Was für Ticker ist ein Politiker. Marion Wolf
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Ich dachte zurück an die Trampel in der Pizzeria: Wir zwei Mädels waren bildhübsch – doch mussten sie uns deshalb wie Schmeißfliegen auf die Pelle rücken und sich dabei mit seichtem Schmäh anwanzen? Wir waren doch kein Stück Scheiße! Was waren das doch früher noch für Zeiten. Ich träumte von galanten Operetten-Helden, wie sie Rudolf Schock im Fernsehen darstellte…
Da saßen wir nun in einer Dachstube des 19. Jahrhunderts, wo es wie bei meiner Omi roch, einträchtig bei einander: Ich Freigeistin mit blonder Mähne und blauen Augen, eine kesse kleine Schwarzhaarige mit grünen Augen und Katzenblick und ein schwuler Krüppel mit geistreichem Charme. Die Stimmung war auf kuriose Weise anregend und dabei wunderbar harmonisch. Wir schlürften den Wein, genossen Gespräche über Gott und die Welt und in den Denkpausen lauschten wir verzückt schmunzelnd Georg Kreislers 'Schwarzen Gesängen': Während des Tangos von den „Zwei alten Tanten“ hingen wir schlüpfrigen Gedanken nach, beim „Musikkritiker“ feixten wir über die schrägen Töne und beim „ping“ des Triangelspielers jauchzten wir lauthals mit. Bei „Schützen wir die Polizei“ gedachten wir der Münchner Studenten-Demo vom Sommer 1971 und beim „General, wo der Schaden schon total“ ist, hielten wir uns die Bäuche vor Lachen – ein wahrer Seelenschmaus für Pazifisten. Ein Refrain aus Georg Kreislers sarkastischen Balladen sollte mir jedoch lebenslang das Hirn löchern:
Aber was für Ticker ist ein Politiker,
woher kommt er und was will er von der Welt?
Georg Kreisler
Dieser Satz ließ mich alle Wahljahre wieder grübeln, was wohl hinter den Gesichtern auf den Plakaten steckte. Was motivierte diese Leute, in die Politik zu gehen, wie ehrlich waren ihre Absichten und was bekamen die im Amt dann tatsächlich gebacken?
Mir gingen diese Fragen durch den Kopf, wenn ich in eine Partei eintrat – und erst recht, wenn ich wieder austrat. Zu Zeiten Brandt-Scheels versuchte ich es bei der FDP und 20 Jahre später bei den Grünen. Doch zielführende Diskussionen über politische Fragen fanden nur zäh am Rande statt.
Jeder beäugte jeden, wer an der Spitze kandidieren dürfe und gemeinsam sorgte man sich, wie Wähler mobilisiert. Ich beobachtete, wie Ehrgeizlinge Seilschaften knüpften, um sich in der Partei hoch zu hangeln und wollte bei solch albernen Amigospielchen nicht mitmachen. Eine Witwe flirtete auf einer Inforeise in Bonn mit allen Männern und legte ihnen beim Tanzen ihren Sohn ans Herz.
Ein Jugendfreund meines Verlobten lud sogar die regionale Parteiprominenz auf seine Hochzeit ein, um sich für den frei werdenden Vorsitz des Ortsvereins zu empfehlen. Mir waren solche Anbiederungsmanöver zuwider. Offenbar hatte ich mit meiner Argumentationsweise auf einer Ortsversammlung mehr überzeugt, denn als wir umzogen, schrieb mir der Regionalvorsitzende einen Brief, er bedaure meinen Wegzug, er hätte mich als Ortsvorsitzende vorschlagen wollen. Sowas aber auch – das verdatterte G'schau des beflissenen Möchtegerns hätte ich genossen. Am neuen Wohnort begegnete mir die Ortsgruppe dann mit ungewohnter Hochachtung, was mir ein Rätsel war.
40 Jahre lang dachte ich nun bei jedem Wahlkampf an Kreislers Lied: Ob nun einer beim Fernseh-Auftritt hohle Schlagworte drosch, der nächste im Suff seinen Größenwahn offenbarte, oder seine Nachfolgerin unsicher herum stammelte – immer wieder überlegte ich: Was bringen die eigentlich für Voraussetzungen mit, um der hohen Aufgabe gerecht zu werden? Wie ticken diese Politstars und warum verhalten die sich so primitiv? Ich erwarte von so einem Spitzenpolitiker einfach mehr Format…
Als Pädagogin meine ich, wenn jeder im Volke für jedes politische Amt kandidieren darf, sollte auch jedes Kind eine königliche Erziehung genießen. Doch das wird gründlich versäumt. Vielmehr zeitigen Prinzen aus altem Adel regelrecht Gossenmanieren. Schlechtes Benehmen ist salonfähig geworden und hat sich auch im Fernsehen breitgemacht.
