Die Dorfbrunners. Helmut Lauschke

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Die Dorfbrunners - Helmut Lauschke

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als all die geschichtlichen Dinge um die Person ist doch das Werk des Apostels“, warf Luise Agnes ein. „Das habe ich auch gedacht“, sagte Eckhard Hieronymus. „Ich sagte, dass das Ereignis von Damaskus Paulus so stark traf, dass er die Mühsal, Leiden, Entbehrungen und Gefahren auf sich nahm und ein unerschrockener und unbeugsamer Kämpfer für seinen Herrn wurde und bis zu seinem Martyrium in Rom geblieben ist. Nun stellten sich der Gutsherr von Falkenhausen und die Herren vom Minenkonsortium hinzu. Herr von Falkenhausen stellte die Frage nach dem Bildungsstand des Apostels. Da brillierte der Oberstudiendirektor erneut mit seinem Wissen; er sprach von einer hohen Bildung des Apostels durch seine frühe Berührung mit der griechischen und römischen Welt, deren Einfluss in Sprache und Stil zum Ausdruck käme. Herr von Falkenhausen brachte da einen interessanten Gesichtspunkt; er sagte, dass Paulus die griechische Philosophie um die Weltvernunft vom Aufbruch der menschlichen Seele zur göttlichen Welt gekannt haben muss. Als Beleg zitierte er den 6. und 7. Vers im 5. Kapitel des 2. Korintherbriefes: „Solange wir im Leibe wohnen, wallen wir fern vom Herrn; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.“ Ich fand diese Feststellung bemerkenswert. Es war offensichtlich, dass der Gutsherr die Bibel außergewöhnlich gut kannte.“ „Konnte Herr Braunfelder hierzu etwas sagen?“, fragte Luise Agnes. „Nein“, erwiderte Eckhard Hieronymus, „der Konsistorialrat schwieg sich mit rotem Kopf aus, denn er fragte den Herrn von Falkenhausen, wie er das meine, dass Paulus Kenntnis von der griechischen Philosophie hatte, worauf der Gutsherr aus dem 2. Korintherbrief zitierte. Der Rat mit dem großen metallnen Kreuz auf der Brust gab ein dürftiges Bild ab; der brachte eigentlich gar keinen Beitrag.“ „Schade!“, rutschte es Luise Agnes aus dem Mund.“ Eckhard Hieronymus sagte, dass auch die Männer vom Minenkonsortium schwiegen, und meinte, dass er ihr Schweigen mit der Paulusbotschaft und der Predigt erklärte, wenn von den Reichen und Armen gesprochen wurde, dass es die Armut ist, die den Rechtlosen das Kleid der menschlichen Würde und Scham zerreißt, die in den erbärmlichen Hütten und hinter Brettern hausen und, weil sie arm sind, verachtet, geschlagen und verstoßen werden. „Ich kann mir vorstellen, dass das diesen Herren bitter auf der Zunge lag.“ „Meinst du, die hätten sich geschämt?“, fragte Luise Agnes. „Von Scham kann hier die Rede nicht sein“, so Eckhard Hieronymus, „wer schämt sich schon seines Reichtums wegen? Nein, auch diese Herren schämten sich des Reichtums nicht. Im Gegenteil, sie machten sich Sorgen um die Förderquoten, weil es an Menschen fehle. So kam einer dieser Herren auf den verlorenen Krieg zu sprechen. Er sagte mit ernstem Gesicht, dass man nur hoffen könne, dass die Kriegslast nicht zu schwer wird. Daraufhin machten der Oberstudiendirektor und der Konsistorialrat große Augen, und Herr von Falkenhausen putzte sich die Nase. Die Frauen hörten das Wort ‘Krieg’ und stellten sich neben ihre Männer. Der Herr „vom verlorenen Krieg“ schilderte die Probleme in der Mine, wo die geforderten Förderquoten aufgrund der fehlenden Arbeitskräfte nicht mehr gebracht werden können. Ich fand diese Bemerkung in der Sakristei fehl am Platz“, fuhr Eckhard Hieronymus fort. „Dr. Hauff, der sich auch in der chinesischen Philosophie auszukennen schien, brachte den Satz des Laotse: „Der Sieger gibt sich nicht der Freude hin, denn Freude am Siege haben, heißt Freude haben am Menschenmord.“ Was immer der Oberstudiendirektor mit dem Spruch meinte, ich hielt auch ihn für unpassend nach dem Gottesdienst mit der Botschaft von der Liebe.“ „Es war wirklich kein gutes Gespräch“, sagte Luise Agnes, „als hätten die Menschen die Botschaft nicht verstanden. Warum ist dann der Konsistorialrat nicht energisch dazwischengefahren?“ „Ich weiß es nicht.“ „Oder hat der die Botschaft auch nicht verstanden?; das wäre ja fürchterlich“, fügte Luise Agnes hinzu.

