Jagd auf Cosima. Bärbel Junker

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Jagd auf Cosima - Bärbel Junker

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doch nur mal daran wie schnell dieser Schmidt van Cliff entführt hat; ebenso gut hätte er ihn auch ganz verschwinden lassen können. Diese Geheimdienste machen doch, was sie wollen. Lass lieber die Finger davon, Kind.“

      Tanja war sehr nachdenklich geworden. Wenn die Regierung gewollt hätte, dass der Film im Fernsehen gezeigt wurde, dann hätte sie dafür gesorgt. Und wenn sie jetzt den Geheimdiensten dadurch in die Quere kam, dass sie ihn an die Öffentlichkeit brachte, konnte das böse für sie ausgehen

      Mimi hatte recht. Sie tat besser daran, sich auf die schriftliche Berichterstattung zu beschränken. Sie wollte es Mimi gerade sagen, als das Telefon läutete.

      Mimi sprang auf und lief zum Tresen. „Bei Mimi“, meldete sie sich freundlich und dann ungeduldig: „Hallo? Wer ist denn da? Antworten Sie bitte! Dann eben nicht!“ Sie wollte gerade den Hörer auflegen, als ihre Hand mitten in der Bewegung erstarrte.

      „Piet?! Piet, bist du es? Was ist los mit dir? Tanja ist hier. Bist du noch dran, Piet? So melde dich doch, Junge!“, rief Mimi aufgeregt.

      Tanja eilte zu ihr und nahm ihr den Hörer aus der Hand. Zuerst war da nur Rauschen. Sie lauschte. Und dann Piets Stimme:

      „Tanja...nicht...kom...schlecht...bar...vorsicht...glaube...gift...aaaaaah!“

      „Piet?! Mein Gott, was hast du? Wo bist du?“, schrie Tanja kreidebleich in den Hörer.

      „Wohnung“, keuchte er und dann:

      „Hilf mir, Tanja! Aaaaaaaaaaah!“ Oh Gott, Connie!“, wimmerte Piet.

      „Ich komme! Halte durch!“, brüllte Tanja verzweifelt in die Hörmuschel.

      Piet keuchte und wimmerte schmerzerfüllt, versuchte aber trotzdem ihr etwas zu sagen:

      „Vors...bar...kom...killer...te...te...tel...ha...er....er...“

      Sein herzzerreißendes Gestammel verstummte.

      „Piet?! Bist du noch da, Piet?“, rief Tanja und ihre Nackenhaare sträubten sich vor Entsetzen. Sie presste den Hörer ans Ohr; hoffte seine Stimme zu hören, hoffte, dass sich alles zum Guten klärte, dass nichts Schlimmes geschehen war.

      „Piet?!“

      Nur leises Rauschen antwortete ihr.

      Tanja hob mühsam den Kopf und starrte in Mimis aschgraues Gesicht, bemerkte plötzlich Menschen, die vorher noch nicht da gewesen waren. Langsam legte sie den Hörer zurück. Und dann katapultierte sie ein plötzlicher Adrenalinstoß förmlich aus ihrer Benommenheit heraus.

      „Ich muss zu ihm!“, stieß sie hervor und sprang auf. „Sag Connie Bescheid.“ Sie hängte sich ihre Tasche über die Schulter und rannte zum Ausgang. Krachend schlug die Tür hinter ihr zu. Sie hastete zu ihrem Wagen und stieg ein. Brummend erwachte der Golf zum Leben. Mit quietschenden Reifen jagte sie davon. Sie dachte an Connie und deren innige Liebe zu Piet und daran, dass die beiden in sechs Wochen heiraten wollten.

      WAS IST MIT PIET?! schrie es in ihr; und die Angst hielt sie fest im Griff.

      WAS IST MIT PIET?!

      Dicke Schweißperlen liefen ihr übers Gesicht und verfingen sich im Kragen ihres Polo-Shirts. Sie bemerkte es nicht.

      WAS IST MIT PIET?!

