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Seufzend schlüpfte Maggie in ihren dunkelblauen Trenchcoat. Regen prasselte monoton gegen die Scheiben. Ähnlich fühlte sich ihr Leben an. Grau in Grau, denn sie vermisste Alec, der sich in seine Arbeit verkroch und wenn sie sich trafen, wirkte er abwesend. Nie hatte sie sich einsamer gefühlt als jetzt. Alec war zwar hier und doch schien er meilenweit fort.
„Na, träumst du schon von eurem großen Tag?“
Maggie schreckte von ihren Gedanken hoch und blickte zu Ernie, der grinsend in der Tür zu seinem Büro stand. Das Hawaii-Hemd spannte sich um den korpulenten Bauch, der sich wiederum über die schwarze Hose wölbte. Die goldene Uhr blitzte auf, als er die behaarten Arme in die Hüften stemmte. Vom Haarwuchs am Körper konnte sein kahler Kopf nur träumen. Selbst auf der Brust und am Rücken zeigte sich ein regelrechtes Fell, was sie beim letzten Betriebsausflug in das örtliche Schwimmbad festgestellt hatte. „Äh, was hast du gefragt, Ernie?“
Lächelnd winkte er ab. „Bist wohl noch blau vom Junggesellinnen-Abschied, was?“
„Meiner ist schon eine Woche her“, mokierte sich Maggie. „Und ich kam nüchtern heim, was ich dir übrigens am Montag erzählt habe.“ Geschweige denn wusste Ernie von ihrer Abneigung gegen Alkohol. Sie vertrug ihn schlichtweg nicht.
„Geschenkt“, tat Ernie ihre Erklärung ab. „Allerdings hast du mir vorenthalten, dass deine Mom und Polly ziemliche Schluckspechte sind. Sie sollen reichlich betrunken gewesen sein.“
Kein gutes Thema. Maggie schämte sich noch jetzt für den Auftritt ihrer Mom. Sie hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als im Texas auf der Bar zu tanzen. Das sah ihr gar nicht ähnlich, da ihre Mutter seit dem Tod des Vaters ziemlich zurückgezogen lebte. Allerdings schien der Alkohol eine ähnlich verheerende Wirkung auf ihre Mom zu haben, die vom Verlauf des Abends keinen blassen Schimmer mehr hatte. Filmriss – ähnlich, wie es bei Maggie einige Jahre zuvor gewesen war. Dass sie damals strippen wollte, hatte sie nach zwei von Übelkeit geprägten Tagen durch Alec erfahren, der sie damals gottlob nach Hause gebracht hatte. Nicht auszudenken, was ohne ihn passiert wäre. So gesehen war sie die Letzte, die über ihre Mom richten durfte. „Sie verkraftet es nur schwer, dass ich bald ausziehe“, bemüßigte sich Maggie zu einer Erklärung, die nicht aus der Luft gegriffen war.
„Und Polly hat sich besoffen, weil du zu ihnen ziehst?“ Schallend lachend schlug sich Ernie auf die Schenkel. Er war ein Urgestein in Redruth. Seine Witze waren in einem ähnlichen Alter!
„Wie lustig du bist.“ Maggie nahm die Tasche vom Schreibtisch und klemmte sie sich unter die Achseln, bevor sie zum grasgrünen Regenschirm griff, der auf der Fensterbank lag.
„Mensch, Maggie, ich freue mich doch, dass deine Mom wieder unter die Leute geht“, lenkte Ernie ein. „Davon abgesehen soll man es vor der Hochzeit ordentlich krachen lassen. Alec hat das verstanden, du ja eher nicht.“
„Ach ja? Alec hat es krachen lassen?“, wiederholte sie spitz.
„Tu nicht so, als wüsstest du von nichts.“ Leicht verwirrt blickte Ernie sie an. Zudem wirkte sein Grinsen wie eingefroren.
„Was soll ich wissen?“ Allmählich wurde es Maggie zu bunt. Nicht nur, dass Alec mittlerweile fast ein Phantom war, schien zu allem Überfluss jeder mehr von ihm mitzukriegen, als sie. „Wir hatten bisher keine Gelegenheit, um über seinen Abend mit den Jungs zu sprechen.“ Alecs Feier hatte vor zwei Tagen stattgefunden.
Ernie lachte gekünstelt auf. „Ausgerechnet ihr zwei?“ Er wandte sich zum Gehen. „Wer soll das glauben? Ihr klebt zusammen, seitdem ihr klein seid. Deswegen setze ich mich sicher nicht in die Nesseln und plaudere über Dinge, die mich sowieso nichts angehen, da ich …“ Seine Stimme war kaum noch zu hören. Dann flog die Tür ins Schloss. Offensichtlich war er in die Werkstatt gegangen. Toll!
