Angsthase gegen Zahnarzt. Christine Jörg

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Angsthase gegen Zahnarzt - Christine Jörg

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per E-Mail oder SMS, wenn es dir recht ist.“

      „Ruf mich an. Ich höre deine Stimme so gern.“ Er lacht leise.

      „Um welche Zeit passt es dir?“, will ich neutral wissen. Nur kein Geschmachte.

      „Ab halb neun bin ich sicher zu Hause.“

      „Gut, dann rufe ich dich gegen neun Uhr an. Hast du heute viel zu tun?“ Das geht mich doch nichts an und für Smalltalk ist es noch zu früh am Morgen. Außerdem habe ich schon jetzt beschlossen, dass ich ihm tagsüber eine E-Mail schreiben werde.

      „So weit ich gestern gesehen habe, ist mein Terminkalender voll. Warum? Willst du vorbeikommen? Für dich finde ich immer Zeit, auch, wenn ich die anderen nach Hause schicken muss.“

      „Nein, danke“, antworte ich gekünstelt lachend, obwohl ich am ganzen Körper eine Gänsehaut bekomme. Leichter Schwindel macht sich sofort bemerkbar. Diese Art von Scherz kommt bei mir gar nicht gut an. Und dann auch noch um diese Uhrzeit. Ich glaube, bei der nächsten Gelegenheit muss ich den Kerl ‚abschießen‘. An den Gedanken, mit einem Zahnarzt befreundet zu sein, kann ich mich doch nie gewöhnen. Trotzdem fahre ich fort. „Deinem Behandlungszimmer und deinem Folterstuhl bleibe ich fortan fern. Daran hat sich nichts geändert.“

      Worauf er einen traurigen Ton annimmt und sagt: „Schade. Ich war so stolz auf meinen Beruf. Besonders bei Patientinnen denen ich Leben einhauchen darf. Aber wenn du willst, steige ich um. Was möchtest du, dass ich mache?“

      Nun lacht er. Ich halte das nicht aus. Das ist mir zu viel:

      „Du könntest dich als Bildhauer versuchen. Schließlich ist dein Beruf nicht weit davon entfernt“, entgegne ich leicht angesäuert und bissig.

      Er gibt mir Recht und setzt hinzu lachend: „Leider ist damit das Brötchen verdienen viel schwieriger und es gibt viele Arbeitslose. Ich glaube, ich mache es doch eher wie der Schuster, der bei seinen Leisten bleibt. Weißt du in meinem Alter wird man nicht mehr so leicht Umsteiger. Geistig wird man träge und wenig flexibel. So mutig bin ich nicht. Du hast mich überschätzt. Was machst du heute?“, ändert er plötzlich das Thema. Ich bin ihm dankbar dafür, denn meine Laune verschlechtert sich zusehends.

      „Ich bin den ganzen Tag mehr oder weniger außer Haus. An der Universität, in der Bibliothek und so.“

      „Aha, interessant. Darüber musst du mir mal erzählen. Ich hoffe nur, es wird nicht zu stressig. Auf jeden Fall dir einen schönen Tag. Also rufst du mich heute Abend an. Ja? Ich freu mich schon darauf.“

      Freu dich nicht zu früh, denke ich immer noch angefressen, erwidere jedoch, „ja, abgemacht. Schönen Tag und ziehe nicht zu viele Zähne und reiße deinen Patienten nicht die Köpfe ab. Tschüs.“

      „Eher Zähne reparieren“, gibt er trocken zur Antwort, „tschüs, bis heute Abend.“ Er schmatzt schnell einen Kuss ins Telefon bevor ich das Gespräch beenden kann.

      Mir schaudert! Bildlich stelle ich mir vor wie dutzendweise Zähne um Markus herumliegen. So ähnlich wie beim Friseur, wenn man Haare schneidet. Der pure Alptraum. Fürchterlich!

      In der Küche ist meine Milch inzwischen kalt geworden. Dann trinke ich sie eben so kalt wie sie jetzt ist. Das hat noch keinen umgebracht.

      Der Humor dieses Menschen ist nichts für mich, sage ich mir nochmals. Aber Markus geht mir trotzdem nicht aus dem Kopf.

      Renate werde ich später von unterwegs im Vorverkaufsbüro anrufen. Schnell kontrolliere ob die Telefonnummer auf meinem Handy gespeichert ist. Hoffentlich habe ich Markus nicht zu viel versprochen.

