Das Mädchen Ida. Maya Khoury

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Das Mädchen Ida - Maya Khoury

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Tochter, die sie erstaunt anblickte.

      „Mama, sei nicht böse, Rolf wollte doch nur nett zu mir sein und hat mit mir gespielt. Es hat nur ein ganz kleines bisschen weh getan. Und bald bekomme ich ein neues Fahrrad. Ein nagelneues.“

      Warum war ihre Mutter nur so wütend? Nicht einmal die Aussicht auf ein so schönes Geschenk ließ sie erweichen. Doch Erika hörte ihr gar nicht zu, sondern stülpte ihr hastig das geblümte Kleid über den Kopf und zog ihr den Schlüpfer wieder an.

      „Man zieht sich nicht vor einem Fremden am helllichten Tage nackt aus,“ flüsterte Erika, mehr zu sich selbst. „Fremder?“ dachte Ida irritiert. War Rolf denn ein Fremder? Und am helllichten Tag? Sie hatten doch nichts Verbotenes getan. Das hatte ihr Rolf doch versprochen. Sie hatten doch nichts Unrechtes getan?

      Unvermittelt drehte sich Erika zu Rolf um und funkelte ihn zornig an. So aufgebracht hatte Ida ihre Mutter noch nie erlebt.

      „Ich werde dich anzeigen, du mieses Schwein,“ schrie sie Rolf wütend zu. Ihre Stimme klang schrill und laut. Rolf hatte sich durch den Aufprall am Schrank verletzt. Mit der einen Hand hielt er seinen Kopf und mit der anderen zog er sich seine Anzughose über. Doch kaum hatte er ihre Worte erfasst, rastete er unvermittelt aus und stürzte sich mit hochrotem wutverzerrten Gesicht und hasserfüllten Augen auf Erika, die sich panisch in eine Ecke der Küche flüchtete. Dabei kippte sie eine kleine Blumenvase um, die auf einer Kommode stand. Das Wasser aus der Vase ergoss sich auf den Boden und die gelben Rosen breiteten sich dekorativ auf dem gemusterten Teppich aus. Alles schien unwirklich.

      „Lauf zu Bauer Harms, Ida, schnell,“ rief sie ihrer Tochter in äußerster Panik zu.

      Erika hockte zitternd mit angezogenen Knien in der Ecke, als erwarte sie ihr Todesurteil.

      In dem festen Bewusstsein, nun doch etwas furchtbar Schlimmes angerichtet zu haben, stürmte Ida aus der Tür und rannte so schnell wie noch nie in ihrem Leben, nur von einem einzigen Gedanken beseelt: Meine Mutter ist in Gefahr. Aber warum nur? Warum waren beide so wütend aufeinander? Sie waren doch sonst ein Herz und eine Seele gewesen. Was war denn plötzlich anders geworden? Das konnte doch nur mit ihr selbst zusammen hängen. Am helllichten Tag. Ja, sie gab sich die alleinige Schuld an dem schrecklichen Zerwürfnis zwischen ihrer Mutter und Rolf.

      Ida hetzte den Kanalweg entlang und erreichte den kleinen Bauernhof völlig außer Atem. Sie fand Bauer Harms im Stall vor. Das wusste sie, denn er war um diese Zeit meistens im Stall und am Tage fast nie im Haus aufzufinden. Erstaunt blickte er auf Ida, die vor Aufregung zunächst kein Wort herausbrachte.

      „Meine Mutter,“ hechelte sie und rang nach Luft. „Was ist mit deiner Mutter?“ fragte er, nun hellhörig geworden. Anscheinend schien etwas Außergewöhnliches geschehen zu sein, denn so kannte er das Mädel nicht. Er versuchte, Ida zu beruhigen und berührte ihre Schulter.

      „Ganz langsam Mädchen, was ist los?“

      „Ein Mann,“ stammelte Ida, verschwieg aber Rolfs Namen. „Ein fremder Mann ist bei ihr. Sie müssen ihr helfen.“ Und sie begann heftig zu schluchzen und am ganzen Körper zu zittern.

      Bauer Harms fackelte nicht lange. Er zog sofort die Gummistiefel aus, hängte seine

      Arbeitskleidung an den Nagel der Stalltür und ging mit langen Schritten ins Haus, gefolgt von Idas kleinen Trippelschritten. Bauer Harms stürmte in den Hausflur seines Hauses.

      „Stine,“ rief er mit lauter Stimme nach oben. Stine war bei Bauer Harms in Stellung und reinigte gerade die oberen Räume. Sie eilte nun angesichts der aufgeregten Stimme des Bauern die Treppe hinunter. Fragend sah sie ihn an. Er schien ziemlich durcheinander zu sein. So aufgebracht hatte sie ihn noch nie erlebt.

