Angsthase gegen Zahnarzt. Christine Jörg

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Angsthase gegen Zahnarzt - Christine Jörg

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will nicht mit ihm anbandeln. Das ist der letzte Stand meiner Entscheidung.

      Schließlich kommt er mit einer Flasche und zwei Gläsern.

      „Weißt du“, sagt er, „es tut mir wirklich Leid wegen vorhin. Den ganzen Tag sah es so aus, als wäre ich um sechs Uhr fertig und wollte dich auch schon anrufen, als noch zwei Patienten kamen. Später habe ich versucht dir Bescheid geben, dass ich vielleicht zu spät komme. Da warst du schon aus dem Haus und auf dem Handy konnte ich dich nicht erreichen.“

      „Das liegt zu Hause“, werfe ich schnell ein und füge hinzu, „dafür habe ich daran gedacht die Eintrittskarten mitzubringen.“

      Er schaut mich mit einem Gesicht an auf dem ein großes Fragezeichen geschrieben steht.

      Also gebe ich eine kleine Erklärung: „Ich vergesse immer etwas zu Hause. Also habe ich mein Augenmerk auf die Karten gesetzt. Das Handy, das daneben lag, müsste sich jetzt noch immer dort aufhalten.“

      Seine Miene hellt sich auf und er grinst: „Ich wollte sagen, dass du meine Karte an der Kasse hinterlegst“, fährt er dann fort. „Aber es ist ja alles gut verlaufen.“

      Wenn er wüsste wie nervös ich war. Natürlich werde ich ihm das nicht erzählen.

      „So hatte ich es auch vor“, gebe ich zu, „deine Karte wollte ich gerade, als du angelaufen kamst, an der Abendkasse für dich hinterlegen.“

      „Ach, Angelika, du bist ein Engel“, und damit küsst er mich sanft auf die Wange. Das scheint bei ihm eine Angewohnheit zu werden. Unangenehm ist es mir nicht. Aber mir wird klar, er sucht immer wieder nach einem Vorwand um mir einen Kuss zu verpassen oder mich zu berühren. Ich wage es nicht, dieses Verlangen zu erwidern.

      Ich weiß zwar nicht wie sich Engel normalerweise verhalten, doch ich fühle mich weit davon entfernt auch nur einem von ihnen zu ähneln.

      Es klingelt und die Leute strömen wieder in den Saal. Wir reihen uns in den Strom ein und gelangen an unsere Plätze.

      Der zweite Teil des Konzerts ist so faszinierend wie der erste. Wir geben uns ganz der Musik hin. Es ist so schön, dass ich es bedauere, als das Konzert endet. Aber alles hat irgendwann ein Ende.

      Langsam schlendern wir hinaus und holen, noch ganz im Musikrausch versunken, unsere Mäntel an der Garderobe ab. Ich will Markus meinen Mantel abnehmen um ihn anzuziehen, doch er hält ihm mir hin, damit ich hineinschlüpfe. Zum einen hat das schon lange niemand mehr gemacht, doch auf der anderen Seite weiß ich schon jetzt, dass ich ewig herumfummeln werde, bis ich den Ärmel finde. Aber nein, Markus scheint Übung darin zu haben Frauen in den Mantel zu helfen, denn ich schlüpfe problemlos in den ersten Ärmel und der zweite folgt sogleich. Erst jetzt zieht er seinen Mantel an, den er bisher über seinen linken Arm gelegt hatte.

      Als wir auf die Straße hinausgehen, schreckt uns die Kälte aus unserem Traum.

      Jetzt fragt Markus: „Möchtest du noch etwas essen oder trinken gehen? Wir könnten hier zum Beispiel ins Café Tambosi.“

      „Och, das Konzert war so schön, dass jedes grelle Licht oder Lärm störend wirkt. Wenn du Lust hast, dann können wir bei mir noch ein Gläschen trinken. Du bekommst auch etwas zu essen. Ganz wie du möchtest.“ Als mir die Einladung rausgerutscht ist, verstehe ich mich selbst nicht. Ich lade diesen Mann beim dritten Stelldichein zu mir in die Wohnung ein? Das sind ganz neue Züge, die ich an mir nicht kenne. Was ist mit mir geschehen? Und schon höre ich Markus sagen:

      „Sag mal ganz ehrlich, Angelika, hast du keine Angst fremde Jungs mit nach Hause zu nehmen?“, will Markus mit einem verschmitzten Lächeln wissen. Er macht sich über mich lustig. Das geschieht mir gerade recht. Ich beginne mich über mich selbst zu ärgern. Aber immerhin habe ich mich so weit in der Hand, dass ich mir den Ärger nicht anmerken lasse.

