Das Mädchen Ida. Maya Khoury

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Das Mädchen Ida - Maya Khoury

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mit einem Mal hatte die Alte an der Türschwelle gestanden und ihn angeglotzt wie einen Schwerverbrecher. Was hatte er denn getan? Schrie Ida etwa? Nein, er hatte sie doch glücklich gemacht. Ihre Augen hatten doch um seine Liebe gebettelt. Warum musste die dumme Kuh überhaupt früher als erwartet erscheinen? Und dann war die Kleine plötzlich verschwunden. Seine Ida. Durch Erikas Schuld. Warum musste sich das dumme Luder derart unbeherrscht aufführen. Er hasste hysterische Weiber. Die waren so fürchterlich unberechenbar. Es war bereits das zweite Mädchen, das er verlor.

      Ida lebte zwar; aber er würde sie bestimmt nie wieder sehen. Das sagte ihm unweigerlich sein Gefühl. Seine Lotte aber war tot. Er hatte Lotte vor einem Waisenhaus in Wiesbaden getroffen, denn ihre Eltern lebten nicht mehr. Von da ab waren sie unzertrennlich. Er hatte sie verwöhnt. Alle Wünsche hatte er von ihren Augen abgelesen und erfüllt. Sie brauchte sie gar nicht mehr auszusprechen.

      Niemand vermisste sie oder suchte nach ihr. Er hatte ihr falsche Ausweispapiere auf dem Schwarzmarkt besorgt. Sie trug nun seinen Familiennamen und fortan war Rolf ihr Vater. Der Schwarzhandel blühte und er mischte ordentlich mit. Dort konnte man alles kaufen, sogar eine andere Identität.

      Auch Lotte brachte er an einem lauen Juniabend – war das nicht schon vor zwei Jahren? - fast so weit, dass sie ihm hörig war, wie ihm seine krankhafte wilde Fantasie vorgegaukelt hatte. Seine anschmiegsame Lotte. Seine geliebte Lotte. Rolf hatte ein kleines Gartenhaus in einer Gartenkolonie vor den Toren Frankfurts gepachtet. Sie genossen alle Annehmlichkeiten in vollen Zügen. Niemand störte ihre Zweisamkeit, denn so kurz nach dem Krieg, im Jahre 1950, war jeder mit seinen eigenen Sorgen und Kümmernissen vollauf beschäftigt. Und die Bürokratie im durchgeschüttelten Nachkriegsdeutschland funktionierte zwar einigermaßen, wies jedoch noch ziemliche Lücken auf.

      Als Rolf meinte, nun sei die Zeit reif, seine Lotte in die Liebe einzuweihen, hatte sie laut zu schreien begonnen. Sie war vor seiner schamlosen Nacktheit erschrocken zurückgewichen. Dabei war er doch so zärtlich und liebevoll vorgegangen. Mit aller Behutsamkeit hatte er sie lange und ausgiebig gestreichelt, war dabei aber so erregt, dass er kaum seine ungezügelte Lust bändigen konnte.

      Rolf verstand die Welt nicht mehr. Seine fügsame Lotte gehorchte ihm nicht mehr und wollte sogar davon laufen, als er sie lüstern packte und in sie eindringen wollte. War es da verwunderlich, dass er, Rolf, schnell handeln musste? Obwohl er doch alles für sie getan und ihr ein schönes Leben geboten hatte? Ein geübter Handgriff und sie lag tot vor ihm auf der gepolsterten Bank in ihrem schönen Gartenhaus. Wehmütig streichelte er sie ein letztes Mal und berauschte sich an dem Anblick ihres nackten unschuldigen Körpers, bis ihn die Erregung wie eine Welle überrollte. Er spielte mit ihren langen blonden Haaren und legte sie dekorativ über ihren Oberkörper. Schließlich konnte er nicht mehr an sich halten und vollzog an der stillen Lotte den Liebesakt. Ihm schien, als ob sie mit geschlossenen Augen lächelte. Dann packte er die wichtigsten Sachen zusammen und ergriff eilig die Flucht, um erst einmal für einige Zeit unterzutauchen.

      Später zog es ihn in den stürmischen Norden. Er wollte schon immer einmal die Nordsee kennen lernen. Dort gab er sich überall als „Russlandheimkehrer“ aus. Bei solchen Geschichten packte die Leute das Mitleid. Der arme Mann, was hatte der alles erdulden müssen. Das schreckliche Russland war doch gleichzusetzen mit Eiseskälte, Hunger und Heimweh.

      Und dann war ihm die kleine Ida über den Weg gelaufen. Die Ähnlichkeit mit Lotte war verblüffend. Die beiden hätten Schwestern sein können. Und plötzlich tauchte diese dumme Gans, die Mutter, auf und nahm sie ihm wieder weg. Und was noch schlimmer war: Sie hatte ihm sogar mit einer Anzeige gedroht. Rolf musste bei diesem Gedanken leise lachen. Wer hatte sich denn immer um Ida gekümmert? Sie doch sicher nicht. Ihr war doch die Arbeit über alles gegangen. Zeit für ihre Tochter konnte die doch nie erübrigen. Er, Rolf, war Idas Freund und Beschützer gewesen. Wieder musste er grinsen. Wie die sich auf ihn gestürzt hatte. Doch da war sie an den Falschen geraten.

