Grüße von Charon. Reinhold Vollbom
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»Nein, schon gut.« Mit einer kurzen Handbewegung verabschiedete er sich von dem Mechaniker.
Ein wenig mürrisch begab er sich zurück ins Haus, um den Autoschlüssel für den Leihwagen zu holen. Er fand es sinnvoller, wenn der Jaguar in der Garage stand und nicht der preiswerte Mietwagen. Wo lag er nur, dieser verdammte Schlüssel?! Nach einigem Suchen fand er ihn neben der Kaffeemaschine. Henning begab sich in die Garage zu dem klapprigen Vehikel.
Er war damit beschäftigt den Mietwagen aus dem Einstellraum zu fahren. Abrupt drückte er mit einem Mal die Bremse kraftvoll bis zum Anschlag. Um Haaresbreite hätte es geknallt, jagte es ihm durch den Kopf. Ein Fluch drang über seine Lippen. Hinter ihm schoss ein roter Wagen knapp an der Garageneinfahrt vorbei. Wer fuhr in dieser beschaulichen Villengegend, in der brütenden Mittagshitze, wie ein Irrsinniger die schmale Straße entlang?! Und dies auch noch mit solch einem roten Flitzer, einem Jaguar oder so etwas … Henning stutzte: einem Jaguar?! Ruckartig riss er den Kopf herum. Jemand hatte ihm den Wagen gestohlen!
Woher hatte der Kerl den Schlüssel? Natürlich, der Mechaniker hatte ihn steckenlassen. Und diese kurze Zeitspanne hatte irgendeiner ausgenutzt!
Er hatte nur einen Gedanken: den Flüchtigen auf Biegen und Brechen verfolgen. Der Leihwagen kam technisch nicht an den roten Jaguar heran. Jedoch die kurvenreiche Straße, die zur Stadt hinunterführte, ließ es soundso nicht zu, den Wagen voll auszufahren. Das war seine Chance. Mit ein wenig Glück gelang es ihm, den anderen zu stellen. Bei diesen Gedanken ließ er die Reifen vom Leihwagen aufheulen. Gleich darauf heftete er sich an dessen Fersen.
Es dauerte nicht lange, bis er ihn eingeholt hatte. Wenige hundert Meter vor ihm, hatte er ihn ausgemacht. Noch war die Straße geradlinig, so dass sich der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen stetig vergrößerte. Aber bereits hinten am Horizont war die Schlucht zu erkennen. Von dort aus schlängelte die Fahrbahn sich serpentinenhaft in die Stadt hinunter. Da nutzte ihm der leistungsstarke Motor des Jaguar nichts. In diesem Gelände war er nicht in der Lage den Abstand noch mehr auszubauen.
Nun galt es die Geschwindigkeit zu drosseln, war die Meinung von Henning. Doch noch leuchteten die Bremslichter nicht auf. »Du bist ganz schön mutig, mein Junge«, sprach Henning halblaut vor sich hin. Die Bremslichter blieben weiterhin dunkel. »Verflixt«, fluchte er mit einem Mal, »das schafft der nie und nimmer.«
Auch die nächsten Sekunden verstrichen, ohne dass Henning ein Aufleuchten der Bremslichter bemerkte. – Auf einmal war das grelle rote Leuchten zu sehen: Einen Moment lang, mehr nicht. Gleich darauf war das komplette Fahrzeug verschwunden. So, als wäre es von der Erde verschluckt worden. Er würgte, weil er befürchtete, was sich da soeben vor seinen Augen abspielte.
Wenige Augenblicke später erreichte er die Stelle, an der der Wagen von der Bildfläche verschwand. Er sprang aus dem Auto und rannte zum Abgrund. In diesem Moment explodierte fünfzig Meter unter ihm der rote Jaguar: Da gab es nichts mehr zu helfen. Henning fuhr zur Villa zurück. Er würde den Vorfall von zu Hause aus melden.
Der Täter bliebe unerkannt, das war ihm klar. Eine Identifizierung, von den Resten an der Unglücksstelle, käme jedenfalls nicht in Frage.
Nahezu ungewollt ließ Henning Makroweit den Wagen mit einem Mal am Seitenrand ausrollen. Was für Gedanken tauchten auf einmal in seinem Kopf auf? Gab es hier eine Lösung für sein finanzielles Problem? Die Lebensversicherung würde auf jeden Fall ausreichen, um die Firma wieder auf die Beine zu bringen. Henning sah sich um. Die Gegend war wie tot.
