Sonnenwarm und Regensanft - Band 4. Agnes M. Holdborg

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Sonnenwarm und Regensanft - Band 4 - Agnes M. Holdborg

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ge­noss es in vol­len Zü­gen, mit Vi­tus durch die en­gen Gas­sen und über die ge­schäf­ti­gen Plät­ze des El­fen­or­tes Pal­la­mee zu spa­zie­ren. Ei­nem Ort, wo es an je­der Ecke et­was Neu­es zu ent­de­cken gab. Sie kauf­te Kräu­ter und Ge­wür­ze auf dem Markt und ei­ne wun­der­schö­ne Va­se aus kunst­voll ge­bla­se­n­em Glas, in des­sen iri­sie­ren­dem Wi­der­schein al­le Fa­r­ben des Re­gen­bo­gens schil­ler­ten.

      Vi­tus ließ es sich nicht neh­men, sie in einen der zahl­rei­chen Schmuck­lä­den zu zie­hen, um ihr dort ei­ne kost­bar ge­ar­bei­te­te Ket­te zu kau­fen. Ein Schmuck­s­tück, das sie mit sei­nen auf­wen­di­gen Or­na­men­ten so­wie kunst­voll ein­ge­las­se­nen Edel­stei­nen ihr rest­li­ches Le­ben lang an die­se Hoch­zeits­rei­se er­in­nern wür­de.

      Weil Vi­tus au­ßer dem kö­nig­li­chen Amu­lett und sei­nem Ehe­ring kei­nen Schmuck zu tra­gen pfleg­te, ließ Lo­a­na mit ei­nem Mal sei­ne Hand los, um ge­schwind in ein win­zig klei­nes Krims­krams­ge­schäft zu hu­schen und kurz dar­auf mit ei­nem Paar Lei­nen­schu­hen in grel­len Fa­r­ben und mit wir­rem Za­cken­mus­ter wie­der zu er­schei­nen. Zu ih­rer Ver­blüf­fung zog er sie so­fort an, und das, ob­wohl er wie so vie­le El­fen­män­ner Schu­hen über­haupt nichts ab­ge­win­nen konn­te. Die­ses Ex­em­plar wirk­te der­art gro­tesk ko­misch an sei­nen Fü­ßen, dass bei­de noch lach­ten, als sie zu­rück an Bord wa­ren.

      Dort wich das La­chen au­gen­blick­lich wil­den Küs­sen, in­ni­gen Lie­bes­schwü­ren und auf­wal­len­der Lei­den­schaft. Die­se Lei­den­schaft kann­te kei­ne Gren­zen. Sie schenk­te ih­nen ei­ne Er­fül­lung, von der sie hoff­ten, dass sie stets ein we­nig un­er­füllt blie­be, da­mit sie sich stets noch mehr da­von ge­ben konn­ten.

      An man­chen Ta­gen ver­lie­ßen sie das Boot über­haupt nicht, ge­nos­sen Son­nen­auf­gang wie auch -un­ter­gang glei­cher­ma­ßen, lieb­ten sich im­mer wie­der und ver­wöhn­ten ein­an­der zwi­schen­durch mit den Köst­lich­kei­ten, die Wo­nu, der Koch und ein­zi­ge Be­diens­te­te, der sie be­glei­te­te, vor­be­rei­tet hat­te.

      Es war bis zu die­sem Zeit­punkt wirk­lich ei­ne durch und durch wun­der­vol­le Hoch­zeits­rei­se.

      Trotz­dem hob Vi­tus nach vier­zehn Ta­gen Lo­a­nas Kinn an und mus­ter­te sie, be­vor er ihr schlicht er­klär­te: »Auf geht‘s, Ke­ned, zu­rück zur bre­to­ni­schen Küs­te. Ich den­ke, dort gibt es noch so al­ler­hand, was du mir gern zei­gen möch­test.«

      Wie gut er sie kann­te, dach­te Lo­a­na.

      So ver­brach­ten sie noch ei­ne Wo­che an den Or­ten, an de­nen Lo­a­na vor lan­ger Zeit mit ih­ren El­tern ge­lebt hat­te, be­vor die­se bei ei­nem Boo­ts­un­fall ums Le­ben ge­kom­men wa­ren. Vi­tus‘ Vor­schlag, auch ih­ren Schwa­ger Ewen und des­sen Frau Ar­mel­li­ne zu be­su­chen, lehn­te sie al­ler­dings rund­weg ab. Die Er­in­ne­rung an ih­ren er­mor­de­ten ers­ten Ehe­mann Tan­guy schmerz­te noch im­mer, wes­halb sie die Ge­gend, in der sie mit ihm ge­lebt hat­te, lie­ber mied.

      Al­les an­de­re je­doch er­füll­te ihr Herz mit rei­ner Freu­de. Wenn sie dar­an zu­rück­dach­te, konn­te sie die sa­l­zi­ge Luft schme­cken und das Brau­sen des Mee­res, die kla­gen­den Schreie der Mö­wen hö­ren. Es war, als wä­re sie wie­der klein und ihr Va­ter wür­de ihr zei­gen, wie man die Se­gel raff­te oder die Net­ze aus­wa­rf, wäh­rend ih­re Mut­ter sich um den letz­ten Fang küm­mer­te oder sie in die Heil­kunst ein­wies.

