Mauerzeit - Traumzeit. Dietmar Schubert

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Mauerzeit - Traumzeit - Dietmar Schubert

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Kiefern reichen bis an sein Ufer; vereinzelt stehen große Buchen und Eichen zwischen ihnen. An drei Stellen ist ein kleiner Schilfsaum. Ein einziger, schmaler Pfad führt über die steile Uferböschung und endet auf einer kleinen Wiese direkt am See. Das Wasser ist klar, selbst in der Mitte des Sees habe ich schon bis auf den sandigen Grund gesehen.

      „Pass auf!“, rufe ich Silke zu. Sie rast die Uferböschung hinab und bleibt nur eine Reifenbreite vor dem Wasser stehen.

      „Wahnsinn, dein Waldsee!“, ist ihr erstes Urteil nach wenigen Augenblicken. Sie lehnt ihr Fahrrad gegen den umgebrochenen Baum, eine Hälfte liegt im Wasser und die andere auf der Wiese. Eine Wolke hat sich auf den blauen Himmel verirrt und findet auch noch den Weg vor die Sonne. Der See bekommt für einen kurzen Moment eine düstere Stimmung.

      „Und gruselig ist er auch noch!“, stellt Silke fest und kuschelt sich an mich.

      „Kommst du trotzdem mit baden?“, frage ich.

      „Du bist doch bei mir.“

      Sie wirft einen Blick über den See, auf dem die Sonnenstrahlen wieder tanzen.

      „Außerdem hat sich die Wolke in Nichts aufgelöst“, setzt sie fort.

      Unsere Sachen laden nach wenigen Augenblicken auf der Decke. Silkes Bikini bedeckt verdammt wenig. Da ist es wieder, das Von-Silke-Träumen-Kribbel-Gefühl; wie damals nach der Sportstunde, als mir Silke zum ersten Mal in die Augen geschaut hat und wie zur Schuldisko, wenn wir uns ganz zärtlich umarmen.

      „Du wolltest mir im See was zeigen?“ unterbricht Silke meine Gedanken. Ich berühre ihren Arm und greife nach ihrer Hand.

      „Ab geht’s! Wir müssen ans andere Ufer.“

      Das Wasser ist kalt, mehr als kalt. Die Kühle treibt uns an, zügig zu schwimmen.

      „Was ist das?“, fragt Silke und zeigt auf den dunklen Fleck unter der Wasseroberfläche. Ich gehe wenige Schritte durch das bauchtiefe Wasser und setze mich. Silke schaut erstaunt, weil ich nicht unter Wasser verschwinde.

      „Der dunkle Fleck ist ein Findling, wie ein Sofa, sogar mit Lehne.“

      „Stark, was die Eiszeit so alles liegen gelassen hat“, stellt Silke fest und setzt sich neben mich, lehnt sich an den Stein und blinzelt in die Sonne. Verdammt, Silkes Gesicht sieht schön aus, die langen Wimpern, die Augenbrauen, ihr Mund, der immer ein Lächeln hat, ihre Lippen, den kann ich jetzt nicht widerstehen.

      „Holger ist schon wieder eine Wolke vor der Sonne?“

      Ich antworte nicht, fasse hinter ihren Kopf und drücke ihn an meinen. Unsere Lippen berühren sich fast. Silke reißt ihre Augen auf, ich schaue sie erschrocken an.

      „Trampelt da was durch den Wald?“, schockt sie mich. Ich schaue in Richtung Ufer und achte einen Moment nicht auf Silke. Mit ihren Armen umschlingt sie mich und sitzt auf meinem Schoß. Eine Armee Trampeltiere könnte durch den Wald hetzen, das wäre mir egal. Unsere Lippen liegen nur einen Augenblick aufeinander, bevor sich unsere Münder öffnen und meine Zunge sich frech auf den Weg macht, Silkes zu berühren. Meine erste Freundin, Rita, war beim richtigen Küssen zickig und feige, als würde man davon Kinder oder Pickel im Gesicht bekommen. Ich müsste Luft holen, das geht nicht, jetzt ist küssen dran. Verdammt, in meiner Badehose wird es eng und Silke merkt das, da bin ich mir ganz sicher. Nicht von Silke und vom Küssen träumen, sondern sie sitzt auf meinem Schoß und ich umarme sie ganz fest.

