Sky-Navy 01: Die letzte Schlacht. Michael Schenk
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„Wir haben unsere Inspektionsrunde abgeschlossen“, eröffnete Sung-Li. Der Marsianer mit chinesischen Wurzeln deutete über die leere Arbeitsfläche des Schreibtisches. „Geben Sie die Projektion frei, Sub-Admiral?“
Der Hoch-Koordinator verfügte ebenfalls über ein Implant, aber er bevorzugte den tragbaren MiniComp an seinem Handgelenk. Die leistungsstarke Tetronik erlaubte komplizierte Berechnungen, umfangreiche Datenübertragungen und verfügte über eine hohe Speicherkapazität. Als die holografische Projektion der Basis über der Schreibfläche erschien, hob Sung-Li nacheinander einige der Bereiche hervor.
„Ich habe nun die wöchentliche Inspektion der Basis abgeschlossen“, eröffnete der Hoch-Koordinator und ignorierte dabei das Stirnrunzeln von Grantner. „Ich habe einige Dinge notiert, die mit Priorität behandelt werden sollten.“ Sung-Li vergrößerte die Projektion der beiden Wälder. „Die Wälder wurden vor zwei Jahren gepflanzt und der Wuchs der Bäume lässt natürlich noch zu wünschen übrig. Derzeit sind sie nicht in der Lage die Luftversorgung auf natürlichem Wege zu gewährleisten. Vielleicht in zwei oder drei Jahren, doch bis dahin wird man auf die Leistungen der hydroponischen Pflanzungen angewiesen sein.“
Das war abzusehen und Helena Tareschkova fragte sich, warum der Mann dies überhaupt erwähnte. Er schien allerdings zu jenen zu gehören, die sich selber gerne reden hörten.
„Die Shriever-Platten auf den Decks 25 bis 37 funktionieren noch nicht richtig“, fuhr Sung-Li fort. „Die Stromversorgung schwankt und wir haben wechselnde Schwerkraftverhältnisse. Vermutlich hat ein dilettantischer Tech die tetronische Steuerung fehlerhaft programmiert.“
Helena machte sich eine gedankliche Notiz. Das war ein Problem, denn mit der Shriever-Technologie ließ sich künstliche Schwerkraft erzeugen. Nicht nur das. Die Polung der Shriever-Platten ermöglichte es auch, den Andruck beim Beschleunigen oder Abbremsen von Raumschiffen zu neutralisieren oder zumindest auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Trotz aller Versuche war es bislang nicht gelungen, auch ein Gerät zur Aufhebung von Schwerkraft zu entwickeln. Man suchte angestrengt nach einem Weg, da dies auch großen Raumschiffen eine Planetenlandung ermöglichen würde. „Ich gehe davon aus, Hoch-Koordinator, dass Sie dafür sorgen, dass die Sache schnell bereinigt wird.“
„Selbstverständlich, Sub-Admiral. Ich bin mir meiner Pflichten absolut bewusst.“ Sung-Li hob einen der schlanken Türme hervor, der aus der oberen Nabe der Basis empor ragte. „Die Tiefenraum-Scanner des oberen Erfassungsbereiches sind nicht sauber kalibriert. Die überlichtschnellen Taster erhalten gelegentlich Doppelbilder. Obwohl die einzelnen Komponenten des Systems ausgetauscht wurden, lässt sich das Problem nicht beheben. Ich bin überzeugt, dass die Mars Tectronics Company eine fehlerhafte Bauteilserie produziert hat.“
„Gut. Dann werde ich nicht nur neue Systemkomponenten anfordern, sondern auch ein Tech-Team von Mars Tectronics“, erwiderte Helena. „Wenn die Mist gebaut haben, sollen sie auch selber sehen, wie sie das wieder hinbiegen. Es ist nicht akzeptabel wenn unsere Ortungseinrichtungen oder die Langstreckenkommunikation nicht funktionieren.“
„Was ist mit dem neuen Hiromata-Taster?“, warf Major Grantner ein.
„Er ist noch nicht ganz Einsatzfähig“, antwortete Sung-Li und errötete ein wenig, da er mit einem kleinen Team persönlich für den Einbau des neuen Ortungsgerätes verantwortlich war. Dass es noch nicht funktionierte kam für ihn einem persönlichen Versagen gleich. „Es, äh, liegt an den Hiromata-Kristallen. Sie sind selten und nicht immer von guter Qualität.“
Kurz vor Ausbruch des kolonialen Krieges, der vor über 140 Jahren beendet worden war, gelang es dem japanischen Professor Hiromata, mithilfe der nach ihm benannten Kristalle ein Nullzeit-Kommunikationssystem zu entwickeln. Selbst der geniale Professor konnte nicht begründen, wie es genau funktionierte, aber Funkwellen, die durch den Kristall geleitet wurden, erreichten ihren Bestimmungsort ohne jeden Zeitverlust. Ein Wermutstropfen war dabei, dass man bislang keine bewegten Bilder und Sprache übertragen konnte, sondern lediglich kurze oder lange Impulse. So nutzte man das uralte Morse-Alphabet, um sich in Nullzeit mit den entferntesten Schiffen oder Stationen austauschen zu können. In der „nassen Schifffahrt“ hatte man solche Funkverbindungen als „Krachfunk“ bezeichnet und diesen Namen für den Nullzeit-Funk übernommen. Immerhin konnte man ohne Zeitverlust mit Raumschiffen kommunizieren, die ihrerseits jedoch lange Zeit unterwegs waren.
