Unter Piraten. Miriam Lanz
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„Ihr werdet in meiner Kabine nächtigen, Miss Steward.“
„Aber nein. Das ist nicht nötig, Sir.“
„Ich bestehe darauf“, sagte der Kapitän so eindringlich, dass Gwyn ihn kein zweites Mal widersprechen konnte. Sie seufzte resigniert, stimmte aber zu.
Nur wenige Augenblicke später öffnete Bradley die Tür zu seiner Kajüte und trat einen Schritt zurück.
„Ich wünsche Euch eine angenehme Nacht, Miss Steward.“ Er verbeugte sich abermals tief, machte auf dem Absatz kehrt und ging.
Bradley hatte die Tür der großen Kabine wieder hinter sich geschlossen, als Gwyn die Kajüte betrat.
Es war das gleiche Zimmer, in dem sie wenige Stunden zuvor erwacht war. An der Wand rechts neben der Tür war ein beinahe raumhohes Heckfenster, hinter dem das Mädchen einen Balkon ausmachen konnte. Durch dieses fiel das fahle Mondlicht und erhellte den Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite waren einige Regale angebracht, auf denen Bücher, Karten und Gläser standen; daneben hingen Musketen und Entermesser kunstvoll aufgereiht an der Wand. Vor dem Heckfenster stand ein großer Schreibtisch auf dem ein Globus und ein Tintenfass mit einer Feder darin zu erkennen waren.
Gegenüber dem Heckfenster war ein Bett in die Wand eingebaut, das mit einem Vorhang, der im Moment an einer Seite zusammengebunden war, abgeschirmt werden konnte.
Gwyn sank auf die Bettkante. Als sie aus dem Heckfenster blickte, dachte sie wieder an ihren Onkel.
Was war mit ihm passiert? Wieder drängte sich ihr diese Frage auf. Zusammen mit dem beängstigenden Gefühl, die Antwort bereits zu kennen.
Gwyn schlug sich die Hände vor ihr Gesicht und seufzte schwer. Sie kämpfte erfolglos gegen die Tränen, die ihr in die Augen getreten waren. Langsam legte sie sich flach auf die Matratze und starrte an die schwarze Decke, bevor sie schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
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Mitten in der Nacht wachte Gwyn schweißgebadet und leichenfahl auf. Im Traum war sie wieder auf der ‚Ventus’ gewesen.
Schwer und unregelmäßig atmend sah sie sich um.
Noch vom Schlaf benebelt, rief sie nach ihrem Onkel. Sie erwartete, dass er jeden Moment den Raum betreten, sich auf die Bettkante setzen und beruhigend auf sie einreden würde, bis sie wieder einschlief.
Als ihr aber bewusst wurde, wo sie war, wusste sie, dass ihr Onkel nicht mehr kommen würde, dass sie seine ruhige Stimme nicht mehr hören würde….
Gwyn spürte, wie ihr heiße Tränen über das Gesicht liefen.
'Onkel....'
„Einen guten Morgen wünsche ich, Miss Steward“, begrüßte Bradley Gwyn, die bereits am Tisch Platz genommen hatte, mit seinem fröhlichen Lächeln. Doch beim Anblick ihres blassen Gesichts und der roten Augen, wurde seine Mine ernster.
„Was ist mit Euch? Fühlt Ihr Euch nicht wohl?“ Die Besorgnis, die in seiner Stimme mitschwang, war nicht zu überhören.
Gwyn sah ihn aus ihren großen, grünen, traurigen Augen an und schüttelte langsam den Kopf. “Ich habe an meinen Onkel gedacht, letzte Nacht... eigentlich schon den ganzen Tag“, erklärte sie langsam.
Irgendetwas an Bradley verleitete sie dazu, sich ihm anzuvertrauen. In seiner freundlichen, netten Art löste er bei Gwyn lang vergessene Erinnerungen an ihren eigenen Vater aus, der selbst einmal ein Kapitän gewesen war.
„Mein Onkel ist bei dem Sturm, genau wie ich, ins Wasser gespült worden, allerdings vor mir. Ich nehme an, dass er nicht das gleiche unfassbare Glück gehabt hat wie ich. ….“, sie schweifte ab. Bradley nickte und sah sie mitfühlend an.
