Felsenmond. Jasmin Adam

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Felsenmond - Jasmin Adam

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wenn sie ihm daraufhin grünes Licht erteile. Dann hatte sie sich die Nummer gut eingeprägt und sowohl seinen Anruf als auch ihre Mitteilung sofort aus dem Verzeichnis gelöscht. Während sich die ersten Anrufe tatsächlich nur um unispezifische Fragen gedreht hatten, begannen beide doch bald, sich gegenseitig von ihren Familien und deren Problemen zu erzählen, und das wiederum führte dazu, dass sie sich über ihre eigenen Frustrationen und Hoffnungen austauschten. Für Sausan war das absolutes Neuland. Noch nie hatte sie mit jemandem so offen geredet, denn wenn man etwas von sich preisgab, war das Risiko groß, dass es irgendwann gegen einen verwendet werden würde. Aber mit Walid war ihr nun ein Mensch begegnet, der selbst eine ähnliche Verzweiflung wie sie im Herzen trug und hinter seinem zurückhaltenden Wesen eine Fülle von Gedanken und Träumen, aber auch Ängsten und Sorgen verbarg, die Sausan nur allzu vertraut waren.

      Oft hatte Sausan abgewartet, bis ihre Schwester und ihre Eltern eingeschlafen waren, und war dann leise in die Küche geschlichen, um Walid zu schreiben, er könne jetzt anrufen. Und dann hatte sie in eine Decke gewickelt auf dem kalten Küchenfußboden gesessen, eine Schale Bohnenbrei vor sich, als Alibi, falls doch mal jemand aufwachen und sich über ihre Anwesenheit in der Küche wundern sollte. Leise flüsternd hatte sie mit Walid über Großes und Kleines geredet, gelacht, geseufzt und manchmal mit ihm geschwiegen. Wenn er sich einige Tage nicht meldete, wurde sie sofort unruhig, konnte sich kaum mehr konzentrieren und schaute ständig auf ihrem Handy nach, ob sie nicht doch eine Sms erhalten habe. Das war schließlich ihrem Bruder bei einem seiner Besuche am Wochenende aufgefallen. Er hatte ihr daraufhin das Handy weggenommen und sämtliche Funktionen und Verzeichnisse durchgeklickt, um zu sehen, ob er etwas Verdächtiges entdecken würde.

      Faisal, Sausans großer Bruder, besuchte in Sana' a die Militärakademie, worauf seine Eltern sehr stolz waren. Seitdem er nicht mehr zu Hause wohnte, war er seinen Schwestern gegenüber aber noch misstrauischer geworden und versuchte sie durch Einschüchterungen zu kontrollieren. Außerdem erwartete er bei seinen Besuchen nicht nur, von Kopf bis Fuß bedient zu werden, sondern kritisierte auch ständig das Verhalten der Mädchen, ihre Kochkünste, ihre Kleidung, sogar ihre Art zu lachen. Und wann immer sich eine Gelegenheit bot, betonte er, dass er nichts vom Studieren seiner Schwester halte, denn dadurch käme sie nur unnötig in Kontakt mit Männern.

      Auch Sausans Handy war ihm schon lange ein Dorn im Auge. Sausan hatte innerlich gezittert, als er ihr Handy untersuchte, sich äußerlich aber gelassen gegeben. Und tatsächlich hatte Faisal nichts Verdächtiges gefunden, denn im Löschen der Kontakte zu Walid war sie immer sehr konsequent gewesen. Wenn es ihr auch manchmal enorm schwergefallen war, vor allem, wenn er ihr ein paar selbst gedichtete Zeilen geschickt hatte.

      Als Sausan jetzt sah, dass sie eine Nachricht erhalten hatte, blieb sie noch einige Minuten sitzen, bat dann jedoch, die Toilette benutzen zu dürfen. Die kleine Tochter von Sally war inzwischen etwas aufgetaut und zeigte ihr bereitwillig den Weg. Sausan staunte, als sie das Badezimmer betrat. Hier gab es eine richtige Badewanne und einen seltsamen Stuhl aus Keramik, dafür aber kein Stehklo. Und in einem Regal standen bunte Flaschen und Dosen mit den verschiedensten Cremes und Lotionen. Überhaupt war die Toilette so eingerichtet, dass man es sich gerne hier gemütlich machen würde. Sogar ein Bild hing an der Wand! Wie komisch, dachte Sausan, denn sie war es gewohnt, beim Eintritt in das Bad immer eine religiöse Beschwörungsformel als Schutz gegen die dort hausenden Dämonen zu sprechen und darauf zu achten, stets mit dem richtigen Fuß zuerst hinein- und hinauszugehen. Nun, soziologische Überlegungen waren jetzt zweitrangig, Sausan wollte wissen, was in der Sms stand. Walid schrieb nur eine kurze Zeile, er habe ein großes Problem und müsse unbedingt so bald wie möglich mit ihr reden. Sausan löschte die Nachricht, klappte das Handy zu und ging zurück zu den anderen.

