Mauerzeit - Traumzeit. Dietmar Schubert

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Mauerzeit - Traumzeit - Dietmar Schubert

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Bikini und meine Badehose fallen auf die Decke. Eine dicke Haarsträhne fällt über ihre Brust und wippt frech über den Bauch und die dunklen Schamhaare. Ich fasse nach ihrer Hand und wir gehen langsam in den Waldsee. Ich umarme Silke und will sie ganz fest an mich drücken. Nur noch ein dünner Wasserfilm ist zwischen uns. Das Von-Silke-Träumen-Kribbel-Gefühl lässt einen Gedanken wie einen Blitz durch mich jagen – mit Silke schlafen?

      „Nicht Holger, ich mag nicht“, sie schiebt mich ein Stück von sich und löst sich einen Augenblick später aus meiner Umarmung. Mit schnellen Schritten läuft sie auf das Ufer zu, rennt zur Decke und zieht den Bikini wieder an. Langsam komme ich aus dem Wasser – was war das eben? Ich ziehe meine Badehose an und gehe zu Silke, die am Ufer steht. Ich erschrecke, über ihr Gesicht laufen Tränen. Habe ich was falsch gemacht? Habe ich ihr weh getan? Ich stelle mich vor sie, schaue in ihr Gesicht und lege meine Hände auf ihre Schulter.

      „Was ist Silke? Warum weinst du?“

      Sie umarmt mich.

      „Alles, alles war wieder da. Es hat wehgetan.“

      Ich habe Angst. Ich drücke sie ein Stück von mir weg, ich will in ihre Augen sehen. Meine Hände fassen fest nach ihr, ich will sie festhalten, ihr Sicherheit geben.

      „Was war wieder da? Was hast du erlebt?“

      Sie umarmt mich wieder und schmiegt sich an mich.

      „Ist schon gut, Holger! Nicht so schlimm! Ich erzähle dir später alles.“

      Ich bin unruhig, aber ihr leidenschaftlicher Kuss beruhigt mich wieder.

      „Ich bin ganz doll verliebt in dich“, flüstert sie in mein Ohr.

      Die S-Bahn schaukelt über ein paar Weichen. Im Hunde-Katzen-Fahrrad-Sperrmüll-Abteil sitzen wir auf einer der beiden Holzbänke, Silke schlafend auf meinem Schoß. Was ist mit Silke passiert? Diese Frage kreiselt durch meinen Kopf und findet keine Antwort. Ich bin anders als die Anderen, hat Silke gesagt. Wo? Fast zwei Meter bin ich groß, schlaksig, mehr in die Höhe geschossen, als in die Breite gegangen. Genauso alt wie Silke, sechzehn Jahre. Braune Augen, dunkelblonde Haare bis auf die Schulter, Mittelscheitel und die ersten Barthaare sind auch schon zu sehen. Auf Schule habe ich manchmal keinen Bock, aber das Abi schaffe ich auf jeden Fall, ich will studieren, was mit Elektronik.

      Auf dem Bahnsteig stehen ein paar Leute und schauen gelangweilt. Die S-Bahn bleibt stehen, ein Oma-Opa-Ehepaar schaut neugierig durchs Fenster und geht weiter. ‚Friedrichstraße’ steht in der Fahrzielanzeige unter dem Bahnhofsdach. Alle S-Bahn-Züge, die hier halten, fahren dahin. Friedrichstraße – mitten in der Stadt und doch Endstation, mitten in der Stadt und doch am Ende der Welt. Meiner Welt, mit Silke, mit meinen Eltern, meinen Geschwistern, meinen Freunden und allem was dazugehört, um glücklich zu sein.

      Silke bewegt ihre Arme, schlingt sie noch enger um mich, ohne munter zu werden. Mädchen waren für mich bisher dufte Kumpels, mit denen ich über Sport, Musik, Gott und die Welt quatschen konnte oder doofe Zicken, die über jeden Mist kichern. Bei Silke ist alles anders. Verliebtsein ist wunderschön. Es kribbelt im Bauch, ich könnte die Welt umarmen.

      Der erste Schultag mit Überraschungen

      „Es ist sieben Uhr und dreißig Minuten. Sie hören Nachrichten des Berliner Rundfunks.“

      Bei diesen Worten des Nachrichtensprechers schalte ich meinen ‚Sternrecoder’ aus. Die Nachrichten sind sowieso dieselben, wie die vor einer halben Stunde. Peggy, meine jüngere Schwester, scharrt schon mit den Hufen.

