Alvine Hoheloh. Amalia Frey

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Alvine Hoheloh - Amalia Frey Alvine Hoheloh - Blaustrumpf

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zurück auf sie zu. Er setzte ab, schüttelte den Hut ungelenk aus und sah sie an. Seine bis dahin ungewöhnlich entspannte Körperhaltung zuckte bei ihrem Anblick zusammen und seine blauen Iriden hellten sich sichtlich auf. Obgleich seine Augen auffallend groß waren und sein Gesicht kindlich machten, schätzte Alvine ihn auf etwa zwanzig.

      Seine Mundwinkel vibrierten merklich und er schien nach Worten zu ringen. Schließlich und endlich verneigte er sich demütig vor ihr, wobei ihm sein strohblondes, kinnlanges Haar ins Gesicht fiel. Mit einer Hand strich er sich durch seine weiche Mähne und richtete sie, ehe er sprach: »Verzeihen Sie, ich kann nicht in Worte fassen, wie unentschuldbar mein Verhalten war.«

      »Da muss ich Ihnen leider recht geben. Sie hätten jemanden ernsthaft verletzen können«, erwiderte Alvine verärgert, allerdings vielmehr fasziniert von seinem auffällig ansehnlichen Gesicht.

      Ihr Gegenüber lächelte scheu, bevor er antwortete: »Wohl kaum, ich habe mein Pferd fest im Griff und das habe ich mit meinem Spießrutenritt bewiesen.«

      »Ihr Pferd offensichtlich. Aber wen auch immer Sie mit Ihrem Husarenstück zu beeindrucken versuchten – Sie können nie Einfluss darauf nehmen, wie Ihre Mitmenschen reagieren. Ein Kind beispielsweise hätte vielleicht entgegen dem Überlebensinstinkt gehandelt und wäre nicht vorbei, sondern Ihnen genau entgegengesprungen.«

      Die Erkenntnis erhellte seinen Gesichtsausdruck und sogleich biss er sich auf die Unterlippe. Erneut senkte er demütig den Kopf und gab ihr recht: »Daran hatte ich beim besten Willen nicht gedacht.«

      »Somit war Ihr Handeln nicht nur gefährlich, sondern auch höchst egoistisch, mein Herr!« Alvine konnte sich nicht erinnern, je einem Menschen eine Strafpredigt gehalten zu haben, und nun tat sie es bei jemandem, der ihr doch völlig fremd war.

      »Den Hut …«, lenkte er ab, »werde ich reinigen lassen.«

      »Machen Sie sich keine Umstände, ich mag ihn sowieso nicht gern.« Jetzt erst nahm sie Emmis hochgezogene Braue aus dem Augenwinkel wahr.

      »Aber wie kann ich es wieder gut machen?«, fragte der Hüne höflich lächelnd.

      »Ich weiß nicht … vielleicht versprechen Sie, nie mehr gefährdend zu handeln … und kaufen Sie den umstehenden Kindern Zuckerwatte«, gab sie zurück. Auch sie lächelte nun.

      Ehe er antworten konnte, wurden sie erneut vom lauten Getrappel wilder Hufe unterbrochen. Eine offene Kutsche näherte sich und Emmi stöhnte auf. Auf dem Kutschbock saß Rupprecht, ein schwarzer gut angezogener Mann von Statur. Er war im Geiste Emmis großer Bruder, Strafvollzugsbevollmächtigter und Beschützer zugleich.

      Genau vor ihnen hielt er, und während er abstieg und flink die niedrige Türe zu den Hinterbänken öffnete, rief er: »Liebes Fräulein Emmi, ich bin untröstlich, aber Ihr Vater bestellt Sie auf schnellstem Wege nach Hause.«

      Obwohl hörbare Ergebenheit in seiner tiefen Stimme mitklang, erlaubte seine Mimik keine Verhandlung und entgegen ihrer Natur greinte die Angesprochene nicht, sondern nahm seine liebevoll dargebotene Hand und ließ sich in die Kutsche helfen.

      »Du kommst doch mit, oder?«, wandte sie sich an Alvine und darauf wie ein bettelndes Kind an Rupprecht: »Nicht wahr, wir bringen erst Winnie nach Hause und dann …«

      »So leid es mir tut, liebes Fräulein Emmi, ich habe den Auftrag, Sie unverzüglich heimzuschaffen«, worauf er der Gemeinten hilfreich nur den Arm anbot. »Aber ich werde Ihre Freundin danach gerne fahren, wohin auch immer sie möchte.« Er linste merklich naserümpfend auf den jungen Mann bei Alvine und machte so deutlich, dass er die beiden unter keinen Umständen alleine lassen würde.