      Auch an Land hat­te sie ih­ren Spaß, konn­te sie Vi­tus doch noch ein­mal in al­ler Ru­he zei­gen, wo auf dem schrof­fen Fels der Klip­pen die sel­te­nen Kräu­ter wuch­sen, von de­nen sie ihm schon so oft er­zählt hat­te. Sie nutz­te die Ge­le­gen­heit, gleich einen Korb voll zu pflü­cken. Zu­dem grub sie ein paar be­son­de­re Ex­em­pla­re aus, weil sie die­se im hei­mi­schen Gar­ten an­pflan­zen woll­te. Na­tür­lich ha­lf Vi­tus ihr da­bei, denn sei­ner Mei­nung nach durf­te sei­ne schwan­ge­re Frau kei­ne solch schwe­re Ar­beit ver­rich­ten.

      Sie er­in­ner­te sich noch ge­nau dar­an, wie sie mit dem Korb in der Hand auf den von Pflan­zen über­sä­ten Klip­pen über das to­sen­de Meer schau­te und der Wind an ih­ren Haa­ren zerr­te. Trotz­dem emp­fand sie es als Strei­cheln. Zum Ab­schied be­glei­te­ten Del­fi­ne und Mö­wen das Boot, wäh­rend sie einen letz­ten Blick auf die sanft ge­schwun­ge­nen Dü­nen und ma­le­ri­schen Buch­ten wa­rf, be­vor das nächs­te Por­tal sie fort­trug. …

      Bei der Er­in­ne­rung an die­sen spek­ta­ku­lä­ren Oze­an lä­chel­te Lo­a­na, wuss­te sie doch, dass sie ihn je­der­zeit in den Au­gen ih­res Man­nes wie­der­fand. Noch ein­mal seufz­te sie mit ei­nem se­li­gen Lä­cheln.

      »Ja, wir sind wie­der zu Hau­se.«

      ***

      An­nas Sehn­sucht nach ih­rer som­mer­li­chen Lieb­lings­stel­le im na­he­ge­le­ge­nen Wald wuchs von Tag zu Tag. Der Ge­dan­ke an die klei­ne Lich­tung mit der gro­ßen Bir­ke, an die­ses be­son­de­re Licht mit sei­nen Sil­ber- und Gold­re­fle­xen, wel­ches die Son­ne dort in die grü­nen Bäu­me und den be­moos­ten Bo­den hin­ein­wob, so wie sie es aus­schließ­lich im Som­mer ver­moch­te, ließ sie nicht mehr los.

      Al­ler­dings war es jetzt im April noch viel zu früh für Som­mer­sehn­sucht. Au­ßer­dem ließ ge­ra­de in die­sem Jahr der Früh­ling lan­ge auf sich war­ten. Erst seit ein paar Ta­gen gab es end­lich wie­der Son­nen­schein, nicht ge­ra­de viel und nur mä­ßig warm. Aber im­mer­hin brach­te er die Na­r­zis­sen und Trau­ben­hya­zin­then, die An­nas Mut­ter vier Wo­chen zu­vor so lie­be­voll auf dem Bal­kon in Kü­bel ge­pflanzt hat­te, doch noch zum Blü­hen. Auch die be­reits ver­lo­ren ge­dach­ten Ver­giss­mein­nicht, Bel­lis und Pri­meln hat­ten sich auf­grund der wär­me­n­den Son­nen­strah­len er­holt und leuch­te­ten wie­der in fröh­li­chen Fa­r­ben. Nie­mand aus der Fa­mi­lie hat­te mehr da­mit ge­rech­net, dass sich über­haupt noch ein Fünk­chen Le­ben in den Blu­men­trie­ben reg­te. Denn der spä­te Frost hat­te selbst das Rhein­land, und so­mit auch den Bal­kon der in der Nä­he von Düs­sel­dorf le­ben­den Fa­mi­lie Nell, über al­le Ma­ßen lang im ei­si­gen Griff ge­hal­ten. Ei­ne ge­fühl­te Ewig­keit lang.

      Nun stand An­na auf dem Bal­kon, ließ sich das Ge­sicht ge­ni­e­ße­risch von der Son­ne be­schei­nen und da­bei ih­re Ge­dan­ken trei­ben. Ob­gleich die Er­in­ne­rung an die bit­te­re Käl­te und Näs­se, die be­son­ders am Tag des ka­len­da­ri­schen Früh­lings­be­ginns im ge­sam­ten Land ge­herrscht hat­ten, sie ei­gent­lich frös­teln las­sen müss­te, glitt ein Schmun­zeln über ih­re Lip­pen. Sie hat­te in gar nicht so gro­ßer, den­noch un­end­lich wei­ter Ent­fer­nung, un­ter wär­me­n­der Früh­lings­son­ne die Hoch­zeit des Va­ters ih­res heiß­ge­lieb­ten Freun­des Vik­tor ge­fei­ert. Ei­ne ganz be­son­de­re Hoch­zeit. Ei­ne Hoch­zeit im El­fen­land.

      … Am zwan­zigs­ten März, zu Früh­lings­be­ginn, fand die­se Hoch­zeit des Kö­nigs des west­li­chen El­fen­rei­ches statt. Trotz der frü­hen Jah­res­zeit ga­ben sich Vi­tus und sei­ne Braut Lo­a­na

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