Sonnenwarm und Regensanft - Band 4. Agnes M. Holdborg

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Sonnenwarm und Regensanft - Band 4 - Agnes M. Holdborg

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      Sie war ein Kind der Ber­ge und wür­de es ihr Le­ben lang blei­ben. In ih­ren Au­gen gab es nichts Wun­der­vol­le­res als den An­blick der hoch auf­ra­gen­den, teil­wei­se dra­ma­tisch schrof­fen und gi­gan­ti­schen Rie­sen, die sich weit über zwei­t­au­send Me­ter hin­auf dem Him­mel ent­ge­gen­reck­ten. Sie bil­de­ten ein um­wer­fen­des Pan­ora­ma mit ih­ren Schnee­kup­pen, tie­fen Tä­lern und un­wirk­li­chen, eis­blau­en Glet­schern – und den zahl­rei­chen Was­ser­fäl­len, die im Son­nen­schein schil­lern­de Re­gen­bö­gen zau­ber­ten.

      Nichts könn­te ge­gen­sätz­li­cher, nichts auf­re­gen­der sein als die Na­tur die­ser Berg­welt. Nir­gend­wo war der Him­mel so blau und so nah, zum Grei­fen nah, nir­gends die Luft rei­ner und kla­rer. Nir­gends wür­de es grü­ne­res Gras ge­ben, nir­gends so win­zi­ge ro­man­ti­sche Dör­fer, bun­te­re Blu­men, präch­ti­ge­re Vö­gel und Wild­tie­re – und zu­dem wohl­klin­gen­de­re Lie­der als hier, hier bei ihr, hier in ih­rer Hei­mat.

      So­sehr die­se Hei­mat ih­re See­le und ihr Herz auch rühr­te, sie war den­noch schreck­lich un­g­lü­ck­lich.

      Fast je­den Tag un­ter­nahm sie ei­ne Wan­de­rung zu der Stel­le – ih­rer und sei­ner Stel­le. Dort schwelg­te sie aus­gie­big in Er­in­ne­run­gen. Aber je­des Mal, wenn sie her­kam, schwoll der Schmerz auf­grund der Trau­er um die ver­lo­re­ne Zeit hef­ti­ger in ihr an.

      Er hat­te sie ver­las­sen und sie da­mit all ih­rer Le­bens­freu­de be­raubt. Ganz lang­sam. Stück für Stück.

      Zu An­fang hat­te sie es gar nicht als so schlimm emp­fun­den. Si­cher, es hat­te weh­ge­tan, doch es war aus­zu­hal­ten ge­we­sen, oder?

      Mit je­dem wei­te­ren Tag al­ler­dings spür­te sie es deut­li­cher. Mit je­dem wei­te­ren Tag schwan­den ih­re Freu­de am Le­ben und ih­re Fröh­lich­keit. Im­mer ein klei­nes Stü­ck­chen mehr.

      Hat­te sie ges­tern noch et­was Glück dar­über emp­fun­den, dass ihr ein paar Mur­mel­tie­re neu­gie­rig zu­sa­hen, wie sie es sich auf ih­rem – sei­nem und ih­rem – Fel­sen ge­müt­lich mach­te, und die­se Tie­re mit ih­rem Er­schei­nen end­lich den Früh­ling an­kün­dig­ten, so konn­te sie sich heu­te kaum noch da­für be­geis­tern.

      Sie ver­lor Zug um Zug das In­ter­es­se. Egal, wor­an! Die­se Er­kennt­nis er­schreck­te sie. Dump­fe, läh­men­de Le­thar­gie brei­te­te sich in ihr aus. Wenn sich den­noch et­was in ihr reg­te, dann war es ein Ge­wirr aus Fra­gen, das ih­ren Kopf im­mer öf­ter quäl­te. Fra­gen über den Sinn ih­res Da­seins. Fra­gen über ih­re Zu­kunft. Fra­gen über das War­um.

      War­um hat­te er das ge­tan? War­um war er ge­gan­gen? War­um hat­te er sie ver­ra­ten? War­um? War­um hat­te er sei­ne Ver­ant­wor­tung nicht wahr­ge­nom­men?

      Wie hat­te er über­haupt sie und die­ses sen­sa­ti­o­nel­le Land ver­las­sen kön­nen? Das war doch ei­gent­lich gar nicht mög­lich! So et­was Schö­nes wie die­se Na­tur und so et­was Rei­nes wie ih­re Lie­be gä­be es doch nir­gend­wo noch ein­mal. So et­was bin­det fürs Le­ben, schweißt zu­sam­men, un­trenn­bar!

      Sie hat­te so viel für ihn auf­ge­ge­ben, al­lein für ihn. Aber ih­re Hei­mat, die Ber­ge, die könn­te sie nie­mals auf­ge­ben.

      Wie konn­te er das nur tun?