Mit quietschenden Reifen wendete er und fuhr zur Unglücksstelle zurück. Weiterhin niemand zu sehen. Eilig griff er in seine Hosentasche, holte die Brieftasche heraus und warf sie in Richtung des brennenden Wracks. Gleich darauf fuhr er die Strecke zur Villa so rasch zurück, wie es der Wagen erlaubte.
Unauffällig parkte er den Leihwagen wieder in der Garage. Ein flüchtiger Blick in die Runde. Kein Mensch war zu sehen. Jenny war noch in der Bucht beim Baden. Nachdem er sich seinen Pass und einiges Bargeld aus dem Tresor geholt hatte, verschwand er zu Fuß, fernab der Straße.
◊
Es war kurz vor Mitternacht. Jenny Makroweit stand auf der Terrasse und sah zu dem sternenklaren Himmel empor. Sie war in Gedanken versunken und erschrak, nachdem George Talgar seinen Arm zärtlich um ihre Schulter legte. »Ach, George, es kommt mir wie im Traum vor. Kaum das ich meine schnelle Hochzeit mit Henning bereue, tauchst du auf. Jetzt können wir endlich für alle Zeiten zusammenbleiben und brauchen auch auf das viele Geld nicht zu verzichten.«
»Hat die Versicherung schon gezahlt?«, hakte George nach.
»Nein, Hennings Unfall liegt ja erst eine kurze Zeit zurück. Die Polizei hat gestern die Untersuchungen abgeschlossen. Heute Mittag hat mich die Versicherung allerdings angerufen. Das Geld wird in den nächsten Tagen überwiesen.«
»Ich verstehe das immer noch nicht, dass ein erfahrener Autofahrer wie Henning, mitten am Tag einfach den Abgrund hinunterfahren konnte. Aber, na ja, sonst wären wir jetzt nicht so glücklich, nicht wahr, mein Schatz?!« George Talgar schloss seine Geliebte in die Arme und küsste sie voller Hingabe.
Erst das aufdringliche Klingeln des Telefons riss die beiden auseinander. »Ich komme gleich wieder«, sprach Jenny. »Mal sehen, wer da etwas von mir möchte.« Sie küsste ihn zärtlich auf die Wange und verschwand im Innern des Hauses.
George Talgar leuchtete ein, dass Jenny ein prima Fang für ihn war. Sie sah blendend aus und hatte auch das nötige Kleingeld. Mehr benötigte er nicht.
Es vergingen einige Minuten, bis Jenny kalkweiß im Gesicht zurückkam.
»Mein Gott, wie siehst du denn aus?! Was ist mit dir?« George sah sie entgeistert an.
»Henning«, stotterte sie, »Henning lebt …«
»Quatsch, der ist bei dem Autounfall ums Leben gekommen. Die Polizei hat doch seinen Führerschein am Abhang gefunden. Da erlaubt sich jemand einen blöden Scherz.«
»Nein, es war Hennings Stimme«, flüsterte sie kaum hörbar. »Ich habe die Sprechweise genau erkannt.«
»Aber, warum?« George sah sie entgeistert an.
»Er hat es mir erklärt«, sprach sie sanft. »Für die Firma benötigt er das Geld von der Lebensversicherung. Es gibt da wohl einige finanzielle Schwierigkeiten.«
»Und wie stellt er sich alles Weitere vor? Er kann doch nicht irgendwann wieder wie aus dem Nichts auftauchen.«
»Mit dem Geld von der Versicherung will er die Firma sanieren. Das heißt, ich soll das veranlassen. Wenn es dem Unternehmen wieder besser geht, kann ich mir die Anteile für unseren Lebensunterhalt hierher überweisen lassen. Da käme, seiner Meinung nach, genug zusammen. Er selber würde später, mit ein wenig verändertem Aussehen, als mein neuer Geliebter auftauchen.«
George Talgar stieß lautstark einen Fluch aus.
Jenny sah ihn besorgt an. »Sollte der Traum von unserem Glück nur so kurz gewesen sein?«
Der Blick von George Talgar verlor sich irgendwo in der Tiefe der Dunkelheit. »Wie seid ihr verblieben?«, fragte er flüsternd.
»Ungefähr