Grüße von Charon. Reinhold Vollbom
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Das also war der Grund ihn ins Seniorenheim zu schicken, schoss es ihr durch den Kopf. Damit er dort die letzte Ruhe findet. Sie fasste seine Hand. »Sie sollen wissen, Cyril, dass ich stets mit Ihnen zufrieden gewesen bin.« Gewiss hätte ihre Schwester ebenfalls ein paar tröstende Worte zu ihm gesagt. »Auch wenn uns der Tod in Kürze trennen sollte …«
»Bitte sprechen Sie nicht weiter«, bat er sie. Mit feuchten, geröteten Augen verließ er unaufgefordert das Zimmer.
Das war typisch für ihre Schwester, fand sie mit einem Mal. War es nötig, den Diener derart zu quälen? Warum hatte sie ihn nicht schon längst in Pension geschickt? Mitleidig sah sie ihm hinterher.
Minuten des Nachdenkens vergingen. Ihre Finger betasteten die Stirn. Ihr war heiß. Die Aufregung der letzten Stunden, zeigten ihre Wirkung. Sie ergriff das Glas Milch, das Cyril gebracht hatte und leerte es in einem Zuge. Erfrischend diese kühle Milch. Wenn nur nicht der komische nussartige Nachgeschmack wäre. Sie hatte die Absicht Cyril zu rufen und ihn zu fragen, was es damit auf sich hatte. Doch sie war nicht in der Lage ihn herbeizurufen. Ihre Lippen bewegten sich nicht. Aus welchem Grund auch immer. Es lag nicht an ihrem Mund, das merkte sie sofort. Nanu, weshalb keuchte sie plötzlich so beim Atmen? Wieso verkrampfte sich ihr Körper? Warum, verflixt …? Wenige Augenblicke später war Helene Gratmeyer tot.
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Kommissar Steffen sah den Diener mit bitterem Gesichtsausdruck an. »Das hätte ich auch nicht erwartet, dass wir uns so schnell wiedersehen. Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass sie sich umgebracht hat? Es ist doch bestimmt nicht üblich, dass eine Hausherrin ihr Personal so ins Vertrauen zieht.«
»Madame Pulsek war schon seit einiger Zeit krank. Todkrank«, fügte er mit Nachdruck hinzu.
»Darüber hat sie Sie informiert?«
»Es bestand ein gewisses Vertrauensverhältnis. Zum anderen ließ sich ihre Krankheit mir gegenüber nicht verheimlichen. Sie litt an einem nicht operablen Gehirntumor. Außerdem nahm sie ein morphinhaltiges Medikament, um die Schmerzen zu unterdrücken. In letzter Zeit jedoch kamen noch Anfälle hinzu. Ich musste immer öfter den Arzt rufen.«
Kommissar Steffen sah den Diener fragend an. »Und? Wie hat sie sich umgebracht?«
Cyril räusperte sich betreten. »Madame fragte mich vor einiger Zeit, welche Möglichkeit ich nutzen würde, um freiwillig aus dem Leben zu scheiden.«
»Und?«, hakte Kröger nach.
»Nun, ich sagte ihr, ich würde aus dem Schuppen hinter dem Haus das Unkrautvernichtungsmittel holen …«
»Also Zyankali«, stellte Kommissar Steffen mit einem kurzen Blick zu seinem Assistenten fest. »Sie hat sich demnach das Giftzeug in das Glas mit der Milch gemixt und getrunken, nicht wahr?«
Der Diener bejahte die Frage. Wohl wissend, dass es der letzte Wunsch seiner Hausherrin war, dass er ihr diese Arbeit abnahm.
»Fiel Ihnen sonst irgendetwas Ungewöhnliches auf?« Kommissar Steffen beobachtete jede Reaktion des Dieners genau.
»Ungewöhnliches nicht. Nur anfangs schien sie nicht mit einem so schnellen Krankheitsverlauf zu rechnen. Jedenfalls hatte sie vor, mich erst zum Jahresende in ein Seniorenheim zu geben.«
»War der Suizid von vornherein geplant?«
»Ja. Sobald die Schmerzen unerträglich werden würden, wollte sie aus dem Leben scheiden.« Mit dieser Antwort verschwieg er, dass es seine letzte Aufgabe war, ihr das Glas Milch mit dem Zyankali zu bringen. Bald kommt der Augenblick, wo Sie mir meine letzte Medizin bringen müssen. Ja, genauso sprach sie stets zu ihm. Und bei den Gedanken an diesen Satz röteten sich wieder seine Augen.
