Die Dorfbrunners. Helmut Lauschke
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Luise Agnes bemerkte den Stimmungswechsel an ihrem Mann. Sie sagte, dass es wohl kein so gutes Gespräch in der Sakristei gewesen war. Eckhard Hieronymus gab dem Wirt ein Zeichen und zahlte für das Essen und die beiden Biere. Der Wirt wechselte das Geld und gab einige Münzen zurück, die ihm der Pfarrer als ein bescheidenes Trinkgeld überließ. Sie standen auf, zogen ihre Mäntel über, wobei Eckhard Hieronymus seiner Frau in den Mantel half, und verließen das Gasthaus. Der Wirt öffnete ihnen die Tür, bedankte sich fürs Kommen, Essen und Trinken, entschuldigte sich nochmals für den peinlichen Vorfall und wünschte dem Herrn Pfarrer und seiner Frau noch einen ruhigen Sonntag. Draußen hatte sich der Nieselregen gelegt, der sich schon früher gelegt haben musste, weil der Konsistorialrat mit Frau und Tochter ohne aufgespanntem Schirm die Straße entlang gegangen waren. Die Menschen waren zu dieser Zeit, es war der frühe Nachmittag, von der Straße so gut wie verschwunden. Eine dicke Wolkendecke hing tief über der Stadt. Von Sonne war keine Spur. So zeigte sich der Spätherbst von seiner trüben Seite, die zum Totensonntag durchaus passte. Der frühe Einfall der vorwinterlichen Kälte, es war so kalt, dass in vielen Häusern die Kachelöfen angeworfen wurden, trug klimatisch zur erhöhten Empfindlichkeit der Menschen bei. Von den unfreundlichen, ja trübseligen Launen des Wetters her war es verständlich, dass sich die Menschen von den Straßen verzogen und sich um die wärmenden Öfen versammelten. Würde der Rauch nicht aus den Schornsteinen aufsteigen, es wäre das Bild der verlassenen Geisterstadt gewesen. Sie kamen an ihrem Haus in der Wagengasse 7 an. Luise Agnes schloss die Eingangstür auf. Im Flur stand eine feuchtkalte Luft, die den stillen Empfang im Heim mit der ersehnten Wärme und erhofften Ausstrahlung des Heimischen für beide Gemüter nicht brachte. Sie vermissten das Besondere der stillen Wärme, die in ihrer ehelichen Beziehung von so großer Bedeutung war.
In Kenntnis des nur halben Monatsgehalt für einen Pfarrer auf Probe, die für ein Jahr offiziell angesetzt war, bestand die dringende Notwendigkeit zum erhöhten Sparen, weshalb sie den kleinen Kachelofen im kleinen Wohnzimmer noch nicht angeworfen hatten. Beide zogen ihre Mäntel aus, hängten sie über Bügel an die Haken im schmalen Flur, zogen die Schuhe aus und die Hausschuhe an, denn die Füße mit den kalten Zehen verlangten nach Wärme. Nach Wärme sehnten sich auch die Herzen; das war den Blicken anzusehen, die sich die beiden zuwarfen. In der Schmalheit des Flures umarmten sich Eckhard Hieronymus und Luise Agnes; umarmt blieben sie eine Weile stehen, Körper an Körper. Mit dem Kopf auf seiner Schulter strich er ihr über das weiche Haar. Er spürte die Wärme, die von ihren weichen Brüsten herüberkam. Er liebte sie, liebte das Weiche ihres schwangeren Körpers, die Zartheit im Fühlen ihrer Hände und die Zartheit ihres Herzens. Er bewunderte seine Frau, weil sie mit dem Kind in ihrem Leibe der Erbauer der jungen dorfbrunnerschen Familie war, was sie mit liebevoller, geduldiger, aber auch erwartungsvoller Hingabe tat. Doch auch sie liebte ihren Mann mit all ihren Gefühlen und Gedanken. Trotz des Tragens der Schwangerschaft war Luise Agnes bereit, den beruflichen Werdegang ihres Mannes mitzutragen, ihm in schwierigen Situationen beizustehen, zu helfen, ihn körperlich und seelisch zu stärken, wo immer es notwendig war. So war sie fürwahr eine liebenswerte Frau; sie war Mittler und Katalysator, wenn Hindernisse zu nehmen, Probleme abzubauen und zu lösen waren. In der Umarmung flüsterte sie in sein Ohr: „Ich freue mich so auf unser Kind.“ Wie sollte Eckhard Hieronymus auf diesen wunderschönen Ausspruch reagieren? Aus ihm leuchtete das Glück mit der Liebe so stark, dass es die aufgehende Sonne mit dem Lichtstreifen über dem Horizont nicht stärker konnte. Nach einer langen „Sekunde“ von Aufnahme bis Reaktion sagte er: „Ich liebe dich mit dem Kind noch mehr, als ich dich ohne das Kind schon geliebt habe.“ „Übertreibst du jetzt nicht? Du liebtest mich doch schon vorher ganz.“ Darauf sagte er mit einem Kuss aufs Ohr, dass die Liebe stärker, voller und heller wird, weil sie das größte Geschenk Gottes ist, das keine irdischen Grenzen kennt.