      Silke kramt in ihrer Tasche und sortiert einen Kamm, ein dünnes Buch und ein Badetuch auf die Decke. Ich greife nach dem Buch.

      „Eh, wo hast’n den Plenzdorf her?“, frage ich sie, „Die neuen Leiden finde ich gut.“

      Sie fährt mit dem Kamm erstaunlich leicht durch die langen Haare, die von der Sonne schon fast wieder getrocknet sind.

      „Eingeschmuggelt“, antwortet sie kurz.

      „Hä, wie’n das, verstehe ich nicht.“

      Sie legt sich auf die Decke, stützt den Kopf in die Hände und schaut mich frech an.

      „Eingeschmuggelt aus Prag, da gibt’s ein tolles Antiquariat mit deutschsprachigen Büchern, die du bei uns kaum kriegst. Höchstens unterm Ladentisch als Bückware.“

      Ich hole aus der Gepäcktasche am Fahrrad mein derzeitiges Lieblingsbuch und lege es auf die Decke. Sie blättert darin und schüttelt mit dem Kopf.

      „Wie könnt ihr Jungen bloß den Werner Holt gut finden?“

      „Die Sprache ist doch ganz stark“, ich blättere schnell eine Seite auf, die ich mit einem Eselsohr markiert habe, „hier, schau, die Szene in der Flakbatterie in Gelsenkirchen – ihr Schweine, ihr trichinösen, ich werde euch schleifen, bis euch der Bauchnabel glänzt – das ist doch so richtig brutal, so richtig knallhart. Nicht so romantisch verklärter Mist, wie in irgendwelchen langweiligen Klassikern.“

      „Die Sprache ist weder knallhart oder brutal, die ist Scheiße“, erwidert Silke, „wer so redet, hat nicht alle Tassen im Schrank. Du kannst sicher sein, wenn der Holt im Deutschunterricht dran ist, gebe ich Kontra. Außerdem verstehe ich nicht, wieso ihr Jungen dauernd rumjammert, weil ihr nach dem Abi für drei Jahre zur Fahne müsst, um euer Lieblingsstudium zu kriegen, aber solche Kriegsschinken wie den Holt stark findet.“

      Silke hat sich warm geredet, da teilt sie in alle Richtungen aus. Wer da nicht in Deckung geht, den fliegen die Worte um die Ohren.

      „Dein Edgar ist aber auch nicht gerade lammfromm“, kontere ich, „außerdem macht er sich an Charlie ran, obwohl die vergeben ist. Findest du das okay?“

      „Edgar ist Rebell, das finde ich stark und Charlies Freund Dieter kannst du vergessen, der ist schlimmer als eine Schlaftablette. Geschieht ihm ganz recht, dass Edgar sich an Charlie ranmacht. Außerdem“, doziert sie weiter, „Edgar ist Jeansfan, wie ich. Ohne Jeans komme ich mir nackt vor.“

      In Silkes Gesicht ist eine Haarsträhne gefallen. Ich greife danach und schiebe sie hinter ihr Ohr.

      „Hast du Verwandte im Westen?“, frage ich. Sie nickt mit dem Kopf.

      „Ja, einen Onkel und der lässt ab und zu eine blaue Fliese rüberwachsen.“

      „Und ich hätte mal laut hier schreien sollen, als die Westverwandten verteilt wurden. Da muss ich wohl gerade ein Brötchen zwischen den Zähnen gehabt haben“, stelle ich traurig fest.

      Ich lege mich auf den Rücken und schaue in die Kronen der zwei Buchen hinter uns. Silke rückt ganz nah an mich. Auf meiner Haut kitzeln Silkes Haare und ihre Hand streichelt über meine Brust.

      „Holger, mir ist es egal, ob du Wisent-Jeans aus der Jumo trägst oder Levis aus dem Intershop. Du bist mein Freund, weil du...“, sie bricht den Satz ab und ihre Augen werden für einen Moment traurig. Ich fasse nach ihrer Schulter und ziehe Silke noch ein Stück an mich.

      „Weil ich was?“, frage ich sie. Sie überlegt einen Moment.

      „Weil du anders bist, als die Anderen“, setzt sie den Satz fort und ich glaube ihr. Meine Finger schieben den Bikiniträger ein Stück von ihrer Schulter und ein kleines Stück mehr nackter Haut ist zu sehen.

      „Kommst du noch mal

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