Angsthase gegen Zahnarzt. Christine Jörg

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Angsthase gegen Zahnarzt - Christine Jörg

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versuche ich krampfhaft zu erklären, „schließlich kann ich die Menschen, die zu mir kommen, nicht zur Abstinenz zwingen. Jeder hat das Recht zu wählen wie und was er will, oder?“ Ich bin ein wenig verärgert und gekränkt.

      „Hört sich vernünftig an. Hatte dir dein Mann das Trinken von Alkohol verboten?“, will Markus wissen.

      „Oh, nein, absolut nicht. Ich vertrage nur überhaupt keinen Alkohol. Er steigt mir sofort in den Kopf. Und so lasse ich ihn weg. Was darf ich dir anbieten? Möchtest du noch eine kleine Brotzeit oder eine Suppe? Allerdings die Suppe ist aus der Dose.“

      „Was möchtest du denn? Drehen wir den Spieß mal um. Ich nehme das, was du auch nimmst oder was du mir geben willst.“ Womit er mir den Ball wieder zugespielt hat. Er setzt sich in den angebotenen Sessel.

      Bevor ich in die Küche gehe, lege ich eine CD ein. Modernes HiFi-Gerät habe ich nicht. Mozart erscheint mir das Richtige zu sein um den Abend ruhig abzuschließen.

      In der Küche fülle ich Wasser für Tee in den Wasserkocher und hole Butter, Käse, Essiggurken und Wurst aus dem Kühlschrank. Dann schneide ich Brot in Scheiben. Gerade lege ich Butterflocken auf die Brotscheiben, als Markus hinter mir sagt. „Kann ich dir helfen?“

      Ich fahre derart zusammen, dass mir das Messer aus der Hand und scheppernd auf den Teller fällt. Zum Glück geht der nicht in Brüche. Bisher wusste ich gar nicht, dass ich so schreckhaft bin. Aber ich habe auch nie Männerbesuche in der Wohnung gehabt. Und so stammle ich etwas hilflos: „Oh, nein, ich belege nur ein paar Brote. Dazu gibt es Tee. Bin gleich fertig. Danke für das Angebot.“

      Markus hatte Anzugsjacke und Krawatte ausgezogen. Er steht nur in Hemdsärmeln da. Zur Entschuldigung sagt er: „Ich habe es mir bequem gemacht. Du hast hoffentlich nichts dagegen, dass ich Jackett und Krawatte ausgezogen habe. Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen. Gib mir noch ein Messer. Ich helfe dir beim Belegen der Brote. Übrigens, ich wollte dich nicht erschrecken. Diese Teppichböden schlucken jedes Geräusch.“ Ich schaue an ihm hinab und sehe, dass er auch die Schuhe ausgezogen hat. In Socken steht er vor mir. Ich muss lächeln. Er hat es sich ganz offensichtlich bequem gemacht.

      Der Wasserkocher schaltet mit einem Knack ab. Ich kümmere mich um den Tee. Es gibt Gingko-Kräutertee. Hoffentlich trinkt er den auch.

      Als ich mich den Broten zuwenden will ist Markus fleißig dabei sie zu belegen. So stelle ich Teegeschirr, Zucker und Löffel auf ein Tablett und trage es ins Wohnzimmer an den Esstisch. Wieder in der Küche zurück sehe ich, dass Markus die Brote fertig belegt hat und frage: „Meinst du das reicht?“

      „Für den Anfang auf jeden Fall.“

      Der Tee hat genug gezogen. Ich nehme den Filter heraus und stelle die Kanne zu den Broten auf das Tablett.

      „So das wär’s. Markus, könntest du bitte das Licht löschen?“ Mit dem Tablett in den Händen gehe ich ins Wohnzimmer voraus.

      Nun sitzen wir uns am Esstisch gegenüber. Im Hintergrund läuft leise Musik. Noch immer Mozart. Ich gieße Tee ein und Markus schnuppert an der Tasse.

      „Hm, riecht gut.“ Und dann will er wissen, „Kräutertee?“

      „Ja.“

      „Hab ich schon lange nicht mehr getrunken. Du scheinst einen guten Geschmack zu haben. Na ja, das sieht man ja auch daran, dass du mich zu dir eingeladen hast und nicht irgendjemand anderen.“ Er lacht mich frech an.

      „Einbildung ist auch eine Bildung“, stelle ich trocken und ohne mit der Wimper zu zucken fest, worauf er mich ganz erstaunt ansieht. Als Antwort grinse ich ihn nur an. Er ist sich anscheinend nicht sicher, wie ernst meine Aussage gemeint ist. Ich lasse ihn im Zweifel.

