Die Villa. Jacques Varicourt

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Die Villa - Jacques Varicourt

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Ja, aus Marc Hyatt war anscheinend wieder Markus Handke geworden. Carina, die übrigens nur vier Jahre älter war als ich, bot mir von sich aus das „du“ an, weil früher, als sie unser Hausmädchen war, da musste ich immer und ewig „Fräulein Lorenz“ zu ihr sagen, das war nun vorbei, wir unterhielten uns von gleich zu gleich. Herrlich. Bei einem steifen Grog mit viel Rum begannen wir beide zu erzählen. Ich fing an und hörte nicht mehr auf, ich überschüttete sie mit Fragen, ich verlor ein wenig die Kontrolle über meine ungezügelte Wissbegier, aber sie zeigte Verständnis und lächelte mich mit glänzenden Augen an. Schön war sie geworden, viel schöner als in meiner Erinnerung, die sich mit einem Tropfen Verklärung, noch ein bisschen erhöhte über alles Begehrenswerte, was ich schon immer für Carina empfunden hatte. Damals als ich zwölf war und sie sechzehn, da kam sie mir viel älter und erwachsener vor als jetzt, denn jetzt saß mir ein Engel gegenüber der den Krieg überlebt hatte. Sie erzählte mir, dass sie im Jahre 1915 verlobt gewesen war, doch ihr Verlobter fiel in Frankreich; uns in den USA, hatte sie nie davon geschrieben, sie wollte es einfach nicht. Außerdem erfuhr ich, dass sie von meinem Vater, bis zu seinem Tod, regelmäßig Geld erhalten hatte, für sich, für die Instandhaltung der Villa, für Medikamente und Lebensmittel. Mein verblichener Vater wollte somit erreichen, dass er, wenn wir mit ihm zurückkehren würden aus Amerika, dass dann alles so sein sollte wie an dem Tag, als wir es verlassen hatten. Und die letzte Bankanweisung war dermaßen hoch gewesen, dass noch mehrere tausend Dollar auf Carinas Konto waren.

      „Dein Vater wusste, dass er sterben würde, die Sorgen über den Verlust der Heimat, die anfänglichen Schwierigkeiten in der Neuen Welt, der Aufbau der Firma, seine Frauengeschichten und vieles mehr, all das hat ihn letzten Endes krank werden lassen, es war, mit Verlaub, eine Geschlechtskrankheit an der dein Vater gestorben ist; er war ein Schürzenjäger, nicht nur in Hamburg, sondern auch in Amerika gewesen.“ Für mich war das zwar alles nichts Neues, aber ich freute mich, dass Carina, trotz ihres Wissens, in ihren Briefen an uns, mit solchen Sachen, Gnade vor Recht hatte walten lassen. Denn die nach außen hin funktionierende Ehe meiner Eltern, stand in der Tat „zeitlebens“ auf dem Prüfstand, durch die zahllosen Eskapaden und Affären meines Vaters. Und das Vertrauen welches mein Vater Carina entgegen gebracht hatte, zeigte lediglich, dass er darüber hinaus nur noch mich hatte der zu ihm hielt, wenn er über die Stränge schlug und anschließend nach Verständnis suchte. Evelyn - meine streitsüchtige und ständig unzufriedene Mutter, hatte sich, zusammen mit meiner Schwester Melanie, eines Tages verbündet und sich gegen mich, meinen Vater und Carina gestellt, nicht im offenen Kampf, es wurde nicht gefochten, nicht einmal gedroht, aber die verbalen Spitzen und die Sticheleien waren nicht zu übersehen und zu überhören gewesen. Bei Ausflügen an die Elbe, an denen auch Carina mit teilnehmen durfte, kam es des Öfteren zu Zickigkeiten, welche meine Mutter, geschickt und ganz unauffällig, in Szene gesetzt hatte. Es ging dabei wirklich nur um kleinste Kleinigkeiten, aber eben diese trafen jedes mal ins Ziel – des oder der Betroffenen. Für meinen Vater war Carina die gute Tochter, mit Benimm und Anstand, so eine Tochter hatte er sich immer gewünscht. Für meine Mutter jedoch war Carina nur eine ausgekochte Konkubine, die sich in schamlosester Weise an den Herrn des Hauses heranschmiss, um die eigentliche Dame des Hauses auszustechen, sie gar zu kompromittieren und zu demütigen. Natürlich war das kompletter Blödsinn, aber meine Mutter, meine Schwester, ja selbst des Hauses Chauffeur „Albert“ ließen immer mal wieder die ein- oder die andere Gemeinheit, auf Veranlassung von meiner Mutter, gegen Carina los. Doch unter dem Schutz meines Vaters hatte sie nichts zu befürchten gehabt. Und auch ich stellte mich, trotz meines jugendlichen Alters, immer wieder vor Carina, wenn sie gelegentlich weinend in der Küche unserer Villa saß und aufhören wollte, weil sie meine irre Mutter und die bisweilen unausstehliche Melanie nicht mehr ertragen konnte und wollte.

