Die Dorfbrunners. Helmut Lauschke
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„Den Frauen war es genug. Sie zupften ihren Männern immer energischer an Ärmel und Rock, die sich an den Wissensblasen gefielen, war es aktiv oder passiv. Der Oberstudiendirektor brachte den Satz des Konfuzius von der Geltung des Wissens und Nichtwissens im Wissen. Du weißt, dass Vater mir diesen Satz in seiner Version: „Was man weiß als Wissen gelten lassen, was man nicht weiß als Nichtwissen gelten lassen, das ist Wissen.“ in regelmäßigen Abständen vorgehalten hat, besonders dann, wenn eine Klassenarbeit bevorstand. Ich habe den Ausspruch nie richtig verstanden, hielt ihn für banal und leer. Erst viel später an der Universität mit den schwadronierenden Dozenten und Professoren, als wüssten sie alles, ist mir die Bedeutung des Satzes aufgegangen. Paulus sagt es doch im 1. Korintherbrief: „Wenn sich jemand dünken lässt, er wisse etwas, der weiß noch nicht, wie man erkennen soll.“ Durch das wiederholte Zupfen ihrer Frauen erinnert, verabschiedeten sich endlich die Herren mit ihren Frauen. Der Konsistorialrat und seine Frau hätten fast vergessen, mir die Hand zu geben.“ Da machte Luise Agnes doch ein ernstes Gesicht. „Dem Rat kam bezüglich der Predigt kein Wort über die Lippen. Nur Dr. Hauff und seine Frau sagten zum Abschied, dass ihnen die Predigt gefallen habe; sie sei die beste gewesen, die sie seit Monaten gehört hätten. Ähnlich verhielt sich der Gutsherr, der von einer gehaltvollen Predigt sprach. Wie gesagt, beim Oberstudiendirektor, der sein Wissen zu sehr aufgeblasen hatte und mit der Blase imponierte, hatte ich meine Bedenken in Bezug auf seine Ehrlichkeit. Schließlich waren die Leute vom Konsistorium gegangen, und ich blieb mit Küster Krause in der Sakristei zurück. Die Tür war noch nicht zu, da legte der Küster mit einer Lobestirade los, die nur schwer zu stoppen war. Wie sagte er doch; die Menschen seien von der Predigt ergriffen gewesen, ich hätte ihnen Mut gemacht, ihnen Grund zur Hoffnung und zum Selbstvertrauen gegeben; ich hätte kraftvolle Worte gesprochen, die in die Herzen gingen. Er sagte, es sei die beste Predigt gewesen, die er in seiner siebzehnjährigen Dienstzeit gehört habe. Wenn ich so weitermache, hätte ich jeden Sonntag eine volle Kirche.“ Luise Agnes schmunzelte. „Herr Krause übertrieb, als er sagte, ich hätte mit der Predigt den Nagel auf den Kopf getroffen, die Balken aus den Augen gezogen. Ich musste heftig werden, damit er ein Ende fand. schließlich sagte er, ich würde mit meiner Sprache einen schweren Stand haben, weil es hier Leute gibt, die ihren Neid nicht unter Kontrolle bringen. Er nannte keinen Namen, und ich wollte auch keinen Namen wissen.“
Luise Agnes machte ein betroffenes Gesicht. Sie holte die Kanne mit dem aufgebrühten Tee aus der Küche, füllte die Tassen und rührte den Zucker ein. „Das hört sich ja nicht sehr willkommen an“, sagte sie und legte den Teelöffel auf die Untertasse, „ich hatte mir das alles doch freundlicher vorgestellt. Vor allem das Verhalten des Konsistorialrates schockiert mich. Ich hatte ihn anders eingeschätzt, dass er ein Herr von Format sei, das ich seinem Alter und seiner Funktion als Geistlicher mit langer Erfahrung zugetraut habe.“ „Das hatte ich auch erwartet von einem, der sich die Seelsorge zum Beruf gemacht hat, sei es als Geistlicher, als Psychologe oder als Arzt in der Psychiatrie“, erwiderte Eckhard Hieronymus. „Ich glaube, dass man zur Seelsorge geboren sein muss; die Sorge um die Seele muss dem Menschen von Geburt an mitgegeben werden, muss ihm im Blut liegen“, sagte Luise Agnes. „Da hast du völlig recht“, bemerkte Eckhard Hieronymus, „zur Seelsorge muss man berufen sein, dann klappt es auch mit dem Beruf.“ „Vielleicht ist diese Berufung beim Konsistorialrat zu kurz gekommen, waren die genetischen Weichen nicht richtig gestellt, war die Berufung zur Seelsorge den Blutzellen zu dünn aufgedrückt oder nicht tief genug in den Zellkern eindrückt worden, weil das entsprechende Chromosom von Anfang an zu schwach ausgebildet war oder Schaden erlitten hatte“, gab Luise Agnes zu bedenken. „Ich weiß es wirklich nicht“, sagte Eckhard Hieronymus nachdenklich, „etwas scheint bei dem Rat nicht zu stimmen, er war mehr mit sich beschäftigt, als dass er sich den andern Menschen in der Sakristei zugewandt hätte. Seine Erregung mit dem roten Kopf irritierte mich, nur weil ihm eine kleine Wissenslücke bloßgelegt wurde. Er musste doch den Bildungsstand erreicht haben, dass es nicht auf das Wissen als solches, sondern auf das Wissen in der Erkenntnis ankommt, auf das so viele Bibelstellen hinweisen.“ „Kann es sein“, fragte Luise Agnes, „dass dem Konsistorialrat die Verwaltungsarbeit über den Kopf gewachsen ist, die ihn so sehr überfordert, dass er zum Bibellesen nicht mehr genügend Zeit hat. Obwohl es schon ungewöhnlich im Beruf eines Geistlichen ist, wenn er sich die Zeit zum Bibellesen nicht mehr nimmt.“ „Wie gesagt, ich weiß es nicht“, entgegnete Eckhard Hieronymus, „aber ein Geistlicher, ungeachtet seines Höhenstandes in der Hierarchie der Kirche, kann sich eigentlich nicht Geistlicher nennen, wenn er der Bibel nicht die höchste Priorität in seinem Beruf gibt. Gerade das ständige Lesen der Bibel mit der Meditation über das Wort der göttlichen Botschaft unterscheidet ihn von einem normalen Verwaltungsmann, dem es um die Ordnung der äußeren Dinge geht, und der zufrieden ist, wenn diese Dinge stimmen.“ Luise Agnes