Kanonen für Saint Helena. Ole R. Börgdahl
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Читать онлайн книгу Kanonen für Saint Helena - Ole R. Börgdahl страница 8
»Général Bonaparte, würde ich ihn titulieren«, warf der Ritmeester ein. »Schließlich hat der Korse aus freien Stücken abgedankt, wenn auch nicht ohne ein wenig Druck seines Volkes.«
Ich enthielt mich eines Kommentars. Captain Cook fuhr fort.
»Jedenfalls hat Général Bonaparte vor ein paar Tagen ein Bittgesuch an die Krone gerichtet. Dieses Bittgesuch haben Général Savary und der Comte de Las Cases an Captain Maitland, Kommandeur der HMS Bellerophon gerichtet. Sie müssen wissen, die Bellerophon operiert seit Anfang Juli in den Gewässern vor Rochefort. Es ist anzunehmen, dass Général Bonaparte aus genau diesem Grunde ebenfalls nach Rochefort geflüchtet ist, um an Bord eines britischen Schiffes zu gelangen.«
»Das ist doch unverständlich«, sagte de Groot. »Er hätte sich doch schon viel früher Wellington ergeben können und das als Kaiser.«
»Er will sich nicht ergeben, er will Zuflucht. Ich habe mit dem Comte de Las Cases gesprochen. Napoléon muss befürchten, dass ihn die Bourbonen, die Preußen oder Österreicher in Ketten legen, wenn er Frankreich nicht verlässt.«
»Und wir würden ihn nicht in Ketten legen?«, fragte Captain Gambier.
»Das kann ich nicht beantworten.« Captain Cook zuckte mit den Schultern. »Ich kann Ihnen nur die Fakten nennen.«
»Wird Ludwig XVIII. denn zurückkehren?«, fragte ich. »Oder gibt es einen neuen Plan für Frankreich?«
»Das ist Politik. Als Offizier der Krone kann ich Ihnen auch diese Frage nicht beantworten.« Er zögerte. »Ich weiß aber, dass Ludwig schon wieder nach Paris zurückgekehrt ist.«
»Dann kann es also stimmen, dass Ludwig sich an Napoléon rächen wird«, warf ich ein.
»Wir sind doch zivilisiert, wer denkt denn an Rache. Bestrafung vielleicht, aber viel wichtiger ist es doch, dass es ein weiteres Aufbegehren Napoléons nicht geben darf. Dies vor allem zum Wohle des Friedens zwischen den Nationen.«
»Was werden die Briten also unternehmen, um den Frieden zu sichern?«, fragte Ritmeester de Groot.
»Ich weiß es nicht, oder doch, ich weiß, dass Général Bonaparte aufgefordert wird, an Bord der HMS Bellerophon zu gehen. Hierzu soll Ihr Schiff, verehrter Captain Gambier Geleitschutz geben. Das ist eigentlich meine Mission, Ihnen diesen Befehl zu übermitteln, obwohl Sie ja bereits ähnliche Instruktionen hatten. Die HMS Slaney befindet sich übrigens bereits im Geleit der Bellerophon.«
*
Am 15. Juli liefen wir in die Bucht von Rochefort ein. Ritmeester de Groot blieb an Bord der HMS Myrmidon. Ich selbst ließ mich mit dem ersten Proviantboot an Land bringen. Captain Cook hatte eine weitere Information gegeben. Napoléon war nicht in der Stadt anzutreffen, sondern auf der vorgelagerten Île-d’Aix. Ich stieg also in Port-des-Barques von dem einen Boot in ein anderes und ließ mich zur Insel übersetzen. Ich war nicht der einzige Passagier und es war sogar mein großes Glück, dass ich Doctor O'Meara kennenlernte. Er schwieg sich zunächst über seine Mission aus und ich glaubte schon, er sei ein Schaulustiger, der einen Blick auf den ehemaligen Kaiser werfen wollte, wie einige andere Leute, die aber auch mit Bestechungsgeld nicht an Bord der Segelfähre gelassen worden waren.
Die Überfahrt dauerte fast eine Stunde und in dieser Zeit konnte der Doctor nicht stillhalten. Er begann mich auszufragen und gab dabei selbst preis, dass er Schiffsarzt auf der HMS Bellerophon sei, was mich wiederum hellhörig werden ließ. Ich gab dann zu, Napoléon Bonaparte einen Besuch abstatten zu wollen und erzählte von meiner Zeit auf Elba und meine dortige Beziehung zum Kaiser. Daraufhin erfuhr ich, dass der Doctor in seiner Eigenschaft als Arzt und Chirurg von Napoléon angefordert worden sei. Noch während des Kennenlernens sah ich in Doctor O'Meara die Gelegenheit von der HMS Myrmidon auf die Bellerophon zu wechseln, um das Schicksal Napoléons weiterhin begleiten zu können.
