Mechanical. Jay Baldwyn
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„Das kann ich nicht sagen. Ich sehe nur eine dunkelhaarige Frau, die schon in der Nähe ist.“
„Ob es ein Unglück ist, wenn der Kerl sich einer Anderen zuwendet, sei dahingestellt. Was sehen Sie sonst noch?“
Dina berührte mit beiden Händen die Kristallkugel, die im selben Moment ihr klares Aussehen verlor und milchig undurchsichtig wurde. Deshalb spiegelte sich nicht mehr der Raum darin, sondern im Innern waberten feine Rauchschwaden oder Nebel. Trotzdem schien die Pythia etwas darin zu erkennen.
„Sie laufen einem Traum hinterher, der Ihnen viel Leid bringen wird. Ihre Karriere wird nur von kurzer Dauer sein, wenn Sie der Sucht nicht widerstehen. Und das Kind sollten Sie besser nicht zur Welt bringen.“
Das war zuviel für Tallulahs Nerven. Sie flippte völlig aus.
„Und das wissen Sie so ganz genau, ja? Woher? Aus Ihren schmierigen Karten oder der lächerlichen Glaskugel, die mir nur mein eigenes Spiegelbild zeigt, oder was? Wie können Sie von einem Kind reden, wenn ich nicht einmal schwanger bin?“
„Sie haben mich um Rat gefragt“, sagte Dina. „Ich bin nicht dazu da, etwas zu beschönigen, sondern Denkanstöße zu geben. Noch haben Sie es in der Hand, die Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken. Die Zukunft zeigt mehrere Wege auf. Es liegt an Ihnen, welchen Sie beschreiten.“
„Ach shit, alles Blah, Blah.“ Tallulah warf wütend einige Geldscheine auf den Tisch und verließ den stickigen, abgedunkelten Raum, bevor sie sich genötigt sah, handgreiflich zu werden. In ihrem kindischen Verhalten unterschied sie sich kaum von anderen Leuten, die ihr Horoskop nur dann ernst nahmen, wenn etwas Gutes darin stand.
Puh, dachte „Pythia“, heute scheint nicht mein Tag zu sein. Erst kommt diese arme Frau, der ich sagen muss, dass sie besser die Vergnügungsparks meiden sollte, wenn ihr das Leben von Mann und Kind lieb ist, und jetzt diese Furie. Wenigstens hat die Frau vorhin Fassung bewahrt und ist ruhig geblieben. Ob sie sich an meine Ratschläge hält, ist eine andere Sache.
Dina musste an die unglückselige Frau denken, der sie vor einiger Zeit etwas Ähnliches sagen musste. Auch die hatte die Warnungen scheinbar in den Wind geschlagen, wie die darauf folgenden Ereignisse bewiesen hatten. Dina hatte abgehackte Bewegungen wahrgenommen, und ein mechanisches Klicken, ohne damit wirklich etwas anfangen zu können. Erst später war ihr der Sinn bewusst geworden, als sie erfuhr, dass die verzweifelte Shirley O’ Brian behauptet hatte, in mechanischen Holzfiguren ihre kleine Familie wiedererkannt zu haben. Dina war weit davon entfernt, diese Beobachtung in das Reich der Fantasie zu verbannen. Keine wusste besser als sie, dass es da mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gab.
Elmer Jones kam mit seiner Frau Betty und dem Söhnchen Tom aus dem Steeplechase Park, der seinen Namen einem mechanischen Pferderennen verdankte, bei dem man auf Holzpferden reiten konnte, die auf sechs parallel existierenden Eisenschienen liefen. Eine weitere Attraktion waren ein Riesenrad und die „Reise zum Mond“, ein Raumschiff, das mehr wie ein Boot mit Flügeln aussah, und als Fahrsimulator diente.
Der kleine Tom trug die Eintrittskarte zum Steeplechase Park noch in seiner Hosentasche. Darauf warb eine Figur mit Kultcharakter, das Funny Face. Das Gesicht des grinsenden Mannes war nur hin und wieder leicht verändert worden, da der Prototyp vom Beginn des Jahrhunderts mit seinen zu vielen Zähnen von manchen als etwas unheimlich empfunden wurde.
Der Vergnügungspark hatte bereits eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Im Juli 1907 hatte es aufgrund einer fortgeworfenen Zigarettenkippe einen verheerenden Brand gegeben. Zusätzlich war der Feuermelder falsch bedient und der Alarm dadurch erst später ausgelöst worden. Deshalb waren große Teile des Parks, einschließlich benachbarter Gebäude ein Raub der Flammen geworden.
Nach dem Wiederaufbau ein Jahr später gab es neben dem Riesenrad zusätzlich einen Ballsaal und den Pavilion of Fun. In der wettergeschützten, stählernen Halle gab es viele Karussells und eine „Würstchenmaschine“. Draußen sorgte neben einer Achterbahn, Autoscooter und Autorennen ein Schwimmbad für Aufsehen.