„Danke für das Gespräch!“, zischte Maggie und verließ das Büro. Natürlich hätte sie Ernie folgen können, um ihn wegen seiner kryptischen Aussagen zur Rede zu stellen, aber sie scheute davor zurück. Und während sie im strömenden Regen zu ihrem Auto lief, fragte sie sich, weshalb sie das tat. Wovor hatte sie solche Angst? Davor, dass Alec etwas vor ihr verbarg? Denn da war zweifelsohne eine Kluft zwischen ihnen. Viele ungesagte Worte und keine Antworten auf ihre vielen Fragen.
„Maggie, was für ein netter Zufall!“
Lydia! Ausgerechnet diese Schnepfe.
Maggie steckte den Schlüssel ins Autoschloss und sperrte ihren Peugeot auf. Sie hatte keine Lust, sich umzudrehen. „Spar dir die gespielte Freundlichkeit, Lydia.“ Diese Frau hatte von Anfang an etwas gegen sie gehabt. Genau genommen, seitdem sie zum ersten Mal im Texas aufgetaucht war. Alec, der sich früher im Gegensatz zu ihr mit Lydia verstanden hatte, machte ebenfalls schon lange einen großen Bogen um sie. Darüber war Maggie keineswegs traurig, da diese Frau jeden umgarnte, der sie länger als zwei Sekunden anschaute. Man erzählte sich sogar, dass sie ständig Affären mit verheirateten oder vergebenen Männern hatte.
„So kratzbürstig?“, belustigte sich Lydia. „Ist dein Luftschloss geplatzt?“
Maggie stand mittlerweile in der geöffneten Tür und warf die Tasche auf den Beifahrersitz. „Neidisch?“ In ihr brodelte es.
„Auf euer verlogenes Glück? Gott bewahre.“
Wütend wandte sich Maggie um. „Wer sagt das? Die Frau, die seit Ewigkeiten Single ist?“ Natürlich stand Lydias rote Jacke mit dem Pelzkragen weit genug offen, damit man die üppige Oberweite nicht übersehen konnte.
„Ich komme auf meine Kosten, keine Angst.“ Lächelnd fuhr sich Lydia durch das wasserstoffblonde Haar. Rote Fingernägel, ein grellgeschminktes Gesicht und hautenge Oberteile waren ihre Markenzeichen. „Und lieber habe ich unverbindlichen Sex, als dass ich mich belügen lasse.“ Worauf spielte sie an? Auf Christins einstigen Verrat? Oder auf Alec? „Du merkst wirklich gar nichts“, fügte Lydia mit falschem Mitleid hinzu. „Aber ich werde den Teufel tun und dich aufklären.“ Ihr Lächeln wurde zu einer grässlichen Grimasse. „Nur so viel: Du solltest Alec und Christin im Auge behalten. Die beiden stecken in letzter Zeit ziemlich oft zusammen. Wenn du mich fragst, sieht das nach einem Revival aus.“
Lydias Spitze traf genau dort, wo es am meisten wehtat. „Es gibt kein Revival, da die beiden nie eine Affäre hatten“, stellte Maggie klar und bemühte sich um Ruhe. Diese Giftschlange durfte ihr zuletzt die Unsicherheit anmerken. „Außerdem ist das lange her und ich vertraue Alec. Das habe ich immer getan.“ Lydia betrachtete sie mit unverhohlener Gefühlskälte. „Weiß deine neue Busenfreundin eigentlich, dass du sie bei mir anschwärzt?“, erkundigte sich Maggie süffisant lächelnd. Was Lydia konnte, konnte sie schon lange! „Du und Christin habt einander echt verdient.“ Mit dieser Verräterin wollte sie erst recht nie wieder etwas zu tun haben. Von wegen beste Freundin! „Und jetzt muss ich los. Mein Mom wartet.“
„Grüß Trudy von mir“, trug Lydia ihr allen Ernstes auf. „Übrigens: Manchmal kennt man sich einfach zu lange. Das nutzt sich gerne ab wie ein Paar Schuhe, das man jeden Tag trägt. Da hat man mitunter Lust auf etwas Neues.“ Lydia zog einen Schmollmund. „Wie lange kennst du Alec eigentlich schon, und umgekehrt?“ Sie tat, als würde sie gähnen und eilte schließlich auf ihren hohen roten Haken davon. Maggie sandte ihr zornige Blicke hinterher und hasste sich dafür, dass es diese Hexe schaffte, alle Zweifel zu schüren, die in ihr glühten. Kannten Alec und sie sich tatsächlich zu gut und hatten