Dann war es, vor kaum fünf Jahren, nach intensiver Forschung gelungen, die seltenen Hiromata-Kristalle auch mit einem Raumantrieb zu kombinieren. Nun konnte ein Raumschiff, nachdem es acht Stunden die Hiromata-Kristalle aufgeladen hatte, ohne Zeitverlust, im sogenannten Nullzeit-Sturz, praktisch jeden beliebigen Ort in der Galaxis erreichen. Neuerdings gab es Versuche, die Kristalle auch für ein Ortungssystem zu nutzen, dass ähnlich dem klassischen Radar funktionierte, aber natürlich ohne Zeitverlust arbeitete.
Grantner nickte. „Es gibt einfach zu wenige Kristalle. Bedauerlicherweise kann man sie nicht künstlich herstellen. Es sind überall Prospektoren unterwegs, die nach Hiromata-Vorkommen suchen, aber die Ausbeute ist gering. Es gibt nicht genug, um den Bedarf zu decken. Krachfunk, Antriebe und jetzt das neue Ortungssystem… Die meisten Raumschiffe müssen noch immer den lahmen Überlichtantrieb benutzen.“
„Wir können froh sein, dass der Hohe Senat des Direktorats die vorhandenen Bestände kontrolliert und zuteilt.“ Helena lächelte schwach. „Andernfalls würde die Navy kaum etwas für ihre Schiffe bekommen und die Kommerziellen würden alles nutzen, um ihren interstellaren Handel voranzutreiben.“
„Handel bedeutet Wachstum“, warf Sung-Li ein. „Und dank des Hiromata werden jetzt weitere Kolonien im Weltraum entstehen.“
„Ich hoffe, dass das nicht zu einem weiteren Krieg führt“, knurrte der Major.
Vor mehr als zweihundert Jahren hatte man die Erde aufgrund der Umweltzerstörung und des Raubbaus ihrer Ressourcen, aufgeben müssen. Mit zehn gewaltigen Archen und einer Vielzahl von kleinen Raumbooten war es gelungen, die Menschheit auf den Mars zu evakuieren. Inzwischen erholte sich die Erde von ihren einstigen Ausbeutern, aber der Hohe Senat des Mars untersagte eine erneute Besiedlung. Nach der Besiedlung des bewohnbar gemachten Mars hatte sich die Menschheit auf verschiedenen Stationen im Sonnensystem und einige außersolare Welten ausgebreitet, wo sie ihre Kolonien gründete. Es gab nur begrenzten Handel, da eine Reise zwischen den Sonnensystemen, trotz des Überlichtantriebes, Monate und Jahre dauerte. So blieb nur ein loser Kontakt zwischen den Menschen im solaren System und denen der Kolonien.
Dennoch beharrte die Regierung auf dem Mars, dass alle Menschen zur sogenannten Mars-Föderation gehörten und verlangte, dass die Kolonien Steuern entrichteten. Als einige jeglichen Tribut ablehnten, versuchte die Föderation die Zahlung zu erzwingen. Drei Schiffe machten sich auf die lange Reise, um die Abgaben einzufordern, und trafen auf den erbitterten Widerstand der Kolonisten.
Ein langer und seltsamer Krieg begann. Beide Seiten verfügten über keine wirklichen Kriegsschiffe. So wurden überlichtschnelle Frachter nachträglich bewaffnet, während Mars-Föderation und Koloniale damit begannen, richtige Kampfschiffe zu konstruieren und zu bauen. Eigentlich gab es keine klare Front zwischen den solaren Welten und den Kolonien. Es gab auch zwei Kolonialwelten, die zur Föderation standen, und keine festen Grenzen oder Stellungen. Niemand war in der Lage ein Sonnensystem wirksam gegen einen Angriff zu schützen, denn es gab keine Mauern, die ein Schiff aufhalten konnten. Taktische und strategische Planungen waren kompliziert, denn Angreifer benötigten lange Zeit, um ihr Ziel zu erreichen und die Verteidiger wiederum Zeit, um dem Angriff zu begegnen.
Der koloniale Krieg war, wie so viele andere Kriege auch, ein vollkommen sinnloses Unterfangen, bei dem Leben und Ressourcen vergeudet wurden, und den