Mauerzeit - Traumzeit. Dietmar Schubert

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Mauerzeit - Traumzeit - Dietmar Schubert

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hohen Kinderstimmen hallen durch die breiten Flure und erst im großen Treppenhaus verliert sich der Schall. In der Etage der fünften, sechsten und siebten Klassen geht es ruhiger zu und das Gekicher der Mädchen erinnert mich an meine Schwester Peggy. In den letzten beiden Etagen geht es am ruhigsten zu; Grüppchen stehen zusammen und die Unterhaltung ist zwar laut, aber nicht lärmend aufdringlich. Ohne auf uns Rücksicht zu nehmen, rasselt die Schulklingel wieder los und unterbricht jede Unterhaltung. Die letzten Kinderstimmen verhallen, die letzten Schritte sind in den Fluren zu hören. In nur wenigen Augenblicken ist der Lärm verklungen und die Ruhe wirkt eigenartig.

      Unser Klassenraum ist unter dem Dach. Die Wände sind weiß gestrichen und strahlen Kühle und Nüchternheit aus. Die Holzdielen knarren unter unseren Füßen. Sie wirken edel und eigentlich müssten wir Hausschuhe anziehen. Die Wandzeitung vergilbt vor sich hin. „Die FDJ – Kampfreserve der Partei“ – das Thema ist immer richtig, egal zu welcher Jahreszeit. In der ersten Klasse wurde ich Jungpionier, in der vierten Thälmannpionier und in der achten Mitglied in der FDJ. Das war für mich eine Selbstverständlichkeit, wie Essen, Trinken oder Schlafen. Ich muss nicht für alles eine Begründung haben, die weltbewegend ist und alle zu mir aufblicken lässt – ich, der Individualist. Über die Partei muss ich mir erst in zwei Jahren einen Kopf machen, dann bin ich achtzehn – erwachsen.

      Die Poster neben der Tafel finde ich gut. „Faust“ – Goethe, „Der Schimmelreiter“ – Storm und „Die Abenteuer des Werner Holt“ – Noll; Herr Rohl ist unser Klassenlehrer und unterrichtet Deutsch. Er schließt die Tür, geht zum Lehrertisch und beginnt sein Ritual vom vergangenen Jahr zu wiederholen.

      „Neues Schuljahr, neue Plätze und damit es keinen Streit gibt, dieselbe Prozedur, wie letztes Mal am ersten Schultag. Eine Ausnahme, wer ein Los gezogen hat, darf sich seinen Banknachbarn selbst wählen. Es ist für jede Bank nur ein Los da.“

      Er schüttet die Lose auf den Lehrertisch. Efpi und Silke greifen sofort in den Loshaufen.

      „Wandreihe, fast ganz hinten“, freut sich Silke und wir beide gehen auf die ausgeloste Bank zu. Die letzten Lose sind verteilt, die Sitzordnung neu gemischt, das Schuljahr kann losgehen, wie jedes Jahr am ersten Schultag – Appell zum Weltfriedenstag.

      Die Aula füllt sich, vorn die Pioniere mit rotem Halstuch und weißem Pionierhemd, dahinter die FDJler im blauen FDJ-Hemd. Der Ablauf ist wie ein Ritual.

      Die Pioniere werden von der Pionierleiterin mit dem Pioniergruß „Für Frieden und Sozialismus - Seid bereit!“ begrüßt. Ein glockenhelles „Immer bereit!“ schallt aus den Kehlen der Pioniere durch die Aula. In der siebten Klasse wurde aus "Immer bereit" oft "Immer breit" – in Vorfreude auf die erste Fete mit alkoholischen Getränken. Wir wollten endlich erwachsen werden – das Pionierhalstuch war was für Kinder.

      Der FDJ-Sekretär der Schule begrüßt uns mit dem FDJ-Gruß „Freundschaft!“. Ein tief dunkles „Freundschaft!“ kommt von uns zurück. Der Schulchor singt zwei Lieder aus der Singebewegung und bringt damit Leben in die Aula. Die Direktorin eröffnet das Schuljahr. Ihre Rede klingt wie all die Jahre vorher, egal, wie der Chef heißt, der da vorn steht. Ich höre sie zum zehnten Mal - Weltfriedenstag, DDR, Kampf für den Sozialismus und für das Leben lernen wir.

