unglückselig verdammt. Sharon Lee

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unglückselig verdammt - Sharon Lee

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seinem Leben war er in die Fußstapfen seines Erzeugers getreten. Sein Vater war ein Mann mit eigenwilligem Charakter und mit gefürchtetem Ruf gewesen und hatte während des zweiten Weltkrieges unter Hitlers Kommando als Telegraph gearbeitet. Er war an der Küste stationiert gewesen und hatte die Ein- und Ausfuhr der Schiffstransporte rapportiert. Unter der Schiffsfracht wurden Zigaretten geschmuggelt.

      Nach Ende des Krieges hatte sein Vater untertauchen müssen, andernfalls wäre er in Gefangenschaft genommen, gefoltert oder vielleicht sogar erschossen worden. Den Erzählungen zufolge hatte er in der Schattenwirtschaft Fuß gefasst und sich wegen seiner Kriegsvergangenheit schnell zu einer ranghohen Persönlichkeit etabliert.

      Mit dem Geld aus dem Schmuggelgeschäft finanzierte er sich sein erstes Bordell. Das Sexgeschäft mit den Frauen hatte Giulios Vater in der Folge zu einem berühmten und reichen Mann gemacht. Die Männer waren von nah und fern ins Küstendorf gereist, um die Dienstleistungen attraktiver junger Damen in Anspruch zu nehmen.

      In dieser Zeit hatte Giulios Vater mit verschiedenen Frauen Kinder gezeugt, darunter Gloria, Angelos‘ Mutter, sowie Giovanni, Giulio und einen weiteren Sohn, der ebenfalls auf den Namen Giulio getauft worden war. Das waren die drei Geschwister, von denen Giulio wusste, aber sicher gab es da noch andere.

      Von dem Vermögen seines Vaters allerdings hatten Giulio und seine Mutter keine Lira gesehen. Der Mann hatte sich nie um den Nachwuchs gekümmert. Eher warf er seinen Ex-Geliebten, den Müttern seiner Kinder, vor, dass sie wegen ihrer Schwangerschaft zu fett und fürs Geschäft unattraktiv geworden seien. Also mussten frische Frauen rangeschafft werden – auch die wurden von ihm geschwängert.

      Verantwortung tragen war nicht sein Thema, das überließ er den Frauen. Vom Geld war nichts mehr übrig geblieben. Sein Vater hatte es verhurt und beim Glücksspiel verprasst. Zum Zeitpunkt seines Todes war er hochverschuldet gewesen.

      Mit dem Tod seines Vaters wollte Giulio mehr über seine familiären Wurzeln erfahren. Natürlich war es ihm nicht verborgen geblieben, dass die Leute hinter seinem Rücken über ihn redeten. Und wie sich später herausstellte, hatte jeder im Küstendorf die Geschichte gekannt, nur Giulio wusste nicht Bescheid.

      Er erinnerte sich, als wäre es gestern geschehen. An einem gewöhnlichen Tag, kurz vor dem Abendessen, hatte ihm seine Mutter, anstelle der Spaghetti, die Wahrheit serviert: Sein Vater hatte entschieden, dass er den gleichen Namen wie sein Bruder tragen sollte. Also wurden zwei Söhne Giulio getauft. Dies aus einem ganz einfachen Grund: Sein Vater wollte sich keine weiteren Namen mehr merken.

      Das war für Giulio ein harter Schlag gewesen. Am meisten schmerzte ihn, dass er seinem Vater nichts wert war, noch nicht einmal für einen eigenen Namen war er ihm gut genug gewesen; ein Schmerz, den Giulio nicht einfach wegstecken konnte. Er verlor jegliches Vertrauen in andere, aber letztendlich in sich selbst. Es war erst der Anfang seiner bitteren Realität. Von nun an musste er mit der brutalen Wahrheit leben: Seine Mutter hatte als Prostituierte gearbeitet und sein Vater war ihr Zuhälter gewesen. Mehr nicht. Er selbst war lediglich das Resultat von unfreiwilligem Sex.

      Wie geht man mit so einer Wahrheit um? Giulio wehrte sich gegen die Vorstellung, doch das half nicht.

      Er musste verstehen, dass seine Zeugung lediglich ein Akt des Versehens gewesen war, weit entfernt von Romantik oder sogar Gefühlen der Liebe.

      Zu ihrer Verteidigung hatte es seine Mutter so erklärt, dass eine Abtreibung wegen ihres katholischen Glaubens nicht zur Diskussion gestanden hätte. Ihre religiösen Grundsätze wären der einzige Grund gewesen, weshalb sie ihn damals ausgetragen und zur Welt gebracht hätte. Ernüchternd war die schonungslose, kalte Art, wie seine Mutter ihm die Wahrheit servierte.