      *

      Renate versichert mir, sich um mein Anliegen zu kümmern. Mittags will sie mich zurückrufen.

      Der Tag verläuft normal. Das Glück ist mir hold. Renate kann die Eintrittskarten besorgen. Ich darf sie später abholen und muss nicht im Internet suchen. In einer kurzen Nachricht gebe ich Markus über meinen Erfolg Bescheid.

      *

      Von der Vorverkaufsstelle aus gehe ich zu Fuß nach Hause. Ich habe keine Lust mich während Stoßzeit in die volle U-Bahn zu quetschen. Durch den Englischen Garten schlendere ich heim. Um halb sieben komme durchgefroren ich zu Hause an.

      Mittags habe ich in der Mensa gegessen Jetzt gibt es nur noch einen Apfel und eine Orange. Anschließend nehme ich mir die altgriechische Grammatik vor. Zweimal werde ich durch das Telefon gestört. Es dreht sich um Übersetzungen, die ich noch nicht bearbeitet habe.

      *

      Kurz vor acht Uhr läutet das Telefon wieder. Ich erkenne es an der Nummer, die auf dem Display erscheint. Hat der es aber eilig!

      „Guten Abend, Angelika. Ist der Tag gut verlaufen?“

      „Guten Abend, Markus“, ich bin überrascht. Sollte nicht ich um neun Uhr anrufen? Habe ich etwas falsch verstanden? Und ich sage: „Ob der Tag gut verlaufen ist, weiß ich nicht, aber er ist normal und ohne Weltuntergang vorüber gegangen. Und bei dir?“

      „Es ging so. Bin ziemlich geschafft. Heute werde ich einen Versuch unternehmen und früh ins Bett gehen. Vielen Dank für deine E-Mail. Meine Assistentin war ein wenig überrascht, aber das macht nichts. Es klappt also mit dem Konzert morgen Abend“, stellt er fest.

      „Ja“, antworte ich sogleich, „das hat geklappt. Ich wollte dir mit meiner E-Mail keine Unannehmlichkeiten bereiten. Eigentlich hätte ich daran denken können, dass du sie nicht selbst abrufst. Aber an deine private E-Mail-Adresse habe ich nicht gedacht. Das Konzert beginnt um acht Uhr. Ich habe mir gedacht, wir können uns dort am Eingang treffen. Und ich werde auch versuchen, die Karten nicht zu Hause liegen zu lassen.“

      „Soll ich dich nicht abholen?“, bietet Markus an.

      „Nein, nicht nötig. Vielleicht wird die Zeit knapp“, gebe ich zu bedenken.

      Worauf er meint, „Nein, das glaube ich nicht. Morgen früh nehme ich den Anzug mit in die Praxis. Ich möchte nicht nochmals nach Hause fahren.“

      „Weißt du was? Solltest du morgen feststellen, es bleibt Zeit mich abzuholen, melde dich. Wenn du bis viertel nach sieben nicht anrufst, gehe ich aus eigener Kraft zum Herkulessaal. Was hältst du davon?“

      „Ja, das hört sich vernünftig an“, gibt er zu. „Machst du an der Uni auch Übersetzungen?“, will er nun doch wissen.

      „Nein“, erkläre ich, „Ich nehme zwei Vorlesungen in Altgriechisch. Da ich nur Latein gelernt habe, hole ich das nun nach."

      „Latein und Altgriechisch habe ich auch lernen müssen“, klärt Markus mich auf, „aber das ist lange her. Ich habe alles vergessen. Außerdem habe ich es nie mehr gebraucht. Sag mal, wird dir das nicht zu viel?“, erkundigt er sich.

      „Manchmal“, gebe ich zu. „Aber, wenn man zu Hause arbeitet, hat man nicht viel Kontakt zur Außenwelt. Deswegen mache ich das einmal die Woche. Schließlich kann ich mich nicht immer einschließen. Außerdem lerne ich Menschen kennen, andere Ideen und so weiter. Nein, nein, es ist schon gut so wie es ist.“

      „Du hast Recht. Ich hatte einen Augenblick lang vergessen, dass du zu Hause arbeitest. Ganz klar, manchmal muss man unter Menschen gehen. Hast du schon gegessen?“

      „Ja,

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