      Wir sprechen über das Konzert, ein wenig Politik und anderes. Dabei essen wir die Brote und schlürfen heißen Tee. Eine angenehme Stunde der Zweisamkeit. Ohne ersichtlichen Grund nimmt Markus meine Hand in seine, führt sie zum Mund und küsst sie. Zuerst den Handrücken, dann die Handinnenfläche. Ein leichtes Kribbeln überzieht meinen Arm. Das kann ja heiter werden! Aber habe ich das nicht gewollt? Habe ich ihn nicht genau deshalb eingeladen?

      Dann sagt er mit zärtlicher und weicher Stimme: „Weißt du, Angelika, das was ich dir am Montagabend gesagt habe, stimmt immer noch. Ich hatte auch keinen schlechten Tag, wie ich es dir Glauben machen wollte. Für mich ist das ein ganz neues Gefühl. Nie hätte ich zu hoffen gewagt, dass ich mich Hals über Kopf verliebe. Man kann es nicht planen. Du gehst mir nicht aus dem Sinn. Wenn ich es könnte, dann würde ich dir den Mond und die Sterne vom Himmel holen. Ich weiß, das hört sich nach einem billigen Drei-Groschen-Roman an. Bisher habe ich über solche Äußerungen immer nur gelacht. Und schau mich heute an. Wie ein verliebter Primaner. Du bist auch nicht abweisend, zumindest nicht immer. Also wage ich zu hoffen. Dein Problem ist, du wirst mit meinem Beruf nicht fertig. Irgendetwas muss passiert sein. Aber, was? Lass mich dir helfen. Vorhin in der Küche bist du richtig erschrocken als ich hereinkam. Du hattest ja noch gezittert, als du die Tassen ins Wohnzimmer getragen hast. Und dann die andere Angelika. Zum Beispiel die, die mich vorgestern angerufen hat, die, die heute Abend so fiebrig auf mich gewartet hat und sich für mich besonders hübsch gemacht hat. Oder die, die mich zu sich nach Hause einlädt. Meinst du nicht, gemeinsam können wir die Ursache finden? Wäre doch schön, wenn du Vertrauen in mich als Mann und auch als Zahnarzt hättest.“

      Verblüfft starre ich ihn an: „Gut gebrüllt Löwe! Ich fühle mich etwas überrollt. Leider kann ich dir nicht erklären, woher meine Angst vor Zahnärzten kommt. Vielleicht eine schlechte Erfahrung als Kind, vielleicht Erzählungen von Bekannten. Wahrscheinlich auch die Tatsache, dass man euch hilflos ausgeliefert ist. Man kann sich nicht wehren. Das Unbestimmte, meine Unsicherheit. Ich weiß es nicht. Ich mag das nicht. In dem Augenblick bin ich total verunsichert und drehe durch. Es ist schon lange so. Eigentlich seit ich zurückdenken kann. Es ist nicht deine Schuld. Was meinst du wie viele Zahnärzte ich schon besucht habe?“

      „Das ist mir klar“, gibt er zu bedenken. „Ich kann nichts dafür, aber mich betrifft die Situation nun in erster Linie als Mann. Du kannst mich als Person und den Beruf nicht unbedingt trennen. Das bedrückt mich. Wir müssen der Sache gemeinsam auf den Grund gehen.“

      Ich entziehe ihm meine Hand und lege sie um meine Teetasse. Wärmen kann ich sie nicht daran. Der Tee ist nur noch lauwarm. Die CD ist schon längst abgelaufen. Um etwas zu tun, stehe ich wortlos auf und entscheide mich für Chopin.

      Markus ist auch aufgestanden, legt mir von hinten die Arme um die Schultern und zieht mich an sich. Er küsst mein rechtes Ohr und den Nacken. Langsam drehe ich mich zu ihm um. Noch hätte ich mich wehren können, doch ich tue nichts dergleichen. Er zieht mich fest an sich und ich spüre seine Lippen auf meiner Stirn. Als ich den Kopf hebe, legt er seine Lippen auf meine. Meine Arme, die bislang an meinem Seiten lagen, schlinge ich um seinen Nacken. Nun legt er den Kopf in den Nacken, streichelt mir mit der rechten Hand die Haare aus dem Gesicht, sieht mir in die Augen und sagt ganz leise und zärtlich:

      „Siehst du, kleines Mädchen, auch das kann man mit Zahnärzten machen. Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut, mit durchaus menschlichen Gefühlen.“

      Ich lächle ihn nur an und nicke. Dann umarmen wir uns wieder. Ich dränge mich fest an ihn und erwidere seine Küsse. Leidenschaftlich diesmal. Wann habe ich das letzte Mal in den Armen eines Mannes gelegen? Dann vergesse ich alles um mich herum.

      Markus streichelt mir den Rücken. Ist das schön! Seine Hände wandern zu meinen Brüsten, während seine Zunge meinen Mund, die Zunge und meine Zähne, die er ja bereits kennt, erforscht. Langsam öffnet er meine Bluse, Knopf um Knopf. Seine rechte Hand greift in meinen

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