Im Internetz tummeln sich blasierte Bildungsbanausen, die nicht mal ihre eigene Muttersprache beherrschen und diese Schlamperei auch noch hoffärtig verteidigen.
Wozu das führt?
Mehrheitsentscheidungen der Dummen:
Immunschwäche der Demokratie.
Michael Marie Jung *1940
Politikermentalität
Im Laufe meines Lebens hatte ich Gelegenheit, so allerlei Zeitgenossen kennen zu lernen. Als Wahlhelferin fragte ich mich da oft, was im Hirn so mancher Leute vorginge und wieso Besoffene oder extra her gekarrte Schwachsinnige wählen dürfen. Denen fehlt es doch am Verstand, Politik mitzubestimmen!
Bei den politisch Aktiven sind Kalkül und Spezlwirtschaft gang und gäbe. Idealisten bleiben in den Parteien meist in der zweiten Reihe, wenn sie über kurz oder lang diesem verlogenen Affenzirkus nicht sowieso fliehen.
Eines jedoch scheint alle zu beflügeln: Das breite Volk überhöht bekannte Gesichter zu Halbgöttern – seien es Popstars, Schauspieler, Fußballer, Könige, oder Politiker. Die Medien hauen dazu kräftig auf die Pauke und treten deren Auftritte und Skandale breit, weil das hohe Auflagen oder Zuschauerquoten bringt…
In Wahrheit sind 'Promis' Leute, die sich beim Rummel um ihre Person entweder blöd vorkommen, oder das Getue selbstverliebt genießen und nach Applaus und Blitzlichtgewitter regelrecht süchtig werden.
Charismatische Politiker haben das Imponiergehabe von Oberaffen drauf – man beobachte die Gestik fanatischer Despoten. Bescheidenere schleimen sich auf Marktplätzen mit Blumen und Luftballons bei den Wählern ein und alle buhlen auf riesigen Plakaten mit billigen Schlagworten um die Wählergunst. Das Regierungsprogramm ist unwichtig – Hauptsache, das Volk glaubt, man vertrete seine Interessen, auch wenn man die hernach mit Füßen tritt und stattdessen die Anliegen der Konzerne erhört. Deren Lobby geht im Bundestag ein und aus, wobei sich die Altparteien in rechtswidriger Weise weigern, ihre Kontakte zu offenbaren. Ein Schelm, wer dabei Bestechlichkeit wittert.
Mit Entscheidungen zum Wohle der Allgemeinheit hat das Polit-Theater wenig zu tun und ich frage mich, wie Politiker bei Amtsantritt schwören können, nach bestem Wissen und Gewissen Schaden vom Volk abzuwehren, wenn sie hinterher von der Industrie geschmiert genau das Gegenteil tun? Ein himmelschreiendes Beispiel ist der dreiste Alleingang von Landwirtschaftsminister Schmidt, der bei der EU einer Verlängerung von Glyphosat zustimmte, obwohl er sich der Stimme enthalten sollte. Wäre es nicht seine Aufgabe, Gifte zu verbieten, die das Bienensterben verursachen und so die Bestäubung der Obstbäume gefährden?
Partei-Funktionäre machen sich hinter vorgehaltener Hand über Idealisten in ihren eigenen Reihen lustig und Minister verteufeln Bürgerinitiativen, die auf der Straße oder übers Internetz gegen Missstände protestieren.
In Ländern, Bezirken und Kommunen ist es möglich, über Volksbegehren auf die Politik einzuwirken. Ich frage mich allerdings, wozu wir Politiker bezahlen, wenn brave Bürger ehrenamtlich das tun, was eigentlich deren Aufgabe wäre...
Gegen das Wohl des Volkes zu handeln sollte ein Relikt vergangener Diktaturen sein – leider haben die politischen Strukturen totalitärer Zeiten überlebt und werden weiterhin für volksfeindliche Machenschaften missbraucht.
Hinterhältige Verwaltungen gängeln die Bevölkerung und werden selbst dann