      »Er kann nicht aus frei­en Stü­cken ge­gan­gen sein«, kam es ihr mit ei­nem Mal in den Sinn. »Nie­mals! Er kann sich nie und nim­mer frei­wil­lig der­art von mir di­stan­ziert ha­ben. Er liebt mich. Er liebt mich im­mer noch!«

      Die na­gen­de Frus­tra­ti­on wich hei­ßem Zorn. Denn nun füg­te sich ganz all­mäh­lich ein Ge­samt­bild in ih­rem Kopf zu­sam­men. Ein Ge­samt­bild, zu­sam­men­ge­setzt aus vie­len klei­nen Ein­zel­tei­len, wie ein Puzz­le.

      Ih­re Ge­dan­ken über­schlu­gen sich: »Er ist gar nicht von mir fort­ge­gan­gen. Er hät­te mich kei­nes­falls ver­las­sen. Nicht so! Nein, nicht nach all­dem! Man hat ihn da­zu ge­trie­ben! Sie und sei­ne ver­damm­te Pflicht ha­ben ihn mir weg­ge­nom­men! – Ja, man hat ihn höchst­wahr­schein­lich so­gar da­zu ge­zwun­gen! Er ist ein Op­fer sei­nes Stan­des, ein be­dau­erns­wer­tes Op­fer!«

      Ent­schlos­sen stand sie auf.

      Ihr wur­de der Mann ge­nom­men und das wür­de sie nie­mals ver­zei­hen.

      Früh­lings­ge­füh­le

      Lo­a­na staun­te nicht schlecht, als ihr frisch an­ge­trau­ter Ehe­mann be­hän­de über die Re­ling sprang, um das Se­gel­boot am Flus­s­ufer zu ver­täu­en.

      Ob­wohl selbst El­fe, war es ihr im­mer wie­der ein Ver­gnü­gen, sei­nen an­mu­ti­gen und zu­dem blitz­schnel­len Be­we­gun­gen zu fol­gen, da­bei das Mus­kel­spiel un­ter sei­nem en­gen dunk­len Hemd zu be­ob­ach­ten. Das schul­ter­lan­ge schwa­r­ze Haar weh­te wild bei sei­nem Sprung, trotz des Re­gens. Ei­ne Po­se, die ih­res Er­ach­tens aus­ge­spro­chen gut zu Vi­tus pass­te.

      Weil er sie da­nach mit ei­nem für ihn so ty­pi­schen in­ten­si­ven Blick be­dach­te, wur­de ihr er­neut warm ums Herz. Sie lieb­te Vi­nie­stra Tus­te­rus, ge­nannt Vi­tus, Kö­nig des west­li­chen El­fen­rei­ches und ihr Ehe­gat­te.

      Ein leich­tes Frös­teln hol­te sie aus ih­ren Träu­men. Sie rieb sich die Ar­me.

      »Brrr, ist das kalt hier«, flüs­ter­te sie und mach­te sich dar­an, auch von Bord zu ge­hen.

      »Lo­a­na!« Vi­tus gab ihr einen flüch­ti­gen Kuss, be­vor er sie auf sei­ne Ar­me hob. Sie muss­te au­to­ma­tisch blin­zeln, denn die­ses Mal war er zu schnell für ih­re Au­gen ge­we­sen. »Du soll­test doch war­ten, bis ich wie­der bei dir bin, mei­ne Ke­ned

      Seit dem ers­ten Ken­nen­ler­nen vor ein paar Mo­na­ten im Herbst nann­te er sie so: Ke­ned. Sie moch­te die­sen Ko­se­n­a­men sehr, stamm­te er doch aus ih­rer Hei­mat, der Bre­ta­gne, und be­deu­te­te so viel wie Schön­heit.

      Lie­be­voll trug er sie auf der be­reits an­ge­leg­ten Plan­ke von Bord, stell­te sie vor­sich­tig an Land auf die Fü­ße und strich mit ei­ner Hand über die Wöl­bung ih­res Bau­ches, wo­bei er sie in­nig küss­te.

      »Will­kom­men zu Hau­se, mei­ne Kö­ni­gin.« Dann hock­te er sich nie­der und leg­te den Kopf an ih­ren Bauch. »Und will­kom­men, ihr bei­den. Könnt ihr wohl den Un­ter­schied zwi­schen den schwan­ken­den Die­len an Deck und dem fes­ten Bo­den un­ter den Fü­ßen eu­rer Mut­ter un­ter­schei­den?«

      Er sah zu ihr auf und sein Blick brach­te sie zu­rück zur bre­to­ni­schen See. Dort, an der Gren­ze zum süd­li­chen El­fen­reich, wo sie sich auf ih­rer Rü­ck­kehr von der Hoch­zeits­rei­se noch ein­mal und die­ses Mal ein we­nig län­ger auf­ge­hal­ten hat­ten. Vi­tus‘ Au­gen

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