»Wissen Sie genaueres über das Erbe?«, hakte Kröger nach.
»Mein Lebensabend sollte gesichert sein, versprach mir Madame. Den Rest sollte ihre Schwester, Helene Gratmeyer, bekommen. Die tödlich Verunglückte. Sie wollte einiges an ihr gutmachen, sagte sie mir einmal, weil sie angeblich immer garstig zu ihr gewesen wäre. Um die Erbschaftssteuer zu umgehen, sollte schon in den nächsten Tagen eine größere Summe an ihre Zwillingsschwester überwiesen werden.«
Ein zarter Hauch
Moritz Arndt sah mit schaulustigem Blick in der Spielbank umher. Es waren bereits mehrere Jahre vergangen, seitdem der Vierzigjährige das letzte Mal hier war. Fernab seiner Heimat.
Beschaulich dastehend sog er genüsslich die Atmosphäre in sich auf. Er gehörte zu den Personen, die ihre Umgebung zuerst einmal beschnupperte. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes: mit der Nase. Moritz Arndt war klar, dass auf seinem ausgeprägten Geruchssinn Verlass war.
Augen ließen sich täuschen. Ohren hörten das, was einem gefiel. Hände waren zum feinfühligen Tasten zu klobig. Und zu häufig hatte man es geschafft seine Zunge zu überlisten. Nein, er verließ sich auf die Nase. Die hatte ihn noch nie betrogen. Es war das Gefühl von Spannung, das in seinem Riecher heute Abend in der Spielbank ein Kribbeln erzeugte. Ein erfreuliches Zeichen. Er kannte das.
Hin und wieder einige Augenblicke stehenbleibend, um das Ausrollen der Kugel zu beobachten, schlenderte er ziellos durch den weiträumigen Saal. An einem der Tische sprang auf einmal einer der Anwesenden heiter von seinem Stuhl auf. Bestimmt hatte er eine größere Summe gewonnen, waren Moritz’ Gedanken. An diesem Tisch würde er ebenfalls sein Glück versuchen, entschied er kurzentschlossen.
Nachdem er sich nach vorn beugte, um seinen Jeton zu setzen, stutzte er mit einem Mal. Was war das für ein Duft?! Himmel, was war das für ein Parfüm?!
»Wollen Sie setzen?« Verbindlich fragend sah ihn der Croupier an.
»Ja, ja doch. Die Dreizehn, bitte.« Moritz Arndt stellte sich wieder aufrecht hin und sah hierbei mit starrem Blick zu der Dame, die neben ihm auf dem Stuhl saß. Von ihr strömte der betörende Wohlgeruch aus.
Wann hatte er diesen Duft, diese feine, warme einmalige Ausdünstung das letzte Mal in sich aufgenommen? Seine Gedanken schossen ihm zügellos durch den Kopf. Urplötzlich fiel es ihm ein. Wie in einem Aktenordner, in dem alles brav abgeheftet war, ordnete er den Wohlgeruch wieder zu.
Grausam. Das war dies einmalige Parfüm, das die weibliche Person benutzte, die vor zwei Jahren seinen Juwelierladen betrat. Sie erkundigte sich nach dem besten Stück, das er hatte. Und gleich darauf fiel er auf einen seichten Trick der Betrügerin herein. Mehrere Augenblicke ließ er sie unbeobachtet. Sie nutzte diese Gelegenheit und tauschte das Original gegen eine preiswerte Imitation aus. Es war einer der elegantesten Ringe, die er einst besaß.
Den Betrug bemerkte er verhältnismäßig rasch. Kurz nachdem sie das Geschäft verlassen hatte, fiel ihm der Austausch auf. Sofort eilte er ihr hinterher. Doch sie schien wie vom Erdboden verschluckt. Und nun saß sie direkt vor ihm. Er irrte sich nicht. Seine Nase betrog ihn nie. Perücke und Brille, mit der sich die Betrügerin sicherlich seinerzeit verkleidet hatte, täuschten ihn nicht. Sie war es.
Möglich, dass sie sogar den Ring trug, schoss es ihm mit einem Mal durch den Kopf. Aber in dem Gedränge am Tisch war ihre Hand schwer auszumachen. Zum anderen waren es zu viele Ringe auf ihren Fingern. Sein Lieblingsstück gleich zu erkennen, war schwierig. Er benötigte eine Gelegenheit, ihre Hände näher anzusehen. Ihm würde