      Und so antworte ich: „Nein, ich kann mich ganz gut verteidigen. Und um von Jungs zu sprechen, ich nehme nie mehr als einen mit. Aber mir scheint, dir ist das nicht geheuer. Keine Angst. Ich falle nicht über dich her, sobald ich die Wohnungstür ins Schloss geworfen habe. Versprochen! Okay?“, versuche ich den Spieß umzudrehen.

      Nun lacht er und meint: “Na gut, ich lasse es auf einen Versuch ankommen.“ Die Wogen glätten sich auch bei mir wieder.

      Wir gehen zu seinem Auto. Wieder hält er mir die Beifahrertür auf. Wirklich höflich und galant! Das gibt es nicht oft heutzutage. Hoffentlich steigt mir das nicht zu Kopfe.

      Es herrscht wenig Verkehr und wir kommen schnell bei mir an. Vom Parkplatz aus müssen wir ein Stück zu Fuß gehen. Aber das macht nichts. Frische Luft soll gesund sein, auch wenn sie kalt ist.

      An der Haustür angelangt hält Markus mich am Arm fest und sagt: „Noch kannst du es dir überlegen.“

      Worauf ich versuche ein entwaffnendes Lächeln aufzusetzen und antworte: „Hast du doch Angst?“ Mit diesen Worten schließe ich die Haustür auf und drücke auf den Lichtschalter.

      Wie üblich steige ich die Treppen in den dritten Stock hoch. Etwas atemlos oben angekommen will Markus wissen, ob der Fahrstuhl nicht funktioniert.

      „Oh, doch, entschuldige“, rechtfertige ich mich. Markus atmet immer noch etwas schwer. „Aber ich gehe immer zu Fuß. Ich habe gar nicht an den Aufzug gedacht. Natürlich funktioniert er, oder zumindest vermute ich es. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier und ich ganz besonders. Heißt es nicht, Treppensteigen ist gesund fürs Herz?“ Ich grinse ihn an.

      Inzwischen habe ich den Schlüssel ins Schloss geschoben und die Wohnungstür aufgeschlossen. Ich knipse das Licht im Flur an. Markus tritt nach mir ein und schließt die Tür.

      Im Film würden wir nun über uns herfallen und uns die Kleider vom Leib reißen. In Anbetracht der eleganten Kleidung für das Konzert wäre das aber nicht sehr wirtschaftlich zwecks Neubeschaffung anderer Kleidung.

      „Hier, Markus, ein Kleiderbügel für deinen Mantel“, sage ich statt des filmreifen Auftritts und reiche ihm den Bügel.

      „Danke, das ist nicht nötig. Der hängt auch so.“ Er nimmt mir den Bügel aber doch aus der Hand und hängt seinen Mantel darauf.

      Ich gehe voraus und schalte das Licht im Wohnzimmer ein. Meinen Mantel habe ich noch nicht abgelegt, doch das fällt mir im Augenblick gar nicht auf.

      „Setz dich“, fordere ich Markus auf und deute auf einen Sessel. „Was möchtest du trinken? Bier, Wein? Ich habe auch Härteres. Oder möchtest du ganz einfach Tee, Kaffee, Milch oder Saft? Such dir’s aus.“

      Markus bleibt stehen und schaut mich an. Ich glotze zurück und frage mich was er nun will. Er zeigt auf mich und sagt: „Willst du deinen Mantel nicht ausziehen?“ Ich fühle wie ich rot werde. Ja, den Mantel ausziehen, klar. Ich öffne die Knöpfe. Schon steht er hinter mir, nimmt mir den Mantel ab und hängt ihn auf einen freien Bügel an der Garderobe. Dann kommt er ins Wohnzimmer zurück.

      „Wo waren wir stehen geblieben“, will Markus wissen.

      „Beim Trinken“, gebe ich zur Antwort. Ich komme mir doof vor. Weshalb kann ich nichts richtig machen?

      „Ach ja“, sagt er lachend, „du hast ein großes Angebot an alkoholischen Getränken. Für jemanden, der keinen Alkohol trinkt scheinst du ganz gut ausgestattet zu sein.“

      Wunderbar gemacht junge Frau!

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