Unter Piraten. Miriam Lanz
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Der Kapitän nickte knapp und schloss seufzend die Augen.
'Gott sei ihrer Seele gnädig…'
Mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust trat Wilde wieder in die Heckkabine.
Während der Lärm der Mannschaft immer leiser wurde und schließlich nur noch das Rauschen des Wasser, durch das er schritt, zu hören war, überlegte Wilde fieberhaft, wie er dem Arzt gegenübertreten sollte.
Vor der Tür der Kajüte atmete er noch einmal tief durch und nahm Haltung an. Dann öffnete er langsam die Tür.
Auch seine Kabine war verwüstet. Glasscherben lagen auf dem Boden, der Tisch und die beiden Stühle waren umgefallen. Die Bücher waren aufgeschwemmt. Auch in diesem Raum stand das Wasser.
Dr. Steward lag im Bett. Man hatte sich bereits um seine Verletzungen gekümmert.
Der Arzt drehte seinen Kopf und stöhnte. Wilde beugte sich zu ihm nach unten, wandte sich aber schon nach einem kurzen Moment wieder seufzend ab.
'Wie soll ich ihm sagen, dass das Mädchen weg ist. Gott steh mir bei!'
Langsam öffnete Steward die Augen. Er sah sich verwirrt um. Seine Augen blieben schließlich an Wilde haften.
„Wo…Wo ist Gwyn!“, ächzte er, das Gesicht schmerzverzerrt.
Der Kapitän fühlte sich, als hätte man ihm einen Schlag in die Magengrube versetzt. Er schluckte trocken; sein Blick war starr auf den Boden gerichtet.
„Nun…Sir…es ist…“, begann Wilde unschlüssig und widerstand nur mit Mühe dem Wunsch, die Kabine fluchtartig zu verlassen.
„Wo ist meine Nichte?“, fragte Steward, immer noch heiser, aber mit deutlich mehr Nachdruck in der Stimme.
„Nun, Sir…“, Wilde suchte fieberhaft nach den richtigen Worten.
“Es ist… Nun ich…“ Wilde hob kurz den Kopf. Als er Stewards Gesichtsausdruck bemerkte, senkte er seinen Blick wieder und holte tief Luft: “Sir, ich…ich befürchte, nun….Eure Nichte ist unauffindbar und…ich….befürchte - es tut mir wirklich sehr Leid - sie ist nicht…mehr…auf dem Schiff und…“, der junge Mann verstummte und sah seufzend auf.
Der Arzt hatte seinen Blick in unbestimmte Ferne gerichtet. Kaum merklich schüttelte er den Kopf.
“Nein,…“, Dr. Stewards Lippen bewegten sich, aber kein Laut entrang sich seiner Kehle. Tränen waren ihm in die Augen getreten und verschleierten seine Sicht. Wilde sah ihn für einen Augenblick mitfühlend an, ehe er leise das Zimmer verließ.
‚Gwyn, oh Gott, mein armes, liebes Kind!’
Dem Arzt rannen ungehemmt Tränen über die Wangen. Sein Körper bebte unter lautlosem Schluchzen. Gwyn konnte, durfte einfach nicht tot sein…
15. Mai im Jahre des Herrn 1713:
„Ich glaub´, sie wacht auf. Geh´ und hol´ den Käpt´n.“
Gwyn nahm die fremde, raue Stimme wie durch einen dichten Nebel wahr. Sie blinzelte. Das grelle Licht zwang sie jedoch die Augen sofort wieder zu schließen.
„Oh, Gott!“, stöhnte sie und rieb sich mit der Hand über die Stirn.
„Wie geht es Euch, Missy?“
Gwyn hielt sich schützend die Hand vor ihr Gesicht, als sie nach dem Ursprung der Stimme suchte. Ein Mann beugte sich über sie. Sein Gesicht war braungebrannt und von tiefen Falten zerfurcht, die ihn stark altern ließen. Seine tiefliegenden, schwarzen Augen, verliehen ihm dennoch ein freundliches Aussehen.
„Es könnte besser sein“, sagte Gwyn matt. Der Mann lächelte.
„Da habt Ihr aber wirklich Glück gehabt, Miss.“ Gwyn konnte dem Mann nicht folgen.
'Wo bin ich hier? Was ist passiert?'
Verwirrt sah sie sich um. Die Kajüte, in der sie sich befand, war ihrer Kabine auf der ‚Ventus’ sehr ähnlich.
„Was meint Ihr, als Ihr sagtet, ich hätte ‚Glück gehabt’?“, fragte sie schließlich.
„Eine vornehme Ausdrucksweise habt Ihr, das muss ich schon sagen.“ Der Mann lächelte erneut.
„Ihr ward ganze zwei Tage ohne Bewusstsein. Der Käpt´n gab die Hoffung schon fast auf“, erklärte er nüchtern
Gwyn sah ihn verwirrt an, erwiderte aber nichts. Nach einer kurzen Weile, in der sich Schweigen über den kleinen Raum gelegt hatte, ergriff Gwyn schließlich wieder das Wort: „Bitte, verzeiht Sir, aber... wo bin ich?“
„Ihr befindet Euch auf der ‚Mercatoris’. Ich bin im übrigen Henry.“
Gwyn nickte abwesend. Ihr Blick schweifte erneut durch den Raum, so als suche sie nach etwas ihr Vertrautem.
In diesem Moment flog die Tür schwungvoll auf und ein Mann trat ein. Er trug eine braune Perücke und einen dunklen Anzug.
„Ah, na endlich, Miss, seid Ihr aufgewacht. Ich bin Robert Bradley.“ Der Mann verbeugte sich tief und überschwänglich vor Gwyn.
„Mein Name ist Gwyneth Steward“, brachte sie ein wenig irritiert heraus.
„Verzeiht Miss, dass ich Euch so angehe, aber was ist Euch zugestoßen?“, fragte der Mann beinahe euphorisch.
Gwyn konnte Bradley im ersten Moment nicht antworten.
Ihre Gedanken schweiften zurück zur 'Ventus'. Der Sturm… sie erschauderte, als sie die Bilder, die sich ihr ins Gedächtnis gebrannt hatten, wieder vor ihrem inneren Auge sah.
Die Wellen, der verletzte Kapitän Wilde, das davonfahrende Schiff, die unbeschreibliche Angst und Ungewissheit…
„Miss, ist alles in Ordnung?“ Die besorgte Frage des Kapitäns holte Gwyn wieder in die Gegenwart zurück.
„Wie…wie bitte? Ja, ja mir geht es gut“, meinte sie matt.
„Miss was ist Euch zugestoßen, dass Ihr mitten auf dem Meer getrieben seid?“, wiederholte sich Bradley; dieses Mal etwas langsamer.
„Wir gerieten in einen Sturm und…ich fiel über Bord“, nuschelte Gwyn schließlich geistesabwesend.
„Auf welchem Schiff seid Ihr gereist?“, fragte Bradley weiter.
„Auf der ‚Ventus’.“
Als Bradley nach wenigen Minuten alles, was er wissen wollte, in Erfahrung gebracht hatte, richtete er sich zufrieden an Henry, der die ganze Zeit an der Wand direkt neben der Tür gestanden und zugehört hatte.
„Hol` ihr etwas Frisches zum Anziehen.“