Mauerzeit - Traumzeit. Dietmar Schubert

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Mauerzeit - Traumzeit - Dietmar Schubert

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kurzen Fransen kannst du voll stecken lassen“, provoziere ich sie.

      „Ich habe keine Fransen. Ich habe mich bloß heute früh nicht gründlich gekämmt.“

      Sie überlegt einen Moment.

      „Wie kann sich denn Silke hinsetzen? Da klemmt sie sich doch immer die Haare ein. Das ziept doch ganz doll.“

      Peggy lehnt an ihrer Zimmertür und schaukelt damit hin und her. Ihren Blicken ist nicht recht anzusehen, denkt sie über das Problem der langen Haare und des Hinsetzens nach oder heckt sie schon wieder eine neue, freche Frage aus.

      „Habt ihr euch schon mal richtig geküsst? Kann sie gut mit Zunge küssen?“

      Wo hat meine Schwester denn das schon wieder aufgeschnappt – Zungenkuss und so,

      „Schwesterlein, mache deine Hausaufgaben und frage nicht Dinge, für die du noch viel zu jung bist.“

      Das hat gesessen, denn eines kann Peggy nicht ausstehen, das Wort Schwesterlein.

      „Ich bin nicht dein Lästerschwein. Knutscht bloß nicht so viel rum, das gibt Knutschflecken und die kann man nicht abwaschen.“

      Knurrend und mit grimmigem Gesicht schließt sie die Tür zu ihrem Zimmer.

      Ich nehme meinen Schlüssel vom Schlüsselbrett, schaue noch mal zu Peggy ins Zimmer.

      „Tschüss Peggy! Schau nicht so verbiestert!“

      „Selber Biest!“, kommt von ihr zurück, ohne dass sie sich umdreht.

      Ein helles Ding-Dong ist zu hören und wenige Augenblicke später öffnet Silke die Wohnungstür.

      „Los, komm rein, wir haben noch etwas Zeit.“

      Sie umarmt mich und drückt die Wohnungstür zu. Wir stehen zwischen Schuhschrank, Spiegel und Kommode. Ich wühle in den langen Haaren, meine Finger suchen nach ihrem Ohr und streicheln über das Ohrläppchen. Silke schmiegt sich wie eine Katze an mich und der Kuss wird noch leidenschaftlicher.

      „Du bist gemein Holger, du weißt genau, wie du deinen Willen durchsetzen kannst“, sie schaut mich an, „aber mir gefällt es. Es ist wunderschön.“

      Aus Silkes Zimmer ist ein Titel von Manfred Mann zu hören. Ihr Zimmer sieht toll aus. Ich war erstaunt, als ich es vor einigen Monaten zum ersten Mal gesehen habe. Ich hatte ein Zimmer wie bei Rita erwartet – eine Horde Plüschtiere auf der Liege; Poster von der Gruppe Kreis, Bee Gees, Abba und Middle Of The Road, wenn es hoch kommt, von The Sweet und Möbel, die aus den Kinderjahren gerettet wurden.

      Silkes Zimmer sieht ganz anders aus – erwachsener eingerichtet. Die Poster kleben nicht mit ein paar durchsichtigen Klebestreifen oder Gänsehautband an der Wand, sondern sind gerahmt und exakt aufgehängt. Ein Poster ist mir gleich aufgefallen – Omega. Schulbücher und Hefter liegen auf dem Tisch und davor steht ein Stahlrohrstuhl. Die Grünpflanzen bekommen bestimmt jeden Tag Wasser, ich vergesse das manchmal. Die Leitermöbel sind die gleichen, wie bei mir, aber die Ordnung ist nicht mit meiner zu vergleichen - Kinderbücher, Jugendbücher, Fachbücher und – nicht zu vergessen „Weltall – Erde – Mensch“ – das Buch zur Jugendweihe. Die Schallplattensammlung ist nicht zu verachten, so viele habe ich nicht. Schallplattenspieler und ein Stern-Recorder stehen neben dieser.