      „Komm endlich“, kommandiert sie, nachdem sie zum fünften Mal versucht, ihre strubbeligen Haare vor dem Spiegel zu bändigen.

      „Spieglein, Spieglein, an der Wand, wer ist die schönste Peggy im ganzen Land?“, verulke ich sie. Sie wirft den Kamm auf die Kommode und steckt mir frech die Zunge raus.

      Ich hole Steffen ab. Wir sind vor einem Jahr aus derselben Schule auf die EOS gekommen. Gunther, Dieter und Ina warten schon am Treffpunkt unserer Clique. Silke und ihre Freundin Efpi sind die Letzten, die kommen. Efpi, die eigentlich Bettina heißt, hat immer Flower-Power-Blusen an, deshalb der Spitzname. F und P für Flower-Power und der Rest, damit man es aussprechen kann. Heute, zum Schulanfang, ist FDJ-Hemd angeordnet. Silke schaut mich an – los komm Holger, jetzt sollen es auch unsere Freunde erfahren, dass wir ein Pärchen sind. Der Begrüßungskuss wird lautstark kommentiert.

      „He, he, Küsschen am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen“, reimt Steffen in Sekundenschnelle.

      „Deine Reime haben das Niveau vom Sandmännchen-Abendgruß, reim dich oder ich fress dich“, erwidert Silke.

      „Was, Sandmännchen-Abendgruß, was reimt sich da?“, fragt Steffen.

      „Hast du Kummer oder Sorgen, dann schreibe gleich morgen an Frau Puppendoktor Pille mit der großen, klugen Brille“, zitiere ich.

      „Ach Silke“, Dieter setzt einen mitleidigen Dackelblick auf, „da kann ich mir bei dir wohl keine Hoffnungen mehr machen.“

      Silke schüttelt den Kopf und fasst nach Dieters Schulter.

      „Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss. Aber du wirst es verschmerzen, so wie du den Romeo rezitieren kannst, wirst du deine Julia finden“, tröstet sie ihn und schaut in seine Augen, dass ich eifersüchtig werde.

      „Silke, welches Mädchen steht denn heute noch auf Romantik und inniges Liebeswerben wie bei Shakespeare. Stelle dir vor, ich würde mich vor Efpi hier auf dem Asphalt werfen und auf Knien um sie werben“, säuselt er zurück. Verdammt, Dieter ist mein Freund, aber von Silke soll er gefälligst die Finger lassen. Efpi lacht laut los und bringt die Hände in Abwehrposition, falls Dieter seine Idee in die Realität umsetzen will.

      „Ich würde dich freundlich fragen, ob du wieder auf Augenhöhe kommen willst und dir die Hand reichen, um aufzustehen.“

      „Nur zum Aufstehen würdest du mir, liebe Efpi, die Hand reichen?“

      „He, he, das gibt’s nicht, kaum hat Dieter von Silke einen Korb gekriegt, baggert er die Nächste an“, wirft Gunther ein und schüttelt seine schwarze Haarmähne.

      „Los geht’s“, legt Gunther fest, „eure Romantikspielchen könnt ihr heute Nachmittag weiter spielen.“

      Vor der Schule ist Gedränge, kleinere und größere Gruppen stehen auf dem Fußweg. Mir gegenüber steht Ekel-Bert. Für mich der Fiesling, wie Klaus Kinski in Edgar-Wallace-Filmen - maulfaul und unberechenbar. Aber die AG Disko hat er im Griff, seine Schuldiskos sind unschlagbar. Mit Volker, seinem Freund, komme ich mittlerweile klar; mehr aber auch nicht. Der ganzen Clique um Bert und Volker traue ich nicht so recht über den Weg, ist auch egal, mit meinen Freunden komme ich gut aus.

      Die Schulklingel rasselt los und wir setzen uns in Bewegung. Nur wenige Augenblicke im Schulflur und die Ferien fallen von mir ab. Die Schule hat mich wieder, mit allem, was dazugehört, den Lehrern, den Unterrichtsstunden, dem Lärm in den Pausen und den Gerüchen. Die Schule hat ganz eigenartige davon. Das Linoleum in den Fluren, das matt glänzt und Bohnerwachs ausdünstet. Das Erdgeschoss mit dem großen Essensraum, in dem sich der Weißkohleintopf und die Quarkspeise für immer eingebürgert zu haben scheinen, auch wenn es Schnitzel gibt. In der Chemieraumetage wabern die Gase geruchsintensiver Experimente. In der Physikraumetage entsteht immer der Eindruck, jemand spielt mit Hochspannung

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