Für Freiheit, Lincoln und Lee. Michael Schenk
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Für Freiheit, Lincoln und Lee - Michael Schenk страница 36
Lieutenant-Colonel Robert E. Lee ritt an und die Regimentsfahne, geschützt von drei ausgesuchten Sergeants des Regiments, folgte ihm dichtauf. Lee hatte eine tragende Stimme und konnte sich mühelos verständigen. Mit klarer Stimme nahm er ihnen den Eid auf die Fahne der Vereinigten Staaten ab.
Dann folgten wieder die Kommandos vom Regiment zum Zug hinunter. „Within doubling – right face.“
Die Kompanien standen in Doppelreihe. Nun würden sie gleich aus der Doppelreihe in die Viererkolonne übergehen. Die vordere Reihe ritt zwei Pferdelängen vor und ging auf Lücke, das hieß, Reiter mit gerader Nummer ritten eine Länge vor, die mit ungeraden Nummern hingegen zwei. Die hintere Reihe tat dasselbe. Automatisch lenkten sie die Pferde dann nach recht in die entstandenen Lücken hinein. Für einen Laien sah es kompliziert aus, doch innerhalb weniger Sekunden entstand aus der Doppelreihe, mit Blick nach vorne zum Zentrum des Platzes eine lange und kompakte Viererkolonne.
Dann begann die Regimentskapelle zu spielen. Den Yankee Doodle, Spanish Guard Mount, American Flag und The Girl I Left Behind Me. Sie ritten zu den Klängen von Trommeln und Pfeifen an, präsentierten vor Lee und der Regimentsfahne die Klingen und Karl Baumgart wurde bewusst, dass er nun Soldat der zweiten US-Kavallerie war.
Kapitel 10 Klare Verhältnisse
Friederike Ganzweiler mochte den Hafen und die Docks von New York nicht besonders. Es war ihr zu schmutzig und zu geschäftig, erinnerte sie an den Hafen von Hamburg. Hier gab es ausgedehnte Viertel, die von italienischen, irischen oder sonstigen Einwanderern in Beschlag genommen wurden. Eigentlich waren es eher Ghettos, denn die Bewohner hatten kaum eine Chance, sich jemals aus diesen Elendsvierteln zu lösen. Friederike blieb daher in der Mietkutsche sitzen, die ein kleines Stück erhöht stand und so eine gewisse Aussicht über den Hafen bot. Bei dem Gedränge um sich herum war sie über den Schutz froh, den das geschlossene Gefährt darstellte. Allerdings traute sie dem älteren Kutscher nicht unbedingt zu, ihre Tugend verteidigen zu können.
Friederike seufzte leise. Bislang hatte sie ihre Tugend bewahrt. Unwillkürlich dachte sie an ihre Mutter und musste lächeln. „Kind“, hatte Karolina besorgt gesagt, „es wird wirklich höchste Zeit, dass wir eine angemessene Partie für dich finden. Du bist in der Blüte deiner Jahre und du solltest ernsthaft darüber nachdenken, einem deiner Verehrer nachzugeben.“
Friederike war immer wieder erstaunt, wie sich die Auffassung ihrer Mutter in den vergangenen Jahren gewandelt hatte. Als gäbe es nun keine größere Sorge für Karolina Ganzweiler, ihre behütete Tochter endlich unter die Haube zu bekommen. An Verehrern fehlte es nicht. Selbst nicht an solchen, die ihre Mutter als standesgemäß betrachtete. Friederike war nun zu einer Frau gereift, welche die Blicke der Männer magisch auf sich zog. Noch immer strahlte sie etwas unbeschwert Mädchenhaftes aus und weckte die Begehrlichkeiten des anderen Geschlechtes auf besondere Weise. Es gab eine Reihe junger und auch älterer Herren der New Yorker Gesellschaft, die ihr mehr oder minder offen den Hof machten, doch Friederike fühlte sich zu keinem von ihnen hingezogen. Während ihre Mutter darüber zu verzweifeln begann, stand ihr Vater Josef jedoch bei.
„Meine Lieben“, erklärte Josef treuherzig, wenn Karolina wieder über Friederikes Ehelosigkeit in Verzweiflung ausbrach, „ich bin ein Kaufmann und bin es gewohnt, in kühlen Zahlen zu kalkulieren. Aber ich versichere euch, diese, unsere Welt, wäre arm ohne Poesie, und was wäre poetischer, als die liebende Vereinigung zweier Herzen?“
Josef sah Karolina dann immer auf eine Art an, die Friederikes Mutter zum schmelzen brachte. In diesen Momenten spürte die junge Frau, dass ein starkes gefühlsmäßiges Band zwischen ihren Eltern bestand, so unterschiedlich diese mitunter auch zu sein schienen.