“Aber Ihr dürft die Hoffung nicht aufgeben, Miss“, versuchte er Gwyn, der schon wieder Tränen in die Augen getreten waren, aufzumuntern. Sie lächelte traurig.
„Wer weiß, vielleicht habt Ihr ja recht und er lebt tatsächlich noch“, räumte sie schließlich, aber ohne viel Zuversicht ein und nippte an ihrem inzwischen lauwarmen Tee.
„Gestern habt Ihr mir, wenn ich mich recht erinnere, erzählt, dass Ihr auf dem Weg nach Kingston gewesen seid“, fing Bradley auf einmal an, „Darf ich fragen, was Ihr dort vor hattet?“
“Nun, mein Onkel ist…, war Arzt, müsst Ihr wissen, und das Empire hatte beschlossen ihn, da er gute Dienste leistete, nach Kingston zu schicken. Dort soll es nicht besonderes viele studierte Ärzte geben“, erklärte Gwyn mit belegter Stimme.
„Nun, Miss, warum redet Ihr nicht von Eurem Onkel in der Gegenwart, möchte ich wissen?“, fragte Bradley lächelnd. Gwyn schüttelte dankbar, aber ohne Zuversicht den Kopf.
„Kapitän Bradley, ich muss schon sagen, in der kurzen Zeit, die ich Euch kenne, habe ich festgestellt, Ihr seid ein ewiger Optimist.“ Ein kurzes Lächeln huschte über Gwyns Lippen.
„Nun ja, Miss, besser als immer alles schwarz zu sehen. Euer Lächeln zeigt mir jedoch, dass es keine schlechte Eigenschaft ist. Und vielleicht seht Ihr Euren Onkel schneller wieder als Ihr denkt; wir sind gerade im Moment auf dem direkten Weg nach Kingston.“ Bradleys Euphorie schien von Sekunde zu Sekunde zu zunehmen.
„Und Miss Steward, wenn Ihr Euren Onkel nicht finden solltet, könnt Ihr, wenn wir in Kingston angekommen sind, auch gerne mit mir kommen - zumindest bis sich alles aufgeklärt hat“, bot ihr Bradley, in einem etwas ernsteren Ton, an.
„Vielen Dank, Sir!“, sagte Gwyn, sichtlich überrascht von diesem großzügigen Angebot.
„Ihr wohnt in Kingston?“, fragte sie schließlich.
„Oh ja, Miss. Ich wurde dort geboren und auch meine Kinder werden dort das Licht der Welt erblicken“, erklärte er fröhlich.
„Ihr seid verheiratet?“, fragte Gwyn, noch bevor sie über ihre ungebührliche Formulierung nachdachte. Bradley schmunzelte amüsiert.
„Noch nicht, aber wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich um die Hand meiner angebeteten Flora McCessey anhalten“, erklärte er stolz.
„Dann möchte ich die Erste sein, die Euch gratulieren darf“, entschied das Mädchen spontan.
„Das ist Ehrensache, Miss Steward!“
Bradley hatte es in nur wenigen Minuten geschafft, Gwyn - zumindest für kurze Zeit - auf andere Gedanken zu bringen und dafür war sie ihm sehr dankbar.
Nach dem Essen gingen Bradley und Gwyn an Deck, wo der Kapitän begann, seiner Passagierin die Arbeiten, die an Deck verrichtet wurden, zu erklären oder ihr von Seefahrerlegenden - 'Seemannsgarn' wie Bradley sie nannte - zu erzählen. Er schwärmte von Kingston und der Seefahrt und erzählte ihr, dass er mit neunzehn Jahren nach England zum Studieren geschickt wurde, es sich aber anderes überlegte, und der Handelsmarine beitrat. In der dritten Nacht - Bradley hatte Gwyn mitgeteilt, dass sie am morgigen Tag in Kingston ankommen würden - wurde das Mädchen von Schreien und merkwürdigen Geräuschen geweckt. Es klang als würde Metall auf Metall treffen.
Erschreckt setzte sie sich auf. Fahles Mondlicht schien