„Jetzt mach ich uns einen heißen Tee; und dann erzählst du mir von dem Gespräch in der Sakristei.“ Sie lösten sich nach einigen Küssen aus der Umarmung und gingen in die Küche. Luise Agnes füllte den Kessel mit Wasser, zündete die Gasflamme am Herd an, setzte den Kessel über die Flamme, holte Teebüchse, Teesieb und Tassen von verschiedenen Regalen und setzte sich zu ihrem Mann an den kleinen Küchentisch, während die Flamme sich anstrengte, das Wasser zum Kochen zu bringen. „Ja, das Gespräch“, setzte Eckhard Hieronymus mit einem tiefen Atemzug an: „Ich kam vom Hauptportal zurück, wo ich die Menschen beim Verlassen der Kirche kopfnickend, bei einigen mit Handschlag, verabschiedete. Das tat ich, um den Menschen Mut zuzusprechen, den dunklen Weg der Sünde zu verlassen und den hellen Weg der Wahrheit zu gehen, so wie ihn Paulus den Korinthern gepredigt hat. Als sich die Kirche geleert hatte, ging ich zur Sakristei. Küster Krause kam mir mit den Worten „Das haben sie gut gemacht!“, entgegen und klopfte mir beim Eintreten in die Sakristei väterlich auf die Schulter. Drinnen hatten sich der Konsistorialrat mit seiner Frau, Oberstudiendirektor Dr. Hauff und seine Frau, der Gutsherr von Falkenhausen und drei Herren vom Minenkonsortium eingefunden. Konsistorialrat Braunfelder stellte mich den Damen und Herren vor. Dann wurden mir die Hände zur persönlichen Begrüßung gereicht. Bei dieser Begrüßung mit Handschlag war es nur Frau Dr. Hauff, die sich in der Anrede den akademischen Titel ihres Mannes gefallen ließ und ein lobendes Wort fand. Die andern blieben zugeknöpft, der Konsistorialrat und seine Frau bis zum Ende. Da gab es sonst keine Äußerungen oder Anmerkungen, weder zum Pauluswort im Korintherbrief noch zur Predigt. Dann kam der Oberstudiendirektor hinzu, der mit dem Gesicht der Leutseligkeit sagte, dass er es rasch gemerkt hätte, dass der Apostel mir die Worte ins Herz geschrieben hat. Ich hatte meine Zweifel in Bezug auf die Ehrlichkeit, deshalb wollte ich auf diese Bemerkung nicht weiter eingehen.“ „Vielleicht meinte er es wirklich gut“, unterbrach ihn Luise Agnes. „Ich weiß es nicht“, erwiderte Eckhard Hieronymus, „ich habe da meine Zweifel. Ich hatte vielmehr das Gefühl, dass er mich weich machen wollte, denn dann legte er in einer schulmeisterlichen Weise los und packet sein Wissen aus: ob ich wüsste, dass Paulus als Sohn jüdischer Eltern vom Stamme der Benjamin die römischen Bürgerrechte besaß, dass wir durch Lukas vom Namenswechsel Saulus zu Paulus erfahren. Der Oberstudiendirektor blähte sein Wissen auf, als er von der Gefangennahme des Paulus in Jerusalem sprach, die Jahreszahl hinzufügte, den Prokurator Festus erwähnte, der ihn als Gefangenen nach Rom brachte, wo ihm der Prozess nach römischem Recht, worauf sich Paulus als römischer Staatsbürger berief, gemacht werden sollte und auch gemacht wurde.“
„Das ist ja Geschichte“, unterbrach Luise Agnes das zweite Mal, „wie hat sich dazu der Konsistorialrat verhalten?“ „Der handelte sich die erste Belehrung vom Oberstudiendirektor ein“, setzte Eckhard Hieronymus den Bericht fort, „weil der die Frage stellte, ob denn Paulus in Rom der Prozess gemacht wurde. Da rutschte dem Dr. Hauff der Oberstudiendirektor in höchst belehrender Weise heraus, als er sagte: ‘Aber Herr Rat, natürlich wurde ihm der Prozess gemacht, der allerdings mangels an Beweisen eingestellt wurde.’ Da bekam der Rat einen roten Kopf und strich mit zittrigen Fingern über das metallene Brustkreuz. Die Bloßlegung der kleinen Bildungslücke, die