Metastasen eines Verbrechens. Christoph Wagner

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Metastasen eines Verbrechens - Christoph Wagner Heidelbergkrimi

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muss der Mord zwischen 9 Uhr 35 und 9 Uhr 45 begangen worden sein, also ein sehr kleines Zeitfenster. Leider hat er niemanden beobachtet, der ihm irgendwie verdächtig vorgekommen wäre. Ich habe hinterher die Mitarbeiter des Museums befragt. Dabei ist nichts weiter herausgekommen. Sie waren nur alle fürchterlich beleidigt, als ich auch nur die Möglichkeit andeutete, der Täter könnte auch einer von ihnen sein. Ein gewisser Pflaumer hat sich besonders lautstark aufgeregt und der Herr Direktor warf mir Wildwest-Methoden vor. Zur Videoüberwachungsanlage: Michael, du wolltest dich darum kümmern. Was ist dabei herausgekommen?“

      „Nichts, was uns direkt weiterbringt, aber vielleicht doch der Schlüssel für den Fall.“

      „Du sprichst in Rätseln“, meinte Martina Lange und sah ihn fragend an.

      „Die Sache ist auch äußerst rätselhaft. Und angesichts der Reaktion von Pflaumer und Semmelroth wird sie noch rätselhafter. Als ich die Aufnahmen ansehen wollte, stellte sich heraus, dass die Überwachungsanlage um 9 Uhr 34 ausgeschaltet wurde und ab 9 Uhr 47 wieder an war.“

      „Von wo wird die Anlage gesteuert?“, fragte Travniczek dazwischen.

      „Es gibt zwei Schalter. Einer ist im Büro des Museumsdirektors, der andere am Tresen im Foyer. Der Direktor sagt aus, er sei während der ganzen Zeit im Büro gewesen, und Pflaumer, der Mann im Foyer, will ungefähr in dieser Zeit für einige Minuten auf der Toilette gewesen sein.“

      „Selbst wenn dieser Mensch kurzzeitig nicht am Tresen stand“, warf Travniczek ein, „ist es vorstellbar, dass jemand Fremdes an den Tresen gegangen ist, um die Videoüberwachung aus- und vor allem auch wieder einzuschalten? Der oder die Täter waren ja sicherlich sehr dreist. Aber so etwas?“

      „Das halte ich für nahezu ausgeschlossen“, bemerkte Lange.

      „Das bedeutet aber“, setzte Travniczek seinen Gedankengang fort, „der Täter muss einen Komplizen unter den Museumsmitarbeitern haben.“

      „Und zwar am ehesten diesen Herbert Pflaumer, der im Foyer Dienst hatte“, meinte Brombach.

      „Oder den Herrn Direktor höchstselbst“, warf Lange süffisant ein.

      „Aber warum regen sich gerade diese beiden so sehr auf, wenn ich von einem möglichen Täter unter den Museumsmitarbeitern rede?“, fragte Travniczek.

      „Der getroffene Hund bellt“, stellte Brombach fest.

      „Ich muss stören“, unterbrach Frau Siebert ihre Unterredung. „Eine Merle Blattau hat angerufen, sie sei die derzeitige Lebensgefährtin von Benjamin Lewandowski. In die Wohnung und das Büro sei eingebrochen und dabei eine ziemliche Verwüstung angerichtet worden.“

      „Mist! Da war jemand schneller als wir. Ich gehe da jetzt sofort hin“, verkündete Travniczek, „und ihr überprüft diesen Pflaumer – und den merkwürdigen Herrn Direktor. Sucht nach Verbindungen zu Lewandowski und weiteren Anhaltspunkten, ob die mit dem Mord irgendetwas zu tun haben könnten. Breithaupt, Sie kommen bitte so schnell wie möglich nach. Und denkt auch noch einmal über das Asylbewerberheim nach. Ich will die Kerle unbedingt kriegen.“

      Er nahm noch einen kräftigen Schluck Kaffee und verschwand.

      *

      Travniczek ging nachdenklich zu seinem Wagen. Wenn der Mord an Lewandowski mit dessen Aussage vor vier Tagen zusammenhing, dann war er mit schuld. Dann hatte er die Brisanz der Aussage unterschätzt. Aber war es denn denkbar, dass dieser alte Mann aus dem Michaelistift der Täter ist? Wohl kaum. Hatte dann dieser Fries einen Killer beauftragt? Die Kaltblütigkeit der Tat könnte darauf hindeuten. Oder – Fries war nicht allein. Es gab noch andere, die Angst hatten, Fries könnte enttarnt werden. Aber das konnten doch nicht alles alte Männer sein. Er war also mitten in den Neonazisumpf hineingeraten. Hatte der Mord an Lewandowski vielleicht sogar irgendwie mit dem Anschlag auf das Asylbewerberheim zu tun? War dieser ominöse Reiterhof der Schlüssel?

