Die Midgard-Saga - Niflheim. Alexandra Bauer
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„Wie jetzt?“
„Als ich zu Hause angekommen bin, stand er hinter mir auf dem Gehsteig.“
„Echt jetzt? Du meinst, er ist dir nachgelaufen?“
„Einhundertprozentig!“, versicherte Thea.
„Das war doch sicher nur ein Zufall!“
„Vielleicht. Trotzdem komisch.“
Thea setzte sich auf den Schreibtischstuhl, stellte das Gespräch auf Lautsprecher und legte das Handy neben der Tastatur ab. Rasch gab sie ihr Passwort ein.
„Sah er denn gut aus? Vielleicht ist er ja verliebt“, lachte Juli.
„Sehr witzig. Der ist unheimlich! Und viel zu alt. Er ist sicher schon 25!“
„Komm schon! Wenn er dich verfolgt hätte, wäre er sicher noch da.“
„Mutter hat ihn bestimmt verschreckt.“
„Guck raus und wenn er wieder da ist, rufst du die Polizei“, schlug Juli vor.
Mit mulmigem Gefühl gehorchte Thea. Sie stieß sich mit beiden Händen vom Schreibtisch ab, rollte in Richtung Tür und saß noch halb in ihrem Stuhl, während sie nach der Klinke griff. Leise schlich sie die Treppe hinab und lupfte den Vorhang. Der Mann blieb verschwunden.
„Er ist weg“, erklärte sie.
„Na siehst du. Es war nur ein Zufall“, beruhigte Juli sie.
„Wahrscheinlich hast du Recht“, pflichtete Thea ihr bei.
Zurück in ihrem Zimmer verabschiedeten sich die Freundinnen. Thea loggte sich ins Spiel ein und wartete, bis Juli mit Tiray auf dem Monitor erschien. Ist er noch einmal aufgetaucht? stand in der Sprechblase über dem Zwerg. Bisher noch nicht, tippte Thea zur Antwort. Ich spreche von Dein_Tod1995, erwiderte Juli. Ach so! Nein, ich habe ihn noch nicht gesehen, schrieb Thea. Dann wollen wir hoffen, dass es so bleibt. Levelst du mich ein wenig? Thea schmunzelte und tippte: Ich dachte, du wolltest nur in der Stadt hocken!
DAS IST LANGWEILIG stand in großen Buchstaben über Julis Zwerg. Thea lachte und führte Juli in ein nahe gelegenes Waldstück, in dem sie die nächsten vier Stunden damit verbrachten, Sumpfmonster zu töten.
Tage vergingen und das Ereignis mit dem Rothaarigen verschwand aus Theas Gedanken. Dafür tauchte Dein_Tod immer häufiger in ihrer virtuellen Nähe auf und machte ihr das Leben schwer. Der Zwischenfall mit ihm, Juli und ihr hatte einen Gildenkrieg heraufbeschworen, der all ihre Zeit und Konzentration in Anspruch nahm. Kaum dass sie nach der Schule zu Hause angekommen war, eilte Thea zum Computer und verließ den Schreibtisch erst wieder zum Abendessen. Ein mütterlich verhängtes Computerverbot setzte dem Treiben ein jähes Ende und beschwor einen anderen, einen wirklichen Streit herauf. Als Thea heute von der Schule kam und mit einem kurzen Hallo in ihr Zimmer verschwand, öffnete sich wenige Augenblicke später die Tür.
„Seit Tagen machst du nichts anderes mehr, als an diesem Ding zu hocken!“, schimpfte Theas Mutter.
„Es ist wichtig!“, fauchte Thea zurück, der die Diskussionen um ihren Computergebrauch allmählich auf die Nerven gingen. Wartet einen Augenblick, hackte sie in den Gildenchat und drehte sich auf dem Stuhl zu ihrer Mutter um, die mit dem Geschirrtuch bewaffnet im Türrahmen stand.
„Du machst das jetzt aus und kommst helfen!“, befahl diese verärgert.
