Zeit ist nicht das Problem. Jens Wollmerath

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Zeit ist nicht das Problem - Jens Wollmerath

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auf dem Flur, atmete er erst einmal tief durch und blickte auf Max, der nun auf dem Stuhl Platz genommen hatte.

      „Viel Spaß da drin. Die Dame ist von einer ansteckenden Fröhlichkeit!“

      „Hä?“

      „Tut mit leid, aber ich bin etwas in Eile. Muss noch zu einem dringenden Termin.“

      Er klopfte Max kurz auf die Schulter, murmelte: „Man sieht sich!“ und humpelte davon.

      Über die Stufen des Hauptportals trat er zurück auf den sonnigen Campus.

       Und? Was fühlst du, Meister Grün? Nichts! Absolute Leere. Du bist weder besonders klug noch gebildet, weißt zwar, wie man eine Hausarbeit schreibt oder sich mit Pflichtseminaren durchs Semester mogelt, aber sonst... Ob diese ganzen Studis hier auf der Campuswiese wohl wissen, worauf sie da zusteuern? Magister und arbeitslos? Na bravo! Aber in der Sonne baden, das haben wir gelernt. Vielleicht soll ich sie warnen. Vielleicht muss ich hier und jetzt die anti-akademische Revolution ausrufen. Vergesst euren Kopf, alle Macht der Hand!

      Eine solche krachte mit Wucht auf seine Schulter. Karl drehte sich um und musste lachen. Vor ihm stand sein alter Schulfreund Steve.

      „Na, wovon hast du denn gerade geträumt?“

      „Ach, nichts Besonderes. Hab’ gerade mein Abschluss -zeugnis abgeholt und wollte jetzt…“

      „… mit mir feiern gehen“, fiel ihm Steve ins Wort, „ein guter Plan!“

      Steve war einen halben Kopf größer als Karl und nichts an seinem Äußeren verriet ihn als Koch, er sah eher aus wie ein Holzfäller aus den Rocky Mountains. Doch nur sein Großvater war Kanadier und vierzig Jahre lang Buchhalter in einem Handelsbüro in Halifax gewesen. Ihm verdankte er seinen Vornamen.

      „Du bist also jetzt komplett fertig?“

      „In jeder Hinsicht“, antwortete Karl, „aber was machst du denn hier an der Uni?“

      „Ich war bei der Studentenjob-Vermittlung. Ich suche jemanden, der mir beim Streichen hilft!“

      „Heißt das, du machst wirklich…“

      „…ja, mein Café an der Strandpromenade auf.“

      Steve war ein Meister im Unterbrechen.

      „Dann hast du deinen Job im „König“ aufgegeben?“

      „Ja, Ende des Monats bin ich raus. Keine Lust mehr auf Stammessen. Pizza, Auflauf, Pizza, Carbonara, Pizza, Bolognese, Pizza...“

      „Aber, warum hast du mich nicht gefragt, ob ich dir helfe?“ spielte Karl den empörten Freund.

      „Weil ich dachte, du hättest noch irgendwelche Prüfungen. Ich hab da keinen Überblick! Aber wenn du willst. Die hatten sowieso gerade keinen Helfer für mich!“

      „Na, auf mich kannst du zählen. Bis morgen ist mein Fuß bestimmt wieder o.k., ich hab vormittags allerdings erst noch einen anderen Termin!

       3

      Das „A“ über dem gelb geziegelten Hochhaus prangte wie das Symbol einer obskuren Sekte in den Winterhimmel und war schon aus der Ferne zu erkennen. Karl blickte aus dem Fenster des Busses, der an den Kantstein der nächsten Haltestelle glitt.

      „Arbeitsamt“, ließ die krachende Lautsprecherstimme vernehmen.

       Dachte, das heißt jetzt Agentur. Sind nicht so schnell, die Leute vom ÖPNV.

      Karl erhob sich , spürte einen Stich im rechten Fuß und trat in die Kälte. Was der gestrige Tag an Frühlings -versprechungen gemacht hatte, glich der heutige durch nackte Winterrealität wieder aus. Mit beiden Händen hielt Karl seinen Mantel zusammen, presste die Lippen aufeinander und lief auf die Glastüre des Hochhauses zu. Drinnen roch es nach Putzmitteln und PVC-Fußböden aus einer Zeit vor der Einführung von Schadstoffgrenzwerten.

      Karl ging zum Empfangstisch und beugte sich dicht an das Loch in der Glasscheibe.

      „Ich bin Hochschulabsolvent und wollte…“

      „Vierter Stock! Rechts die Treppe hoch, der Fahrstuhl ist kaputt“, rasselte der Pförtner hinter der Scheibe herunter.

       Wunderbar!

      Keuchend erklomm Karl die letzte Stufe und betrat den Wartebereich. In unbestimmter Ordnung standen einige Stühle und Tische herum, an denen bereits zahlreiche Arbeits- suchende Platz genommen hatten. Karl steuerte auf den den Tisch zu, der den einzigen noch freien Stuhl bereithielt.

      „Wo muss man sich denn hier anmelden?“ schnaufte er und hielt sich an der Tischplatte fest.

      Ein Endzwanziger im dunkelgrauen Anzug, blauen Hemd und rot gemusterter Polyester-Krawatte sah ihn von unten bis oben an.

      „Steht doch groß auf der Tafel da!“

      Er nickte mit dem Kopf leicht nach links.

      Karl folgte mit dem Blick und sah auf ein Pappschild, das mit Klebestreifen an der aschgrauen Wand befestigt war. Es klärte ihn darüber auf, dass er sich zunächst in Zimmer 402 zu melden habe, dort eine Nummer erhalten und dann aufgerufen würde.

      Karl hatte nach Eroberung seines Nummernzettelchens kaum neben dem Anzugträger Platz genommen, da bestätigten sich seine Befürchtungen schon.

      „Was hast du denn studiert?“ drang es an sein Ohr.

      „Philosophie“, antwortete er und vermied es den Fragesteller anzublicken.

      „Ach wie schlau, damit kann man doch gar nichts anfangen! Was willst du denn arbeiten?“

      Bevor Karl auch nur an eine Antwort denken konnte, setzte der Quälgeist sein Verhör fort: „Warum hast du denn nicht irgendwas Praktisches studiert? Ich hab zum Beispiel BWL mit Englisch kombiniert, damit kann ich…“

      … eine McDonald’s Filiale in Kenia leiten.

      Karl schwieg und vertiefte sich in eine der Broschüren, die auf dem Tisch auslagen.

      Kurz darauf wurde die Nummer seines Tischnachbarn aufgerufen, der auf der Stelle die Hacken zusammenschlug und aufsprang. Dem Text des Faltblattes konnte Karl entnehmen, dass die Mitarbeiter des Arbeitsamtes stets bemüht seien, den Arbeitssuchenden hilfreich zur Seite zu stehen, diese sich aber auch selbst darum kümmern müssten, schnell einen Arbeitsplatz zu finden.

      Soll das ein Witz sein? Da draußen laufen knapp fünf Millionen Arbeitslose herum. Wie soll man denn da eine Stelle finden? Als ich anfing zu studieren, haben alle was von „Soft-Skills gefaselt. Egal, was du an der Uni machst, Hauptsache du entwickelst diese weichen Fähigkeiten, von denen sowieso niemand weiß, was sie sind und wofür man sie braucht. Geh in die Medien, da brauchen sie solche Leute wie dich. Und dann dieser bescheuerte „Neue Markt“. Agenturen,

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