An diesem Sommertag verspürte sie Poesie in ihrem Herzen, denn sie hatte zufällig gehört, dass die Celeste in New York einlaufen würde und als sie dies erfuhr, sah sie vor ihrem geistigen Auge das schüchterne Lächeln eines schottischen Schiffsoffiziers. Sie glaubte Timothy Arguilles Stimme zu hören. Der Name Celeste und der Gedanke an Timothy Arguille brachte eine Seite in ihr zum klingen, die sie kaum kannte und die sie daran erinnerte, wie sie einmal für Friedrich Baumgart empfunden hatte.
So war sie unter einem Vorwand aus dem Haus der Eltern gegangen, hatte die Mietkutsche angehalten und war zum Hafen gefahren. Nun saß sie hier in der Kutsche und ihre Nervosität stieg an. Vor zwei Stunden war R.M.S. Celeste in den Hafen New Yorks eingelaufen und die Passagiere waren bereits von Bord gegangen, die Fracht wurde entladen und Friederike fühlte eine steigende Unsicherheit. Timothy Arguille wusste nicht, dass Friederike auf ihn wartete und sie wusste nicht einmal, ob ihm dies recht sein würde. Sie hatten sich Jahre nicht gesehen. Sie hatten nicht einmal Vertraulichkeiten miteinander ausgetauscht. Doch etwas drängte sie danach, ihn wiederzusehen.
Nervös nahm sie das kleine Opernglas vor die Augen, welches sie heimlich mitgenommen hatte, und spähte zu dem Postschiff hinüber. Sie zog die Schärfe nach, bis das verschwommene Bild Konturen gewann und konnte die Celeste nun besser erkennen. Sie sah ein Beiboot vom Schiff ablegen und glaubte, blau uniformierte Seeoffiziere zwischen einigen Matrosen zu erkennen. Ob einer von ihnen Timothy Arguille war? Sie konzentrierte sich auf die näher kommende Pinasse der Celeste und ihre Unsicherheit wuchs, als sie ihn zu erkennen glaubte. Ja, ja, jetzt sah sie ihn deutlicher und es war Arguille. Das Herz schlug ihr bis zum Halse.
Für einen Moment kam sie sich lächerlich vor, hier, versteckt in einer Kutsche sitzend, in den Hafen hinunter zu spähen und einen Mann zu beobachten, der vielleicht gar nichts von ihr wissen wollte. Sie setzte das Opernglas ab und klopfte mit dem Sonnenschirm an das Kutschendach.
„Madam?“ Der Kutscher beugte sich mit fragendem Gesichtsausdruck zu der kleinen Scheibe, die zwischen Innenraum und Kutschbock angebracht war und die mit einem Schieber geschlossen werden konnte.
„Wissen Sie, wo die Boote der Celeste anlegen?“
Der Kutscher nickte. „So ungefähr. Wollen Sie hin, Madam?“
Sie nickte aufgeregt und der Kutscher fuhr an. Die Strecke war nur kurz und jeder zurückgelegte Meter steigerte Friederikes Nervosität. Lieber Herrgott, was tat sie hier nur? Stellte sich an wie ein kleines Mädchen. Sie umklammerte Sonnenschirm und Opernglas, als würden die Gegenstände ihr Halt geben. Sie bemerkte dass die Kutsche langsamer wurde, als sie nun das geschäftige Treiben des Hafens erreichten.
„Wo legen die Boote von der Celeste an?“, hörte sie den Kutscher fragen.
„Noch ein Dock weiter, guter Mann“, hörte sie eine Stimme, die ihr so schrecklich bekannt vorkam.
„Halten Sie an!“, rief sie hastig, als die Kutsche an dem Sprecher vorbeifuhr. Ja, das war Timothy Arguille. Oh Gott, er war es wirklich. „Anhalten!“ Als die Kutsche hielt, war der junge Seeoffizier schon ein Stück weitergegangen und Friederike riss hastig den Schlag auf. „Leutnant Arguille!“
Sie sah, wie er stutzte und verharrte. Verwirrt sah er sich um und als er sie erkannte, wurde sein Blick ungläubig. Dann bildeten sich die ihr so bekannten Grübchen auf seinen Wangen, als er breit lächelte. Während er näher trat, stieg Friederike aus der Kutsche. Dann standen sie sich gegenüber, sahen sich einen Moment schweigend und gleichermaßen unsicher an.
„Hallo, zweiter Offizier Timothy Arguille“, sagte Friederike schließlich. „Ich hoffe, Sie erkennen mich noch.“
„Erster Offizier“, korrigierte er unbewusst