Die Midgard-Saga - Niflheim. Alexandra Bauer
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„Wie kannst du nur keine haben?“, erwiderte Thea und als Juli ungeduldig den Kopf schief legte, lenkte Thea ein: „Ich komme, aber nur, weil du es wünschst.“ Sie wechselte den Blick zwischen Thor und ihr. „Und weil ich wohl ohnehin keine Wahl habe.“
Thor lachte leise und beantwortete Theas Worte mit einem leichten Nicken.
Sie liefen eine Weile über die Wiese, bis sie auf eine hohe, goldene Mauer stießen. Ein Rundbogen gab den Weg hinter der Barriere frei und eröffnete die Sicht auf eine lange Brücke, die sich ein paar hundert Meter weiter in mehrere Wege teilte. Von weitem sah diese Burg aus wie ein einziges Gebilde. Doch jeder Weg führte zu einem anderen Palast. Gemein hatten die Gebäude nur die reetgedeckten Dächer. In ihrer Gestaltung wichen sie völlig voneinander ab. Thea folgte den goldenen Pfaden mit ihrem Blick. Einige schraubten sich steil in die Höhe, andere verliefen weniger senkrecht zu tiefer gelegenen Palästen. Thea musste mehrmals zum Zählen ansetzen, bis sie schließlich auf zwölf Wege zu zwölf Palästen kam. Thor steuerte auf den Pfad zu, der geradewegs vor ihnen lag und sich weiter als alle anderen zum höchsten Palast erstreckte.
„Klar! Ganz oben!“, seufzte Thea und zum ersten Mal, seit Thea aus ihrer Ohnmacht erwacht war, machte auch Juli ein unglückliches Gesicht.
„Gladsheim liegt über allen anderen Palästen. Er ist der Sitz des Allvaters. Nur hier ist es Odin möglich über alle neun Heime der Welt zu blicken“, erklärte Wal-Freya und lächelte.
„Habt ihr denn da keinen anderen Weg hochzukommen? Ihr seid doch Götter, oder nicht?“, motzte Juli und Thor lachte erheitert.
„Was meinst du, Juli? Einen Aufzug etwa?“, fragte er.
Sie zuckte mit den Schultern. „Irgendetwas wie das. Seht mal wie schnell wir über die Regenbogenbrücke hierher gekommen sind. Das hat nur wenige Minuten gedauert, obwohl das von hier oben aussieht, als wären es Kilometer.“
„Nach Gladsheim ist es nicht ganz so weit. Hier braucht es keinen Bifröst“, erwiderte Thor, winkte ab und stapfte weiter. „Außerdem ist es ein gutes Training!“, fügte er an.
Sie liefen Thor hinterher, der den Aufstieg ohne Rast anführte. Theas stille Hoffnung, dass es nicht doch irgendeinen Trick zum Erreichen des Palastes gab, erstarb sofort. Eine ganze Stunde später endete der Aufstieg vor einem mächtigen Tor, über dem sich eine große, goldene Halle wölbte. Juli beugte sich erleichtert vor und stützte sich auf ihre Knie, während sie nach Luft rang. Unerbittlich war der Donnergott vorangestiefelt, ohne ihnen eine Pause zu gönnen. Nun brannten nicht nur Julis Lungen, sondern auch ihre Beine und Thea erging es nicht anders. Nur kurz ließ Thor die beiden verschnaufen, dann lief er weiter auf den Torbogen zu und geradewegs hindurch in die Halle. Die hohe Kuppel thronte auf mehreren Säulen, welche breite Spalten bildeten und rundherum einen großzügigen Blick auf die Außenwelt zuließen. Inmitten des Raumes stand eine Tafel. Etwa zehn Menschen saßen daran, aßen, tranken und unterhielten sich ausgelassen. Sie ähnelten in ihrem Aussehen Thor und Wal-Freya, obgleich ihre Kleidung eine andere war. Thea fühlte sich wie in einen Wikingerfilm versetzt und auch Juli war die Faszination wieder anzusehen – obwohl sie noch immer nach Atem schnappte. Am Ende der Tafel, auf einer pyramidenförmigen Erhöhung, saß ein breitschultriger Mann. Sein weißes Haar war zottelig und lang, ebenso sein Bart. Am Mund und am Kinn war das Barthaar zu kleinen Zöpfen geflochten. Über einer Tunika schloss sich ein breiter Gürtel mit runder Schnalle, seine Beine steckten in Sandalen, die sich in römischer Manier um seine Waden schnürten. Dicke Furchen zogen sich durch das braungebrannte Gesicht, die Weisheit und Kraft vieler gelebter Jahre spiegelten. Eines seiner Augen war von einer schwarzen Klappe bedeckt. Halb wurde er von einem mächtigen Umhang umhüllt, der sich vor dem Hals um seine Schultern schloss. Zwei Raben sprangen auf dem Thron umher und fingen Thea mit ihren Blicken ein. Sofort hob auch der Mann den Kopf. Die fröhlichen Stimmen erstarben und folgten dem Auge des Obersten in Richtung Eingang.