      Denn sie konnte natürlich nicht ahnen, dass Rolf zwölf Jahre lang ein brillanter Kämpfer bei der Fremdenlegion gewesen war. Erika starb durch einen erprobten Griff im Nackenbereich. Lautlos, schweigsam, schmerzlos. So, wie er einen Feind im Krieg töten würde. Und genauso, wie er gezwungen war, seine Lotte zu töten, weil sie sich plötzlich geweigert hatten, ihm zu Willen zu sein. Die arme Lotte. Sie könnte noch leben, wenn sie ihn glücklich gemacht hätte.

      Rolf blickte auf seine Taschenuhr. Er musste sich beeilen, wenn er den Zug noch erwischen wollte. Geld und Ausweispapiere trug er immer bei sich.

      Rolf wollte zunächst mit der Bahn nach Frankfurt fahren und von dort einen Zug nach Paris nehmen. Vorsichtshalber stellte er sein auffälliges Fahrrad ein paar Straßen weiter ab. Er legte die paar Schritte zum Bahnhof zu Fuß zurück.

      Bauer Harms wartete vor dem kleinen Haus am Kanalweg auf die Polizei, die er inzwischen benachrichtigt hatte. Er scheute sich davor, noch einmal hineingehen. Er mochte dem Tod nicht mehr ins Auge schauen. Und er hoffte inständig, dass Erika vor ihrem Tod wenigstens nicht gelitten hatte. Endlich kamen sie. Der Zivilbeamte stellte sich mit Kommissar Jansen vor. Er war in Begleitung von Hauptwachtmeister Dirks, der eine Polizeiuniform trug. Auch sie konnten nach kurzem Augenschein ebenfalls keine äußeren Verletzungen feststellen. Bauer Harms wusste nichts Näheres zu berichten. Er war ja zu spät gekommen. Da lag Erika schon tot auf dem Boden in der Küche. Neben den gelben Rosen.

      Vielleicht hatte die Tochter, Ida, ja etwas gesehen? Der Kommissar machte sich Notizen.

      Der Leichnam wurde in die Pathologie zur Feststellung der Todesursache gebracht.

      Jansen suchte die immer noch völlig verstörte Ida auf und befragte sie. Er wählte seine Fragen sehr behutsam und vorsichtig, um die Kleine nicht noch mehr zu erschrecken.

      Sie hatte den Mann angeblich noch nie gesehen. Ein Fremder war das gewesen. Und es ging alles so schnell. Plötzlich war er da. Der Kommissar schüttelte den Kopf und hob die Augenbrauen. Warum war er da? Kannte ihn deine Mutter? Ida verhielt sich verstockt. Sie sagte plötzlich überhaupt nichts mehr, sondern schwieg und man ließ sie daraufhin erst einmal in Ruhe. Ida wusste nicht, wie ihre Mutter gestorben war. Aber dass sie tot war, hatte man ihr gesagt. Und dass der Mann sie umgebracht hatte. Der fremde Mann. So schonend wie möglich versuchte der Kommissar, Ida den Tod ihrer Mutter begreiflich zu machen. Daraufhin hatte sich Ida vollends in ihr Schneckenhaus verkrochen. Sie zeigte keine äußerliche Reaktion. Ida war wie versteinert. Sie gab sich die Schuld am Tod ihrer Mutter. Schwere Schuldgefühle sollten sie Zeit ihres Lebens begleiten.

      Der Pathologe bescheinigte später einen Tod durch Fremdeinwirkung. Erika starb an einem Genickbruch, der nicht durch einen Sturz verursacht worden war. Sie war gewaltsam getötet worden.

      Zeugen wurden befragt. Einige wollten Ida öfter mit einem jungen Mann auf dem Fahrrad gesehen haben. Die Beschreibung war allerdings dürftig und fiel auch

      unterschiedlich aus.

      Jansen entschloss sich, Ida noch einmal aufzusuchen. Trog ihn sein Gefühl oder verbarg das Mädchen etwas? Er war sich nicht ganz sicher.

      „Warst du in letzter Zeit öfter mit einem jungen Mann unterwegs?“ wurde Ida am nächsten Tag gefragt. Sie schüttelte heftig den Kopf. Ida blieb stumm und zog sich in ihre Welt zurück. Sie wollte mit niemandem reden. Der Kommissar gab es auf, denn mit Gewalt konnte er Ida nicht zwingen, das zu sagen, was sie scheinbar wusste, aber verschwieg. Ida versuchte krampfhaft, ihr traumatisches Erlebnis zu verdrängen.

      Zwei ältliche Damen vom Fürsorgeamt kümmerten sich anschließend um das Kind. Ida mochte diese nicht. Besonders die eine nicht, die sich Fräulein Ronneberger nannte und aussah wie eine dünne Ziege und so stechende Augen wie ein Adler hatte. Außerdem schien es ihr, als ob diese auf sie herab sah. Was hatte sie denn getan? Mehr und

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