Maggie. Bettina Reiter
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„Ach, Schätzchen“, versuchte ihre Mom sie zehn Minuten später zu beruhigen, mit der sie im Zest verabredet war. Auch mit Alec kam Maggie oft hierher, da sie das English Breakfast und die gemütliche Atmosphäre des Lokals liebte. „Du machst dir zu viele Gedanken. Ich an deiner Stelle würde meinem Bauch vertrauen und nicht dem Stumpfsinn anderer.“
„Und was, wenn mir mein Bauch sagt, dass irgendetwas nicht stimmt?“ Maggie nippte am Kaffee und blickte durch die große Fensterfront auf die einsame Straße. Bei diesem Sauwetter lockte es nur Hartgesottene vor die Tür. Oder einen wie Alec, der angeblich einige Zäune reparieren wollte …
„Du hast kalte Füße, das ist alles“, rief ihre Mom aus, als ob alle im Zest schwerhörig wären.
Mit zusammengekniffenen Augen konzentrierte sich Maggie auf ihre Mutter und ignorierte die neugierigen Blicke. „Geht es noch lauter?“, zischte sie ihrer Mom zu, die im Stuhl hin und her rutschte. Das Knarzen des Leders ging Maggie genauso auf die Nerven wie die offensichtliche Schützenhilfe für Alec. „Du sagst doch selbst oft genug, dass man einen Mann wie Alec gut im Auge behalten soll, attraktiv wie er ist.“
„Seit wann gibst du etwas auf mein Geschwafel?“, konterte ihre Mom. „Und falls es dich beruhigt: Auch ich hatte vor der Hochzeit mit deinem Vater erhebliche Zweifel.“
„Das glaubst du wohl selber nicht!“, unterstellte Maggie ihr. „Seitdem ich denken kann, schwärmst du bei jeder Gelegenheit von eurer Verlobung und der Hochzeit, als wärst du Aschenputtel persönlich. Nie im Leben hattest du Bedenken.“
„Und ob“, versicherte ihre Mom. „Nebenbei erwähnt ist Aschenputtel die Mutter aller kalten Füße. Immerhin musste sie mit nur einem Schuh durch den Schnee laufen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum das keiner bemängelt, aber Märchen sind eben Märchen. Hauptsache, sie haben ein Happy End.“ Ihre Mom kam wie üblich vom Hundertstel ins Tausendstel.
„Könnten wir bitte beim Thema bleiben?“ Maggie bemerkte, dass sie die Tasse nach wie vor in beiden Händen hielt und stellte sie auf den Unterteller. Kaum getan, fasste die Mutter nach ihrer Hand. Sie fühlte sich warm an und Maggie spürte unendliche Geborgenheit. Auch wenn die Ratschläge ihrer Mom zuweilen gewöhnungsbedürftig waren wie manche Eigenheit, gab es keine bessere Mutter als sie.
„Was willst du hören, Schätzchen?“, fragte ihre Mom, die irgendwo in den 70er und 80er Jahren hängengeblieben war. Mit Vorliebe trug sie weite Hippie-Hemden, Schlaghosen und breite Bänder im brünetten Haar. Farblich auf ihre vielen Brillen abgestimmt, wofür sie ein Faible hatte. „Soll ich dir von der Hochzeit abraten? Bloß, weil der Junge eine Augenweide ist? Da sorgt man sich schon mal als Mutter. Wobei ich durchaus zur Kenntnis nehme, wie sehr Alec dich liebt. Das sieht ein Blinder und davon abgesehen bist du ebenfalls eine Schönheit. Demnach solltet ihr euch beide gut im Auge behalten.“ Voller Stolz wurde Maggie von ihrer Mom betrachtet. „Schau dich an, Kleines. Jeder vergleicht dich mit Julia Roberts. Alec tut gut daran, dich zu heiraten, ansonsten wärst du in Null-Komma-Nichts vom Markt.“ Das klang, als wäre sie Ramschware. „Damit will ich nicht sagen, dass du Ramsch bist, aber du weißt schon, wie ich das meine.“
„Im Augenblick weiß ich gar nichts mehr, Mom“, verschaffte sich Maggie weiter Luft.