      Der Schulhof ist riesig groß. Nur direkt am Schulgebäude liegen Steinplatten, der Rest ist Sand. Große Kastanien stehen am Ende des Schulhofes. Dahinter ist eine Kinderkombination. In der Krippe stehen die Kinderwagen auf der Terrasse. Im Kindergarten stehen ein paar Knirpse am Zaun und schauen neugierig auf den Schulhof. Wenn die wüssten, was sie da erwartet, würden sie jetzt bestimmt mit den Anderen im Sandkasten spielen. Das Zentralorgan der Vorschulkinder, die Zeitung „Bummi“, hat ihnen bestimmt überzeugende Argumente geliefert, dass Schule ganz toll ist.

      Eine kleine Sportanlage liegt im Schatten von alten Wohnhäusern. Die Aschenbahn ist leicht holprig. In der Kugelstoßecke und der Weitsprunggrube markieren tiefe Löcher die Durchschnittsweiten.

      Unsere Clique strebt zu der niedrigen Steinmauer. Wir haben unseren Stammplatz, der hartnäckig gegen jeden Eroberungsversuch verteidigt wird. Der neue Stundenplan wird ausgewertet. Er ist fies, drei Mal in der Woche bis fünfzehn Uhr und sonnabends bis zwölf.

      „Was macht eure Schülerband? Ich will euch endlich mal live sehen!“, fragt Efpi neugierig, „oder kommt ihr gegen Volkers Band nicht an?“

      „Efpi, ich lasse mich von dir nicht provozieren“, sagt Gunther betont ruhig, „auch wenn wir erst zu dritt sind. Volker mit seiner Band bei jeder Schuldisko absahnt und die Groupies das Ekelpaket Bert, den teddybärgesichtigen Bassisten und den schlafmützigen Drummer umschwärmen.“

      Er streckt provokant seine Beine aus, lehnt sich zurück und setzt eine Siegermine auf.

      „Aber“, mit dem Zeigefinger der rechten Hand bohrt er drohend in die warme Sommerluft, „aber Teddybärgesicht und Schlafmütze müssen ab November zur Fahne und dann stehen wir da oben. Ina an der Gitarre, Holger am Keyboard und ich am Schlagzeug, dann vibriert die Luft in der Aula.“

      Er verschränkt die Arme vor der Brust und schaut zerknirscht.

      „Leider fehlt uns noch jemand für die Bassgitarre, das ist sehr ärgerlich.“

      Ich lege meinen Arm um Silkes Hüfte und sie nickt mir kurz zu.

      „Das Problem ist gelöst“, meine ich regungslos.

      Gunther schaut mich fragend an und sein Gesicht verfinstert sich.

      „Willst du Bassgitarre spielen? Einen Takt Taste, einen Takt Saite?“

      Ich schüttle mit dem Kopf.

      „Nein, ich möchte dir Silke vorstellen.“

      „Silke?“, beginnt er ungläubig, „Silke kenne ich seit einem Jahr.“

      „Aber nicht mit Bassgitarre“, stellt sie fest und alle blicken zu Silke.

      „Das ist jetzt aber nicht dein Ernst?“, fragt Ina neugierig.

      „Doch“, sagt Silke nachdrücklich, „ich habe seit drei Monaten eine Bassgitarre. Hat jemand bei DT64 billig abgegeben und Gitarre spielen kann ich.“

      Gunther strahlt über das ganze Gesicht und schüttelt seine Haarmähne.

      „Silke“, er springt auf, umarmt sie, reißt sie fast um, „stark, ich kann mir richtig vorstellen, wie du auf der Bühne stehst. Mann, zwei Mädchen auf der Bühne, damit kriegen wir hier jeden überzeugt.“

      Er lässt Silke los und dreht sich zu mir.

      „Weißt du noch, vor einem Jahr, hier an der gleichen Stelle?“

      „Na klar!“, sage ich begeistert.

      „Wir beide mit dem Traum, eine Schülerband zu gründen“, die Schulklingel rasselt los, „und dieses Schuljahr stehen wir noch auf der Bühne. Stark, ich kann’s immer noch nicht glauben.“

      Drehmaschinen und Waschmaschinen

      In der Unterstufe hatten wir Werken, um zu verstehen, wie Holz, Plaste und Metalle bearbeitet werden. Ab der siebten Klasse wurde aus dem Werkraum die Fabrikhalle und das Fach heißt UTP – Unterrichtstag in der Produktion. Eine Woche Theorie, das nennt sich ESP – Einführung in die sozialistische Produktion. Interessant, wenn

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