecke auf und einige Sonnenstrahlen blitzten durch das Grau. Die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, Mütze in die Stirn gezogen, kämpfte Karl auf der Strandpromenade gegen die Ostbriese, die wie Sandpapier über seine Wangen rieb. Schließlich erreichte er ein Backsteinhaus, das von zwei Krüppelkiefern eingerahmt war und sich unmittelbar am Strandweg hinter dem Deich duckte. An der Eingangstür des Ladenlokals im Erdgeschoss klebte ein Zettel mit dem Hinweis:

      Hier öffnet im Frühjahr die „Strandbar“ von Steve K.

      Karl wollte gerade klopfen, als Steve schon die Tür aufriss und ihn angrinste. In seiner Rechten hielt er eine Anstreichrolle.

      „Gut, dass du da bist, habe gerade mit der Küche begonnen.“

      Er ließ Karl herein, der sich interessiert umsah.

      „Schickes Plätzchen hast du dir hier ausgesucht. Ich glaube, ich werde öfter hier sein.“

      „Wann immer du willst, aber jetzt musst du mir erst mal helfen, die Bude hier auf Vordermann zu bringen.“

      Karl zog seine Jacke aus, krempelte seine Hemdsärmel nach oben und nahm den Pinsel, den Steve ihm entgegenstreckte.

      „Du machst die Ecken. Ich bin eh schon voll Farbe! Wo warst du denn heute? Und was war eigentlich mit deinem Hinkebein los?“

      Durch das Ladenfenster schien jetzt die Wintersonne in den Raum und warf ein leuchtendes Rechteck auf die Zeitungen, die den Fußboden bedeckten.

      „Ach, mein Fuß ist schon fast wieder o.k., hab´ ihn beim Joggen umgeknickt, aber das andere nervt mich viel mehr. Ich hab´ vorhin beim Arbeitsamt mein Glück versucht, glaube aber, das ist ziemlich aussichtslos mit einem Job!“

      Ratlos guckte Karl auf die Zeitungen am Boden.

      „Was würdest du denn gerne machen?“ fragte Steve, während er eine weitere Bahn Farbe auf die Wand rollte.

      „Das ist ja gerade das Blöde. Ich kann irgendwie alles und gar nichts.“

      „Haben sie euch denn nichts Schlaues beigebracht auf der Uni?“

      Steve strich unermüdlich weiter, während Karl am Fenster stand und nachdenklich die dahin eilenden Wolken über der Ostsee betrachtete.

      „Wenn ich das nur wüsste. Ich hab wohl schon gelernt analytisch zu denken und schreiben kann ich wahrscheinlich auch einigermaßen.“

      „Na, das ist doch schon einiges. Ich kann nur kochen und das war’s. Willst du nicht vielleicht irgendwas mit Medien oder so machen?“

      „Klar, das wollen doch fast alle mit meiner Fachrichtung.

      Mann, so viele Journalisten und Werbefuzzis kann dieser Planet nun wirklich nicht gebrauchen. Ich dachte immer, dass ich mich mit dem Studium für eine wirklich anspruchsvolle geistige Tätigkeit qualifizieren würde. Jetzt kann ich nur hoffen, vielleicht irgendwo als Hausmeister zu arbeiten.“

      „Aber Maler solltest du auf keinen Fall werden“, lachte Steve. „Du lässt ja alles auf den Boden tropfen!“

      „Mist“, schimpfte Karl. Die Farbe hatte ihren Weg genau zwischen zwei der Zeitungsblätter gefunden und bildete jetzt einen Klecks auf den Holzdielen.

      „Hinter der Theke steht ein Eimer mit Wasser und irgendwo liegt da auch noch mehr Papier“, sagte Steve, der seine Arbeit nicht unterbrochen hatte.

      Während Karl sein Ungeschick wieder ausbügelte setzte Steve seine berufskundlichen Überlegungen fort.

      „Und was ist, wenn du doch noch Lehrer wirst? Die verdienen doch unglaublich viel und haben dauernd frei.“

      „Kann ich nicht, ich habe nicht auf Lehramt studiert. Außerdem habe ich einfach keinen Bock, irgendwelchen Fünfzehnjährigen meine Lebensweisheiten mitzuteilen.“

      Karl legte ein neues Stück Zeitung auf die Stelle, die er gerade gesäubert hatte. Der Lichtfleck der Sonne war ein Stück weiter gewandert und schien jetzt genau auf das Papier unter seinen Händen.

      „Ja, dann weiß ich auch nicht, was du machen sollst, vielleicht…“

      Karl hörte den Worten seines Freundes nicht mehr zu. Er blickte konzentriert auf eine Annonce in der Rubrik ‚Stellenanzeigen Allgemein’, die vom Sonnenlicht

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