      Wir sitzen über Eck auf Silkes Liege. Silkes Kopf liegt an meinem. Die beiden Teddys schauen uns mit gutmütigen Augen an. Einer lehnt lässig am Schrank. Die alte Wanduhr tickt neben dem kleinen Regal. Auf dem Regal liegt neben Sküs-Kosmetik eine Bernsteinkette. Ein runder Spiegel hängt über einem kleinen Tisch, auf dem ein Kerzenständer mit zwei großen Kerzen steht. Da kommt es schon wieder, das Von-Silke-Träumen-Kribbel-Gefühl; Kerzenlicht, guter Musik und zärtlich mit Silke kuscheln.

      „Von was träumst du“, fragt mich Silke. Ich schiebe eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.

      „Von dir“, und nach einem Kuss, „von unserer Schülerband; in dieser Reihenfolge.“

      Ihre Fingerspitzen berühren meinen Hals, ihre Augen leuchten sanft.

      „Du bist lieb, Holger. Ich mag dich sehr.“

      Meine Blicke streifen über ihre Poster.

      „Welches Poster schaust du so interessiert an?“, fragt mich Silke. Ich blicke kurz in ihr Gesicht.

      „Das von Omega. Die möchte ich unbedingt live im Budapester Kis-Stadion sehen und meinen Lieblingstitel hören.“

      Ihre Augen leuchten spitzbübisch.

      „Darf ich raten, welcher es ist?“

      Ich nicke mit dem Kopf und sie überlegt, zumindest habe ich den Eindruck.

      „Dein Lieblingstitel ist bestimmt ‚Das Mädchen mit den Perlen im Haar’. Habe ich recht?“

      „Stimmt!“, meine Finger gleiten über eine Haarsträhne, „deine langen Haare gefallen mir.“

      Ein verlegenes Lächeln huscht über ihr Gesicht.

      „Danke“, sagt sie leise. Meine Fingerspitzen schieben ein paar Haare über die Bluse, finden den Weg zu einem Knopf und versuchen dahinter zu verschwinden. Silkes greift nach meiner Hand, legt sie wieder auf die Haarsträhne zurück. In ihren Augen ist für einen kurzen Augenblick eine Spur Traurigkeit. Sie setzt sich im Schneidersitz auf ihre Liege, lehnt sich an die Wand und der Teddy verschwindet unter ihren Haaren.

      „Nach Budapest möchte ich auch“, und in ihren Augen ist Fernweh zu sehen. „Budapest, das ist für mich wie ein kleines Stück große, weite Welt. Nur mit Zelt und Schlafsack und, um Forinten zu sparen, auf der Margareteninsel wild campen.“

      Ihre Abenteuerlust steckt an, so stelle ich mir auch Budapesturlaub vor.

      „Hauptsache, du wirst beim Campen nicht erwischt“, meine ich, „mein Bruder Jan kann da tolle Storys erzählen.“

      Silkes Fernweh verschwindet mit einem Schlag aus ihren Augen und wird durch Neugier ersetzt.

      „Du hast noch einen Bruder?“, fragt sie.

      „Ja, Jan ist fünf Jahre älter als ich und meine Schwester Peggy fünf Jahre jünger“, erkläre ich ihr und erschrecke – wieder huscht eine Spur von Traurigkeit über ihr Gesicht. Oder täusche ich mich? Ich komme nicht weiter zum Nachdenken. Silke schaut auf ihre Uhr und springt mit einem Satz von der Liege.

      „Mann, wir müssen los, sonst keifen die Waschweiber wieder rum!“

      Die Sonne empfängt uns zwischen den dreigeschossigen Häusern, die ein bisschen verloren neben den Hochhäusern wirken. Silke bleibt stehen und kramt aus der Jackentasche die Schirmmütze von heute früh hervor.

      „Wir haben jetzt aber nicht PA“, meine ich zu ihr.

      „Das stimmt, aber mich hat so’n Waschweib schon mal dumm angemacht, wegen meiner langen Haare, Arbeitsschutz an der Heißmangel und was weiß ich noch alles“, erklärt Silke und zwängt ihre Haare unter die Schirmmütze.

      Das Waschhaus sieht hässlich aus, als hätte der Architekt es vergessen und

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