„Hier seid ihr also“, sprach der Mann auf dem Thron, erhob sich und lief die Stufen hinab zur Tafel. Jeder seiner Tritte hallte schwer durch die Halle. Die Raben sprangen auf seinen Rücken und beobachteten die Szenerie aufmerksam. Mit jedem Schritt, den er näher kam, fühlte sich Thea kleiner werden.
„Hier sind wir“, nickte Thor. Er deutete mit der flachen Hand auf Thea. „Das ist Thea. Thea, das ist Odin, der oberste der Asen und mein Vater.“
Odin war groß und unheimlich und nicht ein Wort wollte Thea in diesem Augenblick über die Lippen kommen. Ein „Wooohoooo“, ausgestoßen von Juli, rettete Thea aus der unangenehmen Situation. Ohne den erstaunten Blick des Gottes zu beachten, kam Juli auf Odin zu und streckte ihm die Hand entgegen.
„Angenehm! Mein Name ist Juli!“, erklärte sie.
Zögernd schlug Odin ein und beantwortete Julis Gruß.
„Und wer sind alle anderen?“, fragte sie sofort und ein weiteres Mal wünschte sich Thea ein großes Loch, in dem sie verschwinden könnte. Aber die Versammelten lächelten nur und antworteten bereitwillig. Nacheinander hörte Thea fremd klingende Namen, die so schnell aus ihrem Geist verschwunden waren, wie sie sie gehört hatte. Juli winkte den Versammelten kurz zu.
„Jetzt, da wir das geklärt haben, können wir zum Wesentlichen kommen“, sprach Odin. Er nahm Thea wieder in seinen Blick gefangen. „Du bist also gekommen, um das Schwert zu finden.“
„Das kann man so nicht sagen“, widersprach Thea leise und senkte den Kopf.
„Wie bitte?“
Mit einem geringschätzenden Blick auf Thea erklärte
Wal-Freya: „Wir konnten ihr die Tragweite des Problems bisher nicht klar machen.“
„Ich weiß“, nickte Odin. Als hätten sie seine Worte verstanden, nickten auch die Raben auf seiner Schulter. Der oberste der Götter deutete auf einen freien Stuhl und befahl: „Setz dich, Thea!“
Thea nahm Platz. Wal-Freya und Thor taten es ihr gleich. Juli setzte sich auf den freien Stuhl neben Thor.
„Der Platz, auf dem du jetzt sitzt“, erklärte Odin, während er die Fäuste auf die Tischplatte stützte, „ist der Balders.“ Die umsitzenden neigten die Köpfe. Auch Odins Stimme senkte sich in tiefer Trauer. „Balder war mein erstgeborener Sohn. Er starb durch Lokis List. Er stürzte uns damit alle ins Verderben. Einst nahmen wir Loki bei den Asen auf. Wir schätzten seinen Rat und vergaben ihm die ein oder andere üble Tat, zu der es ihn immer wieder hintrieb. Was wir jedoch nicht sahen war, dass all zu oft Arglist und Eifersucht sein Tun steuerten und schließlich seinen Hass auf Balder beschworen. Vieles haben wir ihm vergeben, doch Balders Tod können wir ihm nicht verzeihen. “
Thor ergriff das Wort: „Wir nahmen Loki gefangen, um ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen. Doch er entkam und das hätte niemals geschehen dürfen.“
Odin brummte und nickte zustimmend. „Aber es geschah und wir sind davon überzeugt, dass er nun das Schwert sucht. Er hat sich bei den Riesen danach erkundigt. Loki strebt nach einer mächtigeren Waffe, seit wir die unseren bekamen. Nun, da er nicht mehr unser Bruder ist, dürstet es ihn nach deinem Schwert. Nur mit diesem wird es ihm gelingen, uns zu bekämpfen.“
„Darum suchten wir nach dir, Thea. Du sollst uns helfen vor Loki an das Schwert zu gelangen“, erklärte Wal-Freya.
„Es ist nicht mein Schwert!“, wehrte Thea ab. Verzweifelt sah sie sich um, ehe sie den Kopf senkte.