Die Legende der irischen Wolfskönigin. Gerhard Kunit

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Die Legende der irischen Wolfskönigin - Gerhard Kunit

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seinem Griff und räumte die leeren Krüge von den Tischen.

      „Und wir werden jetzt alle brave englische Untertanen“, schnitt Ryan sein Lieblingsthema an, während er die Krüge trocken rieb. „God Save The King! Ist gerademal zwei Jahre her, dass sie unsere Jungs erschossen haben. Ich frag mich, ob wir uns zukünftig selbst auf den Kopf scheißen dürfen.“

      „Ist mir doch gleich, wem ich die Pacht und die Steuern zahle“, sagte Shane, der das karge Land östlich des Dorfs bewirtschaftete, doch er stieß damit auf erbitterten Widerspruch. „Was wollt ihr denn machen?!“, rief er schließlich in die hitzige Debatte.

      „Ich sag dir, was ich machen will“, antwortete Ryan. „Die Franzosen haben ihren König um einen Kopf kürzer gemacht und seine Speichellecker gleich mit.“

      „Und was haben sie davon außer Krieg?“, wandte Dough O’Cleary ein. „Die können nicht gegen ganz Europa gewinnen. Hat dir das Blutbad vor zwei Jahren nicht gereicht? ‚Wir befreien euch‘, haben sie gesagt und wir haben ihnen geglaubt. Die Franzosen haben sich wieder dünne gemacht, und unsere Jungs baumelten am Galgen.“

      „Wir stehen auf der falschen Seite, sag ich euch“, beharrte der Wirt. „Dieser Naplon hat die Österreicher geschlagen, und die Franzosen kommen wieder, wenn sie erst sehen, dass wir uns wehren. Wir sollten nach Sligo gehen und die Englischen hinausprügeln.“

      „Beim letzten Mal hast du deinen Bruder Kyle verloren und ich meine Saoirse“, sagte Dough mit plötzlichem Schwermut. „Ich hab die Schnauze voll. Ich such jetzt meinen Tom und geh heim.“

      „Ich hab dir gesagt, halt dein Maul“, sagte Ari zu Ryan, trank aus und wandte sich ebenfalls zum Gehen. „Trotzdem danke fürs Bier. Ellie, gib mir Bescheid, falls es Patrick schlechter geht.“

      „Dieser Vollidiot“, schimpfte Dough, als er auf der Straße stand und sich nach seinem Sohn umsah. „Reicht es nicht, wenn wir unsere Kartoffeln und unsere Gerste anbauen und abends unser Bier trinken?“

      „Es ist Wut in seinem Herz“, sagte Ari. „Er sucht Gerechtigkeit, doch die wird er im Zorn nicht finden. Ich frage mich, ob er das irgendwann versteht. Maeve! Wo steckst du?! Wir gehen heim!“

      „Hallo Mama!“, rief das Mädchen, als es um die Ecke schoss. „Das ist Tom“, keuchte sie und zeigte auf den Jungen, der hinter ihr lief. „Eileen kennst du ja.“

      „Tom kenne ich auch“, lachte Ari. „Ich hab bei seiner Geburt geholfen. Gute Nacht.“

      „Gute Nacht“, sagte Dough und hielt ihre Hand etwas zu lange, bis sie sie jäh zurückzog.

      „Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Maeve, als sie in der Abenddämmerung über die Wiesen marschierten.

      „Ja, alles bestens“, antwortete ihre Mutter. „Wenn du möchtest, kannst du jetzt öfter ins Dorf gehen und mit den Anderen spielen, wenn du deine Arbeit erledigt hast.“

      * * *

      „Du bist schnell“, keuchte Eileen, als sie sich neben Maeve und Tom ins Gras fallen ließ. „Ich finde das schön, dass du jetzt mit uns spielen darfst.“

      „Ich auch“, befand Tom. „Der Sommer macht mit dir viel mehr Spaß. Willst du heute bei uns zu Hause schlafen?“

      Maeve schüttelte den Kopf. „Manchmal fürchte ich mich noch im Dorf“, sagte sie.

      Die anderen sahen sie überrascht an.