„Bist du sicher, dass du an Alec zweifelst? Mir scheint nämlich, dass du eher an dir selbst zweifelst und nicht mehr weißt, was du willst.“ Vertrauensvoll beugte sich ihre Mutter näher. „Ständig jammerst du, dass du in einer popligen Schreinerei arbeitest und bisher nichts von der Welt gesehen hast.“
„Das stimmt ja auch.“ Es war schlimm, die eigene Resignation zu hören. Aber verdammt, sie hatte Träume. Am liebsten beschäftigte sie sich mit der Finanzwelt, da sie Zahlen liebte, den Aktienmarkt und alles, was damit verbunden war. Dazu gehörte auch ihre Faszination für die Chefin der Citizen-Bank in Dublin. Diese Frau wurde von allen nur das Phantom genannt.
„Denkst du wieder an diese Lynch-Päpstin?“, erriet ihre Mom. Sie selbst hatte nie Karrierepläne gehegt und ging völlig in ihrer Selbstständigkeit als Schneiderin auf.
„Es gibt keine Bilder über diese Frau, nichts Privates, als wäre sie nicht existent“, griff Maggie fasziniert den Faden auf. „Dadurch gilt sie bereits jetzt als Legende. Manche behaupten sogar, Mrs. Lynch wäre eine reine Erfindung und das alles würde zu einer ausgeklügelten Marketing-Strategie gehören. Andere versichern, ihr begegnet zu sein. Respekteinflößend soll sie sein, Angst und Schrecken verbreiten. Obendrein droht sie damit, jeden zu vernichten, der nur den kleinsten Schnipsel über sie veröffentlicht.“
„Und so eine imponiert dir?“ Ihre Mom schüttelte sich.
Maggie nickte. „Wie alle Menschen, die etwas aus eigener Kraft schaffen.“
„Womit wir wieder in unserem kleinen Nest wären, das dir scheinbar zu eng ist. Womöglich hast du meinetwegen diese Flausen im Kopf, weil ich ständig gepredigt habe, dass dir die Welt offensteht. Nun“, sie tätschelte Maggies Hand, „du solltest den Urlaub in St. Agnes nutzen, um herauszufinden, was du willst. Alec oder eine Karriere. Beides wirst du nicht haben können. Zumindest nicht hier in Redruth.“
„Diese Frage stellt sich nicht für mich, Mom“, erwiderte Maggie voller Überzeugung. „Ich will Alec, zumindest das weiß ich mit grenzenloser Sicherheit.“
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Gegen Nachmittag waren Maggie und ihre Mom aufgebrochen. Mittlerweile hatte sich der Himmel gelichtet und Redruth lag im Sonnenschein. Das hob Maggies Stimmung leider nicht im Geringsten, die in der Stadt geblieben war, um einige Besorgungen zu machen. Ihre Mom war nach Hause gefahren und bereitete das Abendessen vor.
Unschlüssig verharrte Maggie vor dem Schaufenster eines Dessous-Ladens. Ob sie sich eines dieser verruchten Negligés kaufen sollte? Aber konnte man mit Sex eine Beziehung kitten?
Erschrocken starrte Maggie auf ihr Spiegelbild. Kitten? Was für blöde Gedanken hegte sie? Alec liebte sie. Auch daran gab es nichts zu rütteln. Für sein seltsames Verhalten musste es plausible Gründe geben. Vielleicht hatte er Streit mit seinem Dad? Hank führte die Farm mit harter Hand, da blieben Reibereien nicht aus und Alec gehörte nicht zu den Menschen, die sich bei anderen ausheulten.
„Man will immer das, was man nicht bekommen kann“, hörte sie auf einmal eine brummende Stimme. „Jetzt wird die Kleine interessant, nachdem sie dich aus ihrem Leben geworfen hat.“
Maggie klebte blickmäßig weiterhin am Schaufenster und dem roten, durchsichtigen Negligé, während zwei Männer neben ihr Aufstellung bezogen.
„Es macht eben Spaß, mit ihr zusammen zu sein.“
„Das Mädchen will mehr, siehst du das denn nicht? Du wirst sie nur verletzen. Wer weiß, was sie sich dann einfallen lassen wird. Verletzte Frauen können zu Furien werden!“
„Wenn sie eins dieser sexy Dessous auspackt, wird sie anderes zu tun haben. Die Kleine ist dankbar für jede Aufmerksamkeit und schnurrt wie ein Kätzchen, sobald ich nur die Hand nach ihr ausstrecke.“ Was für ein Kotzbrocken! „Also erspar mir deine Weisheiten, Dex.“
„Immerhin weiß ich, wovon ich rede.“
„Ach ja?“
„Falls du es vergessen