      Sie lächelte daraufhin und knickste kurz vor dem Fremden, ehe auch sie in die Kutsche stieg.

      »Erfahre ich Ihren Namen?«, rief der ihr hinterher, doch ehe sie antworten konnte, ging Rupprecht, auf den Kutschbock steigend, dazwischen: »Das ist wohl kaum im Rahmen des Nötigen.« Er ließ die Peitsche knallen und die Damen entfernten sich in Windeseile aus des Fremden Blickfeld.

      Alvine Hohelohs bernsteinfarbene Augen hafteten auf den blauen Iriden des Hünen, der dort noch immer stand, ihren durchgeweichten Hut umklammerte und erneut sein Herz an sie verloren hatte.

      °°°

      »Alvine, mein Kind, was hast du?«

      Immer, wenn Dorothea Hoheloh den Namen ihrer einzigen Tochter aussprach, legte sich ein zutiefst zärtlicher Zug um ihre Lippen. Und mit ebenso viel Liebe blickte sie auf ihr Mädchen, das ihr so ähnlich sah. Die gleiche Statur, die gleichen Augen, nur etwas größer als sie. Doch im Gegensatz zu ihr war Alvine gesegnet mit der zarten rotgoldenen Haut ihres Vaters und mit seinen wunderschönen dunklen Haaren.

      Natürlich war die gnädige Frau auch auf das Aussehen ihrer zwei Söhne stolz, hatte jedoch nie hinter den Berg gehalten, dass ihre Tochter eine perfekte Synthese aus Alfred und ihr war.

      Das junge Mädchen saß, die langen Locken noch feucht von der wöchentlichen Pflege mit Rosenseife und Sesamöl, im lichtdurchfluteten Wintergarten, umgeben von der reichen Orchideenzucht ihrer Mutter. Sie hatte ein Buch aufgeschlagen, starrte aber schon minutenlang ins Nichts.

      »Ich träume nur, Mama.«

      »Das sehe ich, doch mir scheint dein Träumen heute eher quälend. Bereits seit gestern Abend bist du so abwesend.«

      »Ach Mama, wie lieb, dass du dich sorgst. Vielleicht ist es von allem ein bisschen. Das Unternehmen, Frau Lange, Papa, die Arbeit …«

      »Wenn es dir zu viel wird, sag es uns. Niemand verlangt von dir, einer Neunzehnjährigen, all das allein zu bewerkstelligen.«

      »Es ist nicht zu viel, ich muss nur ausgiebig darüber nachdenken.«

      »Pass nur auf, dass du nicht ins Grübeln gerätst. Dazu neigen wir Damen. Und Grübeln schadet der Heiterkeit.«

      »Gewiss, Mama.«

      »Ich gehe. Elfriede Fürstenberg lädt zum Kaffee ein.«

      Alvine sah verdutzt auf: »Nur ihr beide?«

      Über Dorotheas Gesicht huschte ein stolzes Lächeln.

      »Oha, wie hast du das geschafft?«

      »Nun, du weißt das, Kind …«, und den zweiten Teil sprachen sie gleichzeitig, »man muss die Dinge vom Ende her planen.«

      Darauf lachten sie, und Alvine erhob sich und folgte der Mutter durch die weiten Flure in den prunkvollen Eingangssaal vor den breiten Spiegel, wo bereits Alma, Dorotheas Dienstmädchen, stand. Diese half der gnädigen Frau, sich straßenfein zu machen.

      Dorothea richtete ihren Blick in ihres und das Spiegelbild ihrer Tochter. Die zierliche und hochgewachsene Alvine wirkte in den hohen Räumen und vor der imposanten Treppe in den ersten Stock immer etwas verloren. Vermutlich mutete aber selbst ein vierschrötiger Stallbursche unterhalb dieser überwältigenden Deckenhöhe winzig an.

      Während die Herrin sich von Alma das Haar richten ließ, sagte sie: »Frau Fürstenberg ist bei Weitem nicht so kauzig und verschroben wie ihr Gatte. In unserem Gewerbe ist es üblich, dass sich alle kennen, und somit gelang es mir, sie auf verschiedenen Damenveranstaltungen stückchenweise zu bezirzen. Auf Bällen freilich habe ich mich höflich zurückgehalten, denn ihr Mann

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