      „Den Frauen war es genug. Sie zupften ihren Männern immer energischer an Ärmel und Rock, die sich an den Wissensblasen gefielen, war es aktiv oder passiv. Der Oberstudiendirektor brachte den Satz des Konfuzius von der Geltung des Wissens und Nichtwissens im Wissen. Du weißt, dass Vater mir diesen Satz in seiner Version: „Was man weiß als Wissen gelten lassen, was man nicht weiß als Nichtwissen gelten lassen, das ist Wissen.“ in regelmäßigen Abständen vorgehalten hat, besonders dann, wenn eine Klassenarbeit bevorstand. Ich habe den Ausspruch nie richtig verstanden, hielt ihn für banal und leer. Erst viel später an der Universität mit den schwadronierenden Dozenten und Professoren, als wüssten sie alles, ist mir die Bedeutung des Satzes aufgegangen. Paulus sagt es doch im 1. Korintherbrief: „Wenn sich jemand dünken lässt, er wisse etwas, der weiß noch nicht, wie man erkennen soll.“ Durch das wiederholte Zupfen ihrer Frauen erinnert, verabschiedeten sich endlich die Herren mit ihren Frauen. Der Konsistorialrat und seine Frau hätten fast vergessen, mir die Hand zu geben.“ Da machte Luise Agnes doch ein ernstes Gesicht. „Dem Rat kam bezüglich der Predigt kein Wort über die Lippen. Nur Dr. Hauff und seine Frau sagten zum Abschied, dass ihnen die Predigt gefallen habe; sie sei die beste gewesen, die sie seit Monaten gehört hätten. Ähnlich verhielt sich der Gutsherr, der von einer gehaltvollen Predigt sprach. Wie gesagt, beim Oberstudiendirektor, der sein Wissen zu sehr aufgeblasen hatte und mit der Blase imponierte, hatte ich meine Bedenken in Bezug auf seine Ehrlichkeit. Schließlich waren die Leute vom Konsistorium gegangen, und ich blieb mit Küster Krause in der Sakristei zurück. Die Tür war noch nicht zu, da legte der Küster mit einer Lobestirade los, die nur schwer zu stoppen war. Wie sagte er doch; die Menschen seien von der Predigt ergriffen gewesen, ich hätte ihnen Mut gemacht, ihnen Grund zur Hoffnung und zum Selbstvertrauen gegeben; ich hätte kraftvolle Worte gesprochen, die in die Herzen gingen. Er sagte, es sei die beste Predigt gewesen, die er in seiner siebzehnjährigen Dienstzeit gehört habe. Wenn ich so weitermache, hätte ich jeden Sonntag eine volle Kirche.“ Luise Agnes schmunzelte. „Herr Krause übertrieb, als er sagte, ich hätte mit der Predigt den Nagel auf den Kopf getroffen, die Balken aus den Augen gezogen. Ich musste heftig werden, damit er ein Ende fand. schließlich sagte er, ich würde mit meiner Sprache einen schweren Stand haben, weil es hier Leute gibt, die ihren Neid nicht unter Kontrolle bringen. Er nannte keinen Namen, und ich wollte auch keinen Namen wissen.“

      Luise Agnes machte ein betroffenes Gesicht. Sie holte die Kanne mit dem aufgebrühten Tee aus der Küche, füllte die Tassen und rührte den Zucker ein. „Das hört sich ja nicht sehr willkommen an“, sagte sie und legte den Teelöffel auf die Untertasse, „ich hatte mir das alles doch freundlicher vorgestellt. Vor allem das Verhalten des Konsistorialrates schockiert mich. Ich hatte ihn anders eingeschätzt, dass er ein Herr von Format sei, das ich seinem Alter und seiner Funktion als Geistlicher mit langer Erfahrung zugetraut habe.“ „Das hatte ich auch erwartet von einem, der sich die Seelsorge zum Beruf gemacht hat, sei es als Geistlicher, als Psychologe oder als Arzt in der Psychiatrie“, erwiderte Eckhard Hieronymus. „Ich glaube, dass man zur Seelsorge geboren sein muss; die Sorge um die Seele muss dem Menschen von Geburt an mitgegeben werden, muss ihm im Blut liegen“, sagte Luise Agnes. „Da hast du völlig recht“, bemerkte Eckhard Hieronymus, „zur Seelsorge muss man berufen sein, dann klappt es auch mit dem Beruf.“ „Vielleicht ist diese Berufung beim Konsistorialrat zu kurz gekommen, waren die genetischen Weichen nicht richtig gestellt, war die Berufung zur Seelsorge den Blutzellen zu dünn aufgedrückt oder nicht tief genug in den Zellkern eindrückt worden, weil das entsprechende Chromosom von Anfang an zu schwach ausgebildet war oder Schaden erlitten hatte“, gab Luise Agnes zu bedenken. „Ich weiß es wirklich nicht“, sagte Eckhard Hieronymus nachdenklich, „etwas scheint bei dem Rat nicht zu stimmen, er war mehr mit sich beschäftigt, als dass er sich den andern Menschen in der Sakristei zugewandt hätte. Seine Erregung mit dem roten Kopf irritierte mich, nur weil ihm eine kleine Wissenslücke bloßgelegt wurde. Er musste doch den Bildungsstand erreicht haben, dass es nicht auf das Wissen als solches, sondern auf das Wissen in der Erkenntnis ankommt, auf das so viele Bibelstellen hinweisen.“ „Kann es sein“, fragte Luise Agnes, „dass dem Konsistorialrat die Verwaltungsarbeit über den Kopf gewachsen ist, die ihn so sehr überfordert, dass er zum Bibellesen nicht mehr genügend Zeit hat. Obwohl es schon ungewöhnlich im Beruf eines Geistlichen ist, wenn er sich die Zeit zum Bibellesen nicht mehr nimmt.“ „Wie gesagt, ich weiß es nicht“, entgegnete Eckhard Hieronymus, „aber ein Geistlicher, ungeachtet seines Höhenstandes in der Hierarchie der Kirche, kann sich eigentlich nicht Geistlicher nennen, wenn er der Bibel nicht die höchste Priorität in seinem Beruf gibt. Gerade das ständige Lesen der Bibel mit der Meditation über das Wort der göttlichen Botschaft unterscheidet ihn von einem normalen Verwaltungsmann, dem es um die Ordnung der äußeren Dinge geht, und der zufrieden ist, wenn diese Dinge stimmen.“ Luise Agnes

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