      Im Nachhinein frage ich mich manchmal: Wer hat Carina eigentlich mehr geliebt, ich oder mein Vater? Auch wenn unsere Liebe zu ihr von grundsätzlich unterschiedlicher Natur war. Körperlich war mein Vater nie an sie herangetreten, seine Selbstachtung verbot ihm das wahrscheinlich; aber er hätte es auch aus Prinzip nicht getan, denn er wünschte sich insgeheim, dass „ich“ sie eines Tages ehelichen würde, damit „sie“ in seiner Nähe sein könnte. Doch durch den Kriegsausbruch wurde sein Plan vereitelt; und Carina, gegen den Willen ihres Vormundes nach Amerika zu holen, nein, auch das entsprach nicht seinem Stil, also schrieb er ihr mit väterlicher Fürsorge - und das, obwohl sie längst schon volljährig war. Aber er vertraute ihr eben so vieles an, nicht zuletzt die Villa, die vielleicht auf mich und Carina gewartet hatte, damit wir in ihr glücklich werden. Doch, wer weiß das schon so genau? Wenn höhere Gewalt eine Mitentscheidung trifft, die man nicht vorher sehen konnte - unabhängig von Krieg oder von Frieden, Liebe oder Hass, Glück oder Unglück, oder wie in unserem Fall von Bestimmung, denn anders konnte ich mir die Umstände, die mich in die Arme von Carina führten, nicht erklären. Es hatte längst schon zwischen uns gefunkt, wir wussten, was wir von einander zu erwarten hatten, aber wir hatten es nur noch nicht ausgesprochen. Unsere Blicke trafen sich in den Augen des anderen, wir waren so angenehm überrascht, so beseelt, so erfreut, dass wir uns gefielen, ja, es war die Liebe die in unsere Herzen eingedrungen war. Wir hatten aufeinander, ohne dass wir es wussten, gewartet, gesucht, probiert und letzten Endes waren wir uns wieder begegnet, weil die Kraft der Liebe die Ewigkeiten überdauert. Mein Vater musste es, ohne jeden nur erdenklichen Überschwang, geahnt haben, dass wir uns eines Tages finden und lieben würden.

      Für Carina waren die vergangenen Jahre entbehrungsreicher und hoffnungsloser gewesen als für mich, sie wurde zwar durch die Bankanweisungen aus den USA versorgt, aber sie hatte keine Familie mehr die zu ihr hielt in den Zeiten des Krieges. Ihre Eltern waren viel zu früh verstorben, Geschwister gab es nicht, Onkel und Tanten hatten ebenfalls das Zeitliche gesegnet. Nur ihr fester Glaube, an das Ende allen Übels, der hatte geholfen. Und sie hatte ohne einen Mann an ihrer Seite: die Steckrübenwinter, die Rationierungen, den Anblick der unzähligen Verstümmelten, all das Furchtbare irgendwie gemeistert, ohne dass ihre Seele daran zu Schaden gekommen war. Carina war mit einem unglaublichen Willen von Gottes Gnaden ausgestattet, sie war, im Gegensatz zu früher, in sich ruhend, sie hatte sich in den Notzeiten der Angst, die durch das Alleinsein hervorgerufen worden waren ein dickes Fell zugelegt. Meine anfänglichen Befürchtungen, dass es ihr nicht gut ergangen wäre, während unserer Abwesenheit in den Vereinigten Staaten, waren somit grundlos gewesen. Ich hatte auch den Eindruck, dass sie sich, um mich, mehr gesorgt hatte, als ich mich um sie, und als ich sie darauf ansprach, mussten wir beide lachen. Wir lachten und wir küssten uns, bevor wir uns liebten. So verlief mein erster Tag in der heimischen Villa in Nienstedten.

      Unsere Verlobung und die anschließende Heirat war nur noch reine Formsache, auch dass sie im Laufe der nächsten zwei Jahre zwei Kinder gebar, einen Jungen und ein Mädchen: Jochen und Birgit, alle diese Dinge waren von einer fast schon erschreckenden Normalität gekennzeichnet gewesen, dass ich sie nicht in einer übergewichtigen Prozedur aufführen möchte, so etwas können andere wesentlich besser, denn diejenigen, haben es meistens nötiger als man denkt. Unser Familienleben war harmonisch und es hatte sich ohne Hektik, in die Zeit der „Wilden Zwanziger“ mit eingefügt. Carina war, vorwiegend, mit den Kindern beschäftigt, ich hingegen hatte mit dem Geld aus der Erbschaft meines Vaters einige Kneipen und Restaurants erstanden, renovieren lassen und für Stammkundschaft gesorgt. Die geschlagene Nation suchte und verlangte nach Zerstreuung, ich gab ihr welche. Brot und Spiele, in bezahlbarer Höhe, so lautete meine Devise; und der Erfolg, der natürlich auch dem Personal zu verdanken war, gab meinem Slogan recht. Denn das hatte ich in Amerika gelernt, dass man nicht aufgeben darf, dass man aus den Niederlagen, und seien sie auch noch so schmerzend gewesen, etwas Positives ableiten sollte, vor allem für sich selbst. Dennoch konnte nicht jeder Nutznießer einer Epoche sein die verdrängte, die Geschehenes durch allerlei Mittelmäßigkeiten nur stützte und nicht neu erschuf, Tanz und Rausch genehmigten sich nur diejenigen die ohnehin schon immer fest im Sattel der Mitläufer saßen. Wer etwas hatte, der hatte es auch schon zuvor gehabt, der fing zwar für sich neu an, und ließ sich bestaunen und bewundern, aber die verkrüppelten Schachfiguren, welche durch Zucht und Ordnung zum Gehorsam erzogen worden waren, nein, diese hungerten, in Gruppen, vorm Staatsgebäude, einsam und verlassen, in ihren zerlumpten Klamotten, vor sich hin. Sie waren einzig und allein durch ihre Verkrüppelung noch weniger Wert als vor dem Krieg, der „so vielen“ ungeahnten Wohlstand und Reichtum

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