„Ich kann nicht, ich werde gebraucht“, erklärte Thea zähneknirschend.
„Ja, und zwar in der Küche!“
Thea knurrte beleidigt, drehte sich um und las rasch den Gildenchat, in dem ihre Freunde sie bereits zur Eile drängten. Alle hatten sich im Moor verabredet, wo Tom kurz zuvor einige Mitglieder der feindlichen Gilde erspäht hatte. Fengurd, mit ihren heilenden Kräften, war in einem Kampf unerlässlich, wenn sie gewinnen wollten.
„Kommst du jetzt?“, fragte ihre Mutter eindringlich.
„Ich kann nicht! Mach deine Küche doch selbst!“, erwiderte Thea aufgebracht.
Frau Helmken schnappte nach Luft und fuchtelte mit dem Geschirrtuch vor ihrem Gesicht. „Jetzt reicht es! Du hast eine Woche Computerverbot!“
Thea sprang auf. „Das kannst du nicht machen!“
„Und wie ich das kann, meine Dame! Aus das Teil!“
Ihre Blicke trafen sich und Thea wusste, dass ihr nichts anderes übrig bleiben würde. Sie fauchte verärgert und schaltete den Computer aus, ohne ihn herunterzufahren. Dann schnappte sie sich das Handy und eilte wütend an ihrer Mutter vorbei. Ihr Ziel führte sie allerdings nicht in die Küche, sondern kurzerhand aus dem Haus. Auf Frau Helmkens rasch folgende Frage, wohin Thea wolle, antwortete diese nur mit dem Donnern der Haustür. Kaum zwei Schritte gegangen, klingelte Theas Handy.
„Wo bist du plötzlich hin?“, fragt Juli.
„Computerverbot“, antwortete Thea knapp.
„Oh, wie uncool. Dann komm rüber, du kannst am Lappi von meinem Vater spielen.“
„Ich bin schon auf dem Weg“, erklärte Thea lachend.
„Beeil dich! Es geht gleich los. Wir brauchen dich!“
„Ich fliege“, antwortete Thea, legte auf und rannte los.
Sie lief den Bürgersteig entlang und eilte durch den kleinen Park, bis sie zur Straße gelangte, die zu Julis Wohnhaus führte. Juli wartete bereits an der Tür und sauste davon, als sie ihre Freundin erblickte. Nachdem Thea die letzten Schritte zum Haus genommen hatte, schloss sie die Haustür hinter sich und kam zu Juli ins Zimmer, die in heller Aufregung vor ihrem Spiel saß. Neben sich hatte sie den Laptop aufgebaut. Das Login-Fenster zum Spiel leuchtete bereits auf dem Bildschirm. Rasch tippte Thea ihre Daten in das Feld.
Da bist du ja endlich wieder, Fengurd!, erschien eine private Nachricht im Chatfenster und gleich darauf folgte die Gruppeneinladung.
Tut mir leid! Meine Mutter hat mir Computerverbot erteilt, antwortete Thea und nahm die Einladung an. Sofort reihten sich acht kleine Balken mit der Energieanzeige ihrer Mitspieler auf der rechten Bildschirmseite an. Eine weitere Einladung zum Sprachchat poppte auf und Thea wandte sich zu Juli um.
„Skype ist an. Hast du ein zweites Headset?“
„Klar!“ Juli stand auf und zog einen Kopfhörer mit Mikrofon aus dem Regal, den sie Thea reichte. Kaum dass Thea die Hörkapseln auf die Ohren setzte, drang eine Vielzahl von Stimmen auf sie ein.
„Wir sind zu zwölft. Maniac führt die andere Gruppe“, erklärte eine junge Männerstimme. „Panicgirl, kümmerst du dich um den Assassinen? Timba und Schmunzelkeks, ihr müsst mit aller Kraft auf den blauen Zauberer einschlagen! Wir nehmen den anderen.“
„Kein Problem, Tribun!“
„Bin