      Ekel stieg in ihm hoch. Er hatte in München einmal einen Fall in diesem Milieu gehabt. Mit Grauen erinnerte er sich an die Vernehmungen, denn selten hatte er so viel Menschenverachtung erlebt. Ganz normale Berufsverbrecher waren ihm da sehr viel lieber.

      Aber vielleicht sorgte er sich umsonst und der Mord hatte ganz andere Gründe. Doch sein Bauch sagte ihm, dass das nicht stimmen konnte.

      Er brauchte unverhältnismäßig lange zur Wohnung von Lewandowski in der Friedrichstraße, denn er hatte sich verfahren. Er wusste nicht, dass die Plöck* nach der Märzgasse ein Stück weit Fußgängerzone ist, und musste so einen großen Umweg machen.

      Das Haus in der Friedrichstraße, in dem Lewandowskis Wohnung und Büro lagen, schien Travniczek noch aus dem 18. Jahrhundert zu stammen. Die reichverzierte Eingangstür stand offen. In der ersten Etage fand er eine Wohnungstür nur angelehnt, das Schloss herausgebrochen. Profis waren das sicher nicht, dachte er, und läutete. Da niemand reagierte, öffnete er die Tür vorsichtig einen Spalt. Da kam eine Frau auf ihn zugelaufen und schrie ihn an: „Was unterstehen Sie sich, hier einfach einzudringen!“

      Travniczek registrierte kurz: Mitte vierzig, lange blonde Haare, intensiv geschminkt, enganliegende schwarze Designerjeans, knappes hellrotes T-Shirt, nabelfrei, nichts drunter, beeindruckender Busen.

      Durchaus etwas verwirrt zeigte er seinen Ausweis, kam aber nicht dazu sich vorzustellen, da die Frau ihn sofort mit einem aggressiven Wortschwall attackierte: „Ach, die Polizei! Warum dauert das so lange, bis hier endlich jemand kommt? Vor fast einer Stunde habe ich angerufen, es ist wirklich unerhört! Ich wette, wenn irgendein Kümmeltürke angerufen hätte, wären Sie nach zehn Minuten mit einem Dutzend Leuten da gewesen.“

      Travniczek sah instinktiv auf die Uhr und stellte fest, dass er vor exakt sechsundzwanzig Minuten von der Polizeidirektion aufgebrochen war. Er suchte, nicht ganz erfolgreich, nach seiner freundlichsten Miene.

      „Travniczek mein Name. Sie müssen entschuldigen. Ich kann Ihnen versichern, wir tun unser Bestes, haben aber zu wenig Personal. Manchmal dauert es dann eben etwas länger. Aber jetzt würde ich mir gerne die Wohnung ansehen.“

      „Dann kommen Sie“, sagte sie mürrisch, trat zur Seite und ließ ihn eintreten. Hinter der Wohnungstür begann ein ziemlich langer, dunkler Flur. Gleich rechts sah er in ein großes Büro, in dem völliges Durcheinander herrschte. Auch in den weiteren Räumen war offensichtlich alles durchwühlt worden.

      „Gibt es einen Raum, der intakt ist, wo wir in Ruhe sprechen können?“

      „In der Küche ist alles heil geblieben“, sagte die Frau, die sich allmählich zu beruhigen schien.

      Sie setzten sich auf eine Eckbank, die wie die gesamte Einrichtung sicher schon weit mehr als ein halbes Jahrhundert in diesem Raum stand.

      „Dann sagen Sie mir bitte zunächst, mit wem spreche ich?“

      „Das habe ich doch schon bei meinem Anruf gesagt – Merle Blattau.“

      „Und was tun Sie in dieser Wohnung?“

      Sie sah ihn etwas verdutzt an: „Was ich hier tue? Ich wohne hier!“

      „Aber warum steht dann auf dem Klingelschild nur Lewandowski?“

      „Ach so, ich wohne noch nicht lange hier. Benjamin ist noch nicht dazu gekommen, neue Schilder anzubringen.“

      „Sie sind

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