Tom hatte mit Daddy Autoscooter fahren dürfen und ganz allein auf einem Kinderkarussell, denn für die beliebtesten Bahnen Barrel of Love - „Liebestonne“ und Tunnel of Love - „Liebestunnel“, die junge Pärchen zum Schmusen einluden, war er noch zu jung. Zum Abschluss wollte Elmer seinem Sprössling einen Teddy schießen, was sich schwerer als erwartet herausstellte. Betty, die ein dringendes Bedürfnis plagte, ließ ihre eifrig beschäftigten Männer für kurze Zeit allein und suchte einen der öffentlichen Aborte auf.
Als sie zurückkam, gab es keine Spur von Elmer und Tom. Der Schießbudenbesitzer meinte, die beiden zu einem der Stände weiterziehen gesehen zu haben, an denen man durch Geschicklichkeit und Zuhilfenahme eines Stoffballs Zylinder von Holzköpfen herunterwerfen konnte, aber genau konnte er es wegen des Besucherstroms nicht sagen. Um es nicht zu einfach zu machen, bewegten sich dort die bunt bemalten Köpfe mit Männergesichtern mehr oder weniger schnell von unten nach oben und zurück.
Betty war wütend, dass Elmer nicht auf sie gewartet hatte. Der konnte was erleben, wenn sie ihn eingeholt haben würde. Nur, so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte ihrem Mann und ihrem Kind nicht näher kommen. Nicht einmal von weitem waren sie zu sehen.
Langsam begann Betty unruhig zu werden, da sie sich nicht vorstellen konnte, dass Elmer so weit vorausgegangen war. Abgesehen davon, dass er sehr eifersüchtig war und sie nie lange allein ließ, schon gar nicht an solch einem Ort, liebten sie sich aufrichtig und konnten kaum ohne den anderen sein. Auch Tommy wäre doch nie mitgegangen, ohne zu wissen, dass seine Mutter ihnen folgte. Irgendetwas stimmte nicht. Entweder sie lief ihnen ständig im Kreis hinterher, oder die beiden hatten sich buchstäblich in Luft aufgelöst. Ein Gedanke, der sie erschauern ließ.
Als sie einen ähnlichen Weg wie seinerzeit Shirley O’ Brien beschritt, indem sie einen Cop um Rat fragte, musste sie sich die gleichen dummen Fragen gefallen lassen. Ob ihre Ehe glücklich sei, oder sich der holde Gatte nicht vielleicht absichtlich aus dem Staub gemacht hatte? Und ihr wurden auch ähnlich tröstende Worte zuteil. Bestimmt sei ihre Familie schon zu Hause und warte bereits. Aber genau wie Shirley wusste Betty tief in ihrem Innern, dass es nicht so war.
Die letzte Bude, an der man Bälle werfen konnte, erregte schon aus einer gewissen Entfernung Bettys Aufmerksamkeit. Dort standen ungewöhnlich viele Menschen bewegungslos, fast starr davor. Als Betty näher kam, wusste sie warum, denn in diesem Augenblick begannen einige Kinder bereits zu weinen und ihre Mütter hysterisch zu schreien. Einer der auf und ab fahrenden Köpfe, einer von denen, in deren abwechselnd offenen und geschlossenen Mund man hineinzielen sollte, hatte fast menschliche Züge angenommen. Der mechanisch betriebene Unterkiefer, der wie bei einer Kasperlepuppe ruckartig auf und zu klappte, hatte volle, natürliche Lippen und eine feuchte Zunge. Das Schlimmste waren nicht einmal die beiden dünnen Blutfäden, die an den Mundwinkeln herunterliefen, sondern die menschlichen Augen, die sich anstelle der Glasaugen im Kopf befanden. Das galt auch für die Nachbarpuppe, die deutlich kleiner war und die Züge eines Kindes trug. Als Betty erkennen musste, dass beide Elmer und Tom ähnelten, fiel sie in den Chor der schreienden Frauen ein. Nur, dass ihr zusätzlich die Beine versagten und sie kurz darauf rabenschwarze Finsternis umgab.
Die Hochzeit von Tallulah und James war vergleichsweise bescheiden ausgefallen. Außer dem Personal und Rosalind, war niemand eingeladen worden. James war viel zu geschäftstüchtig, sein Geld für derlei Feste zu verschwenden. Tallulah hatte sich gefügt und schien als Ehefrau nicht einmal unglücklich zu sein. Sie wusste sich geliebt und wurde allseits ob ihrer Schönheit und ihrer zugänglichen Art bewundert. So manch einem der Herren im Publikum bescherte sie erotische Fantasien und feuchte Träume. James wachte wie ein Zerberus über seine schöne Frau, und was ihm entging, wurde von Rosalind bemerkt, die voll