      „Du passt auf das Mädchen auf, ich habe etwas Dringendes zu erledigen,“ befahl er. Seine Stimme klang barsch aber nicht unfreundlich.

      Nun beobachtete sie mit Verwunderung, wie sich der Bauer am Dielenschrank zu schaffen machte, einen braunen Karton aus der Schublade herauszerrte und sich seine alte Wehrmachtspistole schnappte. Er prüfte die Munition und verstaute die Waffe hastig in seine große Hosentasche, ohne Stine und Ida zu beachten. Dann eilte er wortlos und mit entschlossener Miene nach draußen und schwang sich auf sein verrostetes Fahrrad, um Idas Mutter beizustehen. Ein fremder Mann? In letzter Zeit trieb sich allerhand Gesindel hier in der Gegend herum. Mit dem würde er es schon aufnehmen, denn er war ja bewaffnet. Solche Gedanken rasten durch seinen Kopf und ließen seine Furcht in den Hintergrund treten.

      Stine hatte ihn mit erstaunten Augen nachgesehen. Schließlich legte sie Schrubber und Feudel aus der Hand und kümmerte sich um das völlig aufgelöste Kind. Zuerst trocknete sie seine Tränen mit einem blaukarierten Geschirrtuch. Dann wischte sie das bereits getrocknete Blut ab, das auf dem rechtem Bein wie ein dünner Faden heruntergeronnen war. Ida wurde ruhiger und ließ schließlich alles apathisch mit sich geschehen. Sie saß auf dem Stuhl wie eine hölzerne Statue, denn sie war zu keiner Regung mehr fähig.

      „Willst du mir nicht sagen, was passiert ist?“ fragte Stine mit sanfter Stimme. Doch Ida blieb stumm. Stine war ratlos. Schließlich kochte sie für Ida den letzten Rest Kakao aus gerahmter Milch und guter Butter. Das half immer! So dachte jedenfalls die gute Stine in ihrer einfältigen Art.

      Endlich hatte Bauer Harms das kleine Holzhaus erreicht. Die Tür stand sperrangelweit offen und er näherte sich zögernd, die schussbereite Pistole in der rechten Hand. Eine dunkle Ahnung beschlich ihn plötzlich, aber er zwang sich weiterzugehen und seine aufkeimende Panik zu überwinden.

      An der Türschwelle wich er entsetzt einen Schritt zurück. Erika, seine stille Liebe,

      lag auf dem Holzfußboden, die Arme von sich gestreckt, und starrte mit offenen verwunderten Augen an die Decke. Um ihr herum waren gelbe Rosen verstreut, als wollten sie den Leichnam schmücken. Von dem kleinen Wasserfleck aus der Vase war nur noch ein dunkler Fleck auf dem Holzfußboden zurückgeblieben.

      Bauer Harms setzte sich auf einen der Stühle und war eine Weile fassungslos und zutiefst erschüttert. Wer hatte ihr das angetan? dachte er verwirrt. Doch dann besann er sich, stand auf und blickte in die Schlafkammer nebenan. Den fremden Mann, von dem Ida gesprochen hatte, konnte er jedoch nirgendwo entdecken. Er durchstöberte den kleinsten Winkel, sogar den Schlafzimmerschrank. Seine arme Erika war tot und ihr Mörder scheinbar verschwunden. Bauer Harms kniete sich neben die Tote. Er konnte keine Verletzungen entdecken, auch keine Würgemale. Oder Blut. Wie hatte er sie umgebracht? Er musste wohl die Polizei alarmieren. Unschlüssig erhob er sich und schaute sich um. Düster und unheimlich wirkte das kleine Zimmer. Der Schatten des Todes hatte sich im Haus ausgebreitet. Er konnte nichts mehr für Erika tun. Er hätte sie so gern geheiratet. Eine Hochzeitskutsche wollte er mieten. Und die kleine Ida würde Blumen streuen.

      Als er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, radelte Bauer Harms in den Ort, um von einer Gastwirtschaft aus telefonisch die zuständige Polizeiwache über einen Mord zu informieren.

      Rolf war zornig und empört Er trat in die Pedalen wie ein wutschnaubender Stier und stieß irre Verwünschungen aus. Es war so schön gewesen mit Ida. Sie war so gefügig und hatte sich überhaupt nicht angestellt. Bald hätte er sie soweit gehabt und sie wäre ihm für immer total verfallen.

      Was für ein schönes Leben hätten sie beide gehabt. Ein Leben, wie er es sich immer erträumt hatte. Und so kurz vorm ersehnten Ziel war alles auseinander gebrochen.

      In seinem kranken Hirn tobten immer noch die wildesten Fantasien. Er gab sich eine kurze Weile seinen Träumen hin. Wie schön hatte Ida ausgesehen, als sie nackt auf dem Sofa

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