       Nach diesem fürchterlichen Tag hatte sich sein Leben um hundertachtzig Grad gedreht. Oder anders ausgedrückt: Das Leben war noch dasselbe, aber Giulio war «von jetzt auf gleich» erwachsen und auf seine eigenen Beine gestellt worden. Sein Vater war gestorben und das Vertrauen zu seiner Mutter zerbrochen. Verständnis für sein emotionales Desaster bekam Giulio keines. Als er geweint hatte, war die Mutter wütend geworden: «Du wolltest es wissen, selber schuld.»

      Später dementierte sie ihre Aussagen, doch es war zu spät: Giulio zweifelte keine Sekunde am Wahrheitsgehalt der Geschichte. Sie sprachen nie mehr darüber.

      Als das alles geschehen war, war Giulio gerade mal sechzehn Jahre alt. Das war in der Zeit der Siebzigerjahre. Die Wirtschaft produzierte Konsumgüter mit neuer Fließbandtechnik, und es herrschte weltweit Aufbruchsstimmung. Die neue Generation der Jugend war voller Ideale und Perspektiven. Junge Freidenker, die nach dem amerikanischen Vorbild lebten. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, reizte auch Giulio. Die Schule hatte er abgebrochen, zwischendurch verdiente er sich ein wenig Geld mit Botengängen. In Santa Berta wurde es ihm schnell zu eng, hier kannte er jeden Stein, jeden Winkel und jeden Riss in den Hausmauern.

      Bei einem nahestehenden Onkel, der zwei Jahren vorher nach Amerika gezogen war und inzwischen dort eine eigene Tankstelle und ein Haus besaß, hatte Giulio beobachtet, dass man im Ausland schnell reich werden konnte.

      Ausschlaggebend für seinen Entschluss, ebenfalls auszuwandern, war dann aber ein weiterer Verwandter gewesen: Giulios Cousin. Auch er war aus Santa Berta weg und in die Schweiz gereist, um Arbeit zu finden. Als er erstmals für den Sommerurlaub in die Heimat zurückgekehrt war, hatten ihn die Dorfbewohner wie einen König behandelt. Giulios Cousin hatte sich in der Schweiz extrem verändert: Er trug nun Klamotten feinster Qualität, an seinem Handgelenk eine edle Schweizer Uhr und eine Goldkette mit einem schweren Jesus-Kreuz-Anhänger um den Hals. Von ihm hatte Giulio gehört, dass es in der Schweiz viel Arbeit zu bester Bezahlung gäbe. Abends war er lange wach im Bett gelegen und hatte darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, in diesem Land zu leben. Nach drei Nächten des Grübelns war sein Entschluss gefasst: Giulio wollte nicht wie seine Eltern enden, die das Dorf kaum verlassen hatten. Er hatte sich höhere Ziele gesteckt, wollte raus in die Welt, die Welt seiner Träume und dieser unbegrenzten Möglichkeiten.

      Am nächsten Tag waren die Koffer gepackt, und er folgte seinem Cousin in die Schweiz.

       Doch es kam anders als geplant: Nach vier Jahr war Giulio nach Santa Berta zurückgekehrt. Die Nachricht, dass er eine bildschöne, blonde Frau aus der Schweiz an seiner Seite habe, sprach sich schnell herum. Man munkelte, dass er mit der Frau zusammen ein Kind habe. Es sei ein Mädchen mit dem Namen Maya.

      Was genau damals in der Schweiz vorgefallen und wer die schöne, junge Frau an seiner Seite gewesen war, darüber wurde geschwiegen. Seither hatte Giulio Bonfortuni sein Heimatdorf nie wieder verlassen.

      Kapitel 4 - Falsche Richtung

      Maya stand benommen in der Eingangshalle des Universitätsspitals. Vor zwei Stunden hatte man sie benachrichtigt und ihr mitgeteilt, dass Josef Hartmann in die Notfallstation eingeliefert worden sei.

      Ein typisch klinischer Geruch, der Maya an bakterientötende Reinigungsmittel erinnerte, lag in der Luft. Es war genau wie damals, als Mayas Großmutter wegen einer Herzentzündung behandelt worden war. Die Erinnerung versetzte Maya noch heute einen Stich, es war ein Schock gewesen, als ihre Großmutter, kurz nachdem sie das Krankenhaus verlassen durfte, zu Hause verstorben war. Als wäre es gestern gewesen, erinnerte sich Maya, wie sie damals ins Schlafzimmer ihrer Großmutter gerannt war, weil sie ihren Großvater aufschreien gehört hatte. Das war vor neun Jahren gewesen. Und nun war sie erneut hier, diesmal in schrecklicher Sorge um ihren Großvater.

      Als Maya das Krankenzimmer betrat, lag ihr Großvater regungslos im Bett. Seine Augen waren geschlossen. Sein Anblick war besorgniserregend.

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