      Eine halbe Stunde später befand sie sich mit Malika zusammen auf dem Heimweg. Als Sausan in den Diwan zurückgekehrt war, hatten Malika und Sally sich tatsächlich in einem Gespräch über religiöse Fragen befunden! Malika hatte Sally davon überzeugen wollen, dass die Bibel von den frühen Christen verfälscht worden sei und Allah seine Botschaft deshalb noch einmal in Form des Koran durch Muhammad auf die Welt gesandt habe. Sie hatte Sally zu erklären versucht, dass Muhammad als letzter großer Prophet der Menschheit die richtige gottgefällige Lebensform vorgelebt habe und dass seine Weisheitssprüche, die Hadithe, gemeinsam mit dem Koran als Richtschnur für alles Leben und Handeln der Menschen anzusehen seien. Nur in einer Gesellschaft, in der diese Gebote genau befolgt würden, könne man in Gerechtigkeit und Frieden leben. Sally schien diesem Dialog nicht abgeneigt zu sein, ganz im Gegenteil ging sie interessiert auf Malikas Aussagen ein, stellte jedoch auch Gegenfragen. Als Malika argumentierte, Sally solle doch Muhammad als dem zeitlich späteren Propheten mit der neueren und deshalb gültigeren Botschaft nachfolgen, wiegte Sally zweifelnd ihren Kopf. Dann forderte sie Malika heraus, sich vorzustellen, es erscheine jetzt plötzlich in China oder Indien ein Mann mit dem Anspruch, Allahs neueste Botschaft zu verkünden. Er errege in seinem Umkreis viel Aufmerksamkeit und versammele eine wachsende Anhängerschaft um sich. Seine Botschaft decke sich in etlichen Punkten mit der des Koran und er akzeptiere sogar Muhammad als früheren Propheten. Doch gleichzeitig behaupte dieser neue Prophet, fünf tägliche Gebete seien nicht genug, man müsse zu jeder vollen Stunde ein Gebetsritual vollziehen. Außerdem erlaube er die Mehrehe auch für Frauen, sodass jede Frau bis zu vier Ehemänner gleichzeitig haben könne, solange sie bereit sei, mit allen vieren abwechselnd Brot und Bett zu teilen. Ja, und er verkünde, es sei eine Sünde, Tiere zu töten, um deren Fleisch zu essen. Das Fleisch verendeter Tiere oder Menschen zu verzehren, sei dagegen nicht nur zulässig, sondern empfehlenswert. Malika und Sausan mussten beide lachen und verzogen angeekelt die Gesichter.

      „Das ist doch absurd“, rief Malika. „Natürlich würde ich einem solchen Propheten nie mein Vertrauen schenken, warum auch? Ich bin Muslimin und von der Wahrheit des Koran überzeugt!“

      „Siehst du“, antwortete Sally und lächelte verschmitzt. „So einfach ist das nämlich nicht mit dem ‚letzten Propheten‘, wie du es eben dargestellt hast. Als Muhammad vor 1400 Jahren auftauchte, da haben die Christen sich seine Botschaft angehört, sie geprüft und mit ihrer Bibel verglichen. Und viele sind zu dem Entschluss gekommen, dass sie keinen Grund sehen können, anstelle von Jesus nun an Muhammad zu glauben. Denn Jesus hat ein vorbildliches Leben geführt, indem er sich der Schwachen und Verachteten annahm. Und wir Christen glauben, dass er durch seinen unschuldigen Tod am Kreuz für unsere Schuld bezahlt hat.“

      „Nein, Jesus ist nicht am Kreuz gestorben!“, erwiderte Malika sofort. „Im Koran steht das ganz anders und Allah hätte das auch nie zugelassen. Da haben wir wieder einen Beleg für die Verfälschung der Bibel!“

      Oh weh, dachte Sausan, das kann ja noch lange so weitergehen! Unter anderen Umständen hätte auch sie Spaß an einer solchen Diskussion gehabt, aber nach der Sms von Walid hatte sie keine innere Ruhe mehr und drängte zum Aufbruch.

      Nachdem Sausan Malika zu Hause abgeliefert hatte, ging sie nicht direkt nach Hause, sondern machte einen Abstecher in eine Seitengasse, in der ein Rohbau stand. Dort schaute sie sich kurz nach allen Seiten um und schlüpfte dann schnell durch die offene Mauer und um zwei Ecken, wo es einen Winkel gab, der weder von der Straße, noch von einem der Nachbarhäuser her einsichtig war. Hier roch es zwar nach Urin, aber das war Sausan jetzt egal. Sie konnte nicht bis in die Nacht warten, um mit Walid zu sprechen, und auf offener Straße zu telefonieren, war undenkbar. Schnell holte sie das Handy aus der Tasche und tippte eine kurze Nachricht. Dann wartete sie. Normalerweise rief Walid immer schnell zurück, denn für einen Mann war es kein Problem, sich jederzeit zum Telefonieren zurückzuziehen. Aber diesmal hatte Sausan nun schon zehn Minuten gewartet und dann zum dritten Mal bis hundert gezählt. Eigentlich hätte sie schon längst gehen wollen, gehen müssen! Endlich klingelte das Telefon.

      „Hallo?“, fragte sie atemlos.

      „Hallo, Sausan“, antwortete Walid. Seine Stimme klang fremd, gepresst. „Ich habe ein großes Problem: Mein Onkel ist gestorben, ein Unfall.“

      „Oh.“ Sausan spürte

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