      „Ihr habt mich an den Haaren gezogen und Erde nach mir geworfen. Die Erwachsenen haben mich angespuckt oder mit ihrer Faust bedroht“, brach es aus ihr heraus. „Glaubt ihr, es ist schön, als Feenbalg beschimpft zu werden? Alle haben mich ausgelacht und beschimpft, und manche tun es noch. Dieser Seamus ist am schlimmsten.“

      „Das tut mir leid“, sagte Eileen und legte ihren Arm um Maeves Schultern. „Ehrlich. Und Seamus ist sowieso ein Idiot. Du hast meinen kleinen Bruder gerettet. Das vergess ich dir nie.“

      „Meine Mama hat ihm geholfen“, wehrte Maeve ab. „Ich hab nur zugesehen.“

      „Patrick erzählt da was anderes“, beharrte Eileen. „Er sagt, seine Brust wär ganz heiß geworden, als du deine Hand draufgelegt hast, und dann hätt er wieder Luft gekriegt.“

      „Manchmal wünschte ich mir, ich hätte einen Bruder oder eine Schwester“, sagte Tom nachdenklich. „Aber Mama ist tot, und Papa weint manchmal, wenn er glaubt, ich schlafe schon.“

      „Ich hab auch keine Geschwister“, sagte Maeve. „Aber Mama und ich kommen gut zurecht. Trotzdem würde mir ein kleines Brüderchen gefallen. Da hast du Glück, Eileen.“

      „Wo ist dein Papa?“, erkundigte sich Eileen.

      „Weiß ich nicht“, sagte Maeve. „Ich glaub, ich hab gar keinen.“

      „Jeder hat einen Papa“, beharrte das blonde Mädchen.

      „Vielleicht wirst du ja bald meine Schwester“, sagte Tom, und seine Miene hellte sich auf. „Ich würd mich freuen.“ Er bemerkte Maeves verwunderten Blick. „Ist dir noch nie aufgefallen, wie mein Papa deine Mama anschaut? Das sieht doch ein Blinder.“

      „Wo hast du den Spruch denn her?“, erkundigte sich Eileen schnippisch.

      „Von deiner Mama“, trumpfte der Junge auf. „Die hat’s deinem Dad erzählt, und der hat gelacht.“

      „Ich weiß nicht“, warf Maeve schüchtern ein. „Ich könnt mir das schon vorstellen, dich als Bruder, aber ich glaub, Mama ist lieber alleine.“

      Die Kinder lagen im Gras, sahen den ziehenden Wolken nach und lauschten dem Lied der Grillen. Vieles ging Maeve durch den Kopf. Das Krachen der Äxte mischte sich in den rauen Ton der Kriegspfeifen und die Schreie der Kämpfenden. Ein Rabe krächzte, und als sie sich nach ihm umwandte, stand sie plötzlich in einem Kreis heiliger Steine. Eine junge Priesterin kniete vor dem Zentralstein und richtete ein Opfer aus geflochtenen Kräutern. Ihr blondes Haar schimmerte im Sonnenlicht, als sie den Kopf hob und Maeve geradewegs in die Augen sah.

      * * *

      „Schau!“, rief Tom. „Ist das riesig!“

      Maeve öffnete die Augen, und der Tagtraum zerstob. Ein Schiff lief mit halben Segeln in die Bucht. „Ist das ein Engländer?“, erkundigte sie sich.

      Tom nickte. „Siehst du die Flagge ganz hinten? Das rote Balkenkreuz auf dem weißen Grund? Und das blaue Rechteck mit dem doppelten roten Kreuz ist unsere neue Fahne.“

      „Deren Fahne“, widersprach Eileen. „Wir sind Iren.“

      „Siehst du den hellen Streifen mit den Luken?“, fuhr Tom unbeirrt fort. „Hinter jeder einzelnen ist eine Kanone, und der hat ….“ Sein Finger huschte durch die Luft. „Sechzehn nur auf dieser Seite und nochmal zehn am Deck.“

      „Wo der wohl hinwill?“, fragte Maeve, doch Ballysadare war sowieso der einzige Hafen, der für ein so großes Schiff geeignet war.

      „Die wollen uns zeigen, wie stark sie sind“, sagte Eileen und spie angewidert aus, wie sie das von ihrem Vater kannte, sobald das Gespräch auf die Engländer kam. „Und die Frage lautet: Was

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