Die Île-d’Aix ähnelte einer verlassenen Festung und ließ nicht darauf schließen, dass der ehemalige französische Kaiser auf der Insel logierte. Es wäre sicherlich möglich gewesen jeden Punkt der Insel zu Fuß zu erreichen, dennoch wartete eine kleine Kutsche auf uns, gezogen von zwei kräftig gedrungenen Ponys. Wie selbstverständlich folgte ich dem Doctor. Wir wurden zu einem Gebäude mit weißgetünchter Fassade gebracht, auf dem keine Standarte oder Fahne die Anwesenheit des hohen Gastes verriet.
Doctor O'Meara wurde bereits erwartet und beim Betreten des Gebäudes mussten wir uns trennen. Ein Diener geleitete mich in einen hellen Raum und bewirtete mich sogleich mit einem Imbiss. Ich nahm meinen Teller und das Glas Wein und ging hinaus auf einen Innenhof, in dessen Mitte ein kleiner Baum stand. Es war der erste Baum, den ich auf der Insel sah. Die frisch geharkte Erde in die er gepflanzt war, hatte eine Umrandung aus weißen, glatten Steinen, die wie poliert aussahen. Ich studierte die Anordnung, das Schwarz der Erde, das makellose Weiß der großen Kiesel. Alles erinnerte mich an ein frisches Grab. Und sofort traten mir wieder die Bilder der letzten Schlacht bei Waterloo in die Augen.
»Welch eine Überraschung! Was machen Sie denn hier, verehrter Monsieur Hanson?«
Die Ansprache riss mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um und noch bevor ich den Mann sah, der in den Hof getreten war, hatte ich ihn an der Stimme erkannt. Général Claude Marie Arnauld eilte mit schnellen Schritten auf mich zu und reichte mir die Hand.
»Welch eine Freude, Sie gesund wiederzusehen, mein lieber Monsieur Hanson, Capitaine Hanson. Es tut mir noch immer leid, dass Sie Ihr Schiff eingebüßt haben. Ich hoffe, Sie konnten inzwischen für Ersatz sorgen.«
Arnaulds Worte kamen euphorisch über seine Lippen. Er schüttelte immer noch meine Hand, ohne dass ich Gelegenheit hatte, etwas zu erwidern. Dann ging er einen Schritt zurück, befreite mich endlich aus seinem Griff und sah mich von oben nach unten an.
»Aber nein, Sie tragen ja wieder den Rock Ihres Landes, stehen wieder in Diensten Bernadottes. Ist das richtig? Führt Sie eine Mission hierher? Wollen Sie eine Audienz beim Kaiser? Es ist zur Zeit etwas schwierig …« Er stutzte. »Ich lasse Sie ja gar nicht zu Wort kommen. Entschuldigen Sie, Monsieur Capitaine, oder nein, Sie tragen ja die Uniform eines Majors. Ich gratuliere zur Beförderung.«
Nach diesem Monolog herrschte zwischen uns einige Sekunden Schweigen. Arnauld lächelte verlegen und endlich entschloss ich mich zu einer Erwiderung.
»Sie haben davon gewusst. Unsere Reise nach Sardinien war ein Ablenkungsmanöver.« Ich musste mich zügeln, damit meine Stimme nicht zu aufgeregt klang.
Arnauld zuckte mit den Schultern und gab meiner Anschuldigung damit recht. »Ich habe auch nur die Befehle des Kaisers ausgeführt und er ist dem Rat seiner Maréchaux gefolgt. Er musste sein Exil verlassen, Frankreich war in großer Gefahr, ist es immer noch, aber jetzt kann selbst ein Napoléon nichts mehr ausrichten.«
»Ich will doch meinen, dass die Alliierten anders darüber denken«, erwiderte ich.
»Sie sprechen von Österreich und den Preußen?« Arnauld schüttelte den Kopf. »Diese Nationen haben kein Recht, sich in Frankreichs Angelegenheiten einzumischen. Wissen Sie überhaupt, was diese ganze Serie von Kriegen ausgelöst hat? Wissen Sie überhaupt, dass sich Frankreich immer nur verteidigt hat? Die Geschichte ist verfälscht worden, weil ein genialer Heerführer wie Napoléon Bonaparte sich nicht einfach nur verteidigt, sondern auch zurückgeschlagen hat, was sein, was Frankreichs gutes Recht war und ist.«
»Darüber