      Mit kreischenden Bremsen stoppte sie den Golf vor dem roten Backsteingebäude, in dem Piet eine urige Atelierwohnung gemietet hatte. Sie hielt sich nicht damit auf den Wagen abzuschließen, sondern hastete ins Haus. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprintete sie zum Dachgeschoss hinauf. Vor der Wohnungstür blieb sie keuchend stehen.

      „Piet! Piet, mach auf“, japste sie und donnerte wie eine Verrückte mit der Faust gegen die Wohnungstür.

      Da schwang diese lautlos nach innen auf!

      Tanjas Herz setzte vor Schreck sekundenlang aus. Als es wieder zu schlagen begann, hämmerte es wie ein Vorschlaghammer gegen ihre Rippen. Zögernd trat sie in den Flur.

      „Piet, wo bist du? Was ist los?“

      Noch ein zögernder Schritt und noch einer und damit war der Bann gebrochen. Sie stürzte zum Arbeitszimmer, in dem sie das Telefon wusste, stieß die angelehnte Tür auf und – blieb abrupt stehen.

      Piet saß am Boden mit dem Rücken an den Schreibtisch gelehnt. Der Hörer lag in seinem Schoß. Seine weit aufgerissenen Augen starrten leer gegen die Zimmerdecke; in seinen Mundwinkeln klebte blutiger Schaum.

      „Mein Gott, Piet!“, flüsterte Tanja erschüttert, und das Zimmer begann sich wie ein Karussell um sie zu drehen. Mit weichen Knien wankte sie zu ihm und hockte sich neben ihn. Sie tastete nach seinem Puls, obwohl seine gebrochenen Augen die Antwort waren.

      Kein Puls! Kein Atem! Kein Leben! Nie mehr sein herzliches Lachen! Seine Freundschaft!

      PIET! Ihr Freund Piet ist tot!

      Ihr Freund Piet, mit dem sie aufgewachsen ist; mit dem sie die Schule besucht und danach studiert hat; der immer in ihrer Nähe gewesen ist; dieser Freund, den sie wie einen Bruder liebt, dieser Freund ist ... TOT! Und nichts und niemand konnten ihn ihr jemals wieder zurückgeben.

      Tanja legte den Telefonhörer auf die Schreibtischplatte, dann sank sie neben Piets leblosem Körper zu Boden und bettete seinen Kopf in ihren Schoß. Sanft strich sie über seine Augenlider, verbarg seinen gebrochenen, in Schmerz und Entsetzen erstarrten Blick.

      „Schlaf, Piet, und träume was Schönes“, flüsterte sie und streichelte sein Gesicht, das jetzt fast so friedlich aussah, als schliefe er. Nur der blutige Schaum in seinen Mundwinkeln deutete auf etwas anderes, etwas Schreckliches, Endgültiges, hin.

      Sie schaute in sein stilles Antlitz. Die Starre, die sie mit eiserner Faust umklammert hielt, löste sich, die Sperre fiel und gewährte endlich den Tränen freien Lauf.

      Stetig wie ein sanft fließender Strom rannen sie über ihr vor Schmerz erstarrtes Gesicht. Sie weinte, als könne sie niemals wieder aufhören, weinte, als wären alle Tränen dieser Welt in ihr vereint.

      Wahrscheinlich hätte sie die ganze Nacht neben Piet auf dem Boden gesessen, hätte nicht das Klingeln des Telefons sie aus ihrer grenzenlosen Trauer gerissen.

       Rrrrrrriiiiiing!

      Nein! Sie wollte mit niemandem sprechen!

       Rrrrrrriiiiiing!

      Aber das Telefon war unerbittlich! Sie erhob sich steifbeinig und taumelte gegen den Schreibtisch.

       Rrrrrrriiiiiig!

      „Ja, verdammt noch mal!“, murmelte sie und griff nach dem Hörer.

      „Ist alles in Ordnung, Tanja?“, drang Mimis besorgte Stimme aus weiter Ferne an ihr Ohr.

      Sie brachte keinen Ton hervor, stand da mit dem Hörer in der Hand und starrte verständnislos gegen die Wand. Was wollte Mimi? Was sollte in Ordnung sein?

      „Tanja, melde dich! Sprich zu mir! Was ist

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