Aus dem kalten Schatten. Christine Bendik

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Aus dem kalten Schatten - Christine Bendik

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Nichts, was ermittlungstechnisch von Interesse sein dürfte.

      Nur flüchtig ging Paul das Kaugummimuster auf dem Boden des Hofes durch den Kopf. Er trat zu Craig ans offene Fenster. Es war das einzige in den schmucklosen verklinkerten Wänden, rund wie ein Bullauge, wie er aus der Hofperspektive bemerkt hatte. Es sorgte für das nötige Tageslicht in der Umkleide, wo diffizile Arbeiten stattfanden.

      Vorsichtig beugte er sich hinaus. Von hier aus ließ sich der Hof kaum einsehen: Eine betörende Duftmischung aus Noten von Honig, Rosenholz und Mandeln wehte zu ihm herüber. Er schaute auf die ausladende Krone des Jacarandas. Was darunter vor sich ging, blieb unliebsamen Blicken verborgen.

      Er wandte dem Baum den Rücken und lehnte sich gegen die Fensterbank, während Ava auf einem blauen Pouf Platz nahm. Eine atemlose Sekunde verging, bis Margie Fox ihren mächtigen Hintern auf einen zierlichen Klappstuhl gepflanzt hatte. Entgegen Pauls Befürchtung hielt der Stuhl dem Gewicht stand.

      »Sagen Sie, Mrs Fox: Wie gut kannten Sie Suzan Wickles?«

      Margie zuckte leicht zusammen, als sie ihren Namen hörte. Paul kannte diese Reaktion. Dahinter steckte die Angst, als Tatverdächtiger zu gelten.

      »Eine reine Routinefrage«, fügte er daher rasch an.

      »Nicht besser als andere Mädchen, auch wenn sie gern plapperte und Geschichten erzählte«, gab Margie nun zur Antwort. »Vor allem von ihren Schutzbefohlenen. Da blühte sie richtig auf. Das mit den Pennern war einfach ihr Ding. Sie lebte ja hier in New York und verbrachte viel Zeit mit denen, solange sie nicht unterwegs war.«

      »Mit den – Pennern?«

      »´Gemeinsam stark`. So heißt ihre Stiftung für Obdachlose.«

      »Davon hab ich gehört«, sagte Paul und Craig nickte eifrig dazu. »Aber ich wusste nicht, dass Suzan … Erstaunliches Engagement für eine so junge Person.« Jetzt wurde ihm klar, warum ihm so viele verhärmte Gesichter von Leuten mit abgetragenen Klamotten im Hof entgegengesehen hatten.

      Margie winkte genervt ab. »Sie lief praktisch nur noch mit der Spendendose herum. Hier das Mittwochstreffen, dort die Miete für passende Nachtlager – das alles frisst Geld. Sehr viel Geld. Und, ganz nebenbei, war das nicht gerade geschäftsfördernd für Ava.« Sie schien einen Moment nachzudenken. »Für manche griff sie dann schon mal tiefer in die eigene Tasche. Wissen Sie, was das Neueste war? Tierheim. Erst der klapprige Wagen für diese Laurie. Dann sollte ein Hund her. Zum Wohlfühlen und Liebhaben. Laurie hätte ja ach so viel durchgemacht. Vorhin hat das Tierheim hier angerufen, wegen des verstrichenen Abholtermins …«

      »Laurie – und wie weiter?« Craig hielt das Handy schon für die Notiz bereit.

      »Tut mir leid … Gehen Sie doch mal zu den Kaffeekränzchen. Sicher erfahren Sie da mehr.«

      Paul stellte weitere Fragen. Er erfuhr, dass Suzan das Modeln mit fünfzehn angefangen hatte, für einen Versandhauskatalog, und von da an von keinem »anständigen Beruf« mehr hatte etwas wissen wollen. Mit ihren alten Herrschaften hatte sie sich deshalb überworfen. »Lern lieber etwas Anständiges, modeln kannst du immer noch.« Die üblichen Sprüche besorgter Eltern. Doch in dem Job ging es um Jugend und Frische, je jünger, je besser.

      »Suzan ist von zu Hause ausgerissen, hat eine Weile in London gelebt und ist dann wieder nach New York übergesiedelt. Was soll ich sagen? Blitzkarriere. Ein neuer Stern am Modehimmel war geboren«. Einen Herzschlag lang blickte Ava mit leuchtenden Augen in die Vergangenheit.

      »Klingt nach einer sehr straighten Person«, resümierte Paul. »Nach einer, die wusste, was sie wollte.«

      »Das war sie bei Gott. Auf dem Boden geblieben und hochprofessionell. Das lässt sich nicht von jeder sagen.«

      »Neider?«

      »Selbst damit konnte sie umgehen.«

      Paul warf Craig, der nun mit den Schultern an der Rückwand einer Kabinentür rechter Hand lehnte, einen vielsagenden Blick zu. Es gab also durchaus Leute, die Suzan ihren Erfolg missgönnt hatten. Das zog womöglich den Kreis der Verdächtigen enger.

      »Das hier war ihr Lieblingsplatz«, murmelte Margie und wies auf einen mit grünem Samt bezogenen Stuhl. » … Ich seh’ sie noch vor mir … Wie sie da sitzt, die Hände im Schoß, und unschuldig schaut … und ständig dieser Spearmint-Geruch …« Sie erntete einen warnenden Blick Avas und verstummte abrupt.

      Paul horchte auf. »Sie sprachen gerade recht nett von ihr. Jetzt höre ich andere Töne heraus. Gab es Schwierigkeiten? Wegen Suzans direkter Art?«

      »Wenn ich ehrlich sein soll …«

      »Mochten Sie Suzan?«

      »Als Kollegin war sie mir lieb und teuer.«

      »Als Mensch aber nicht?«

      »Hat Ava schon den Diebstahl erwähnt?« Sie schlug die Augen nieder und mied Avas Blick.

      Paul schüttelte den Kopf. Margie sah zum Fenster.

      »Im Frühjahr hatte ich einen Lottogewinn und eine Stange Geld bei mir. Der Plan war, in der Mittagspause eine Reise zu buchen, direkt im Reisebüro. Ich traue dem Internet einfach nicht. Einmal im Leben Europa, dafür hatte es nie gereicht. Wurde dann leider wieder nichts draus.«

      »Sie wurden bestohlen?«

      »Mehrere tausend Dollar. Einfach futsch.«

      »Sie hatten Suzan in Verdacht?«

      »An dem Vormittag war sie mein einziges Mädchen hier. Dabei hatte sie das Klauen weiß Gott nicht nötig, bei der Gage! Ich kann mir schon vorstellen, wer davon profitierte. So viel zum Thema Vertrauen und gute Zusammenarbeit.«

      Mit dem »Profitieren« meinte sie wohl die Obdachlosen. Paul wandte sich Ava zu. »Mrs Davi, reden wir über das weiße Kleid.«

      »Das ist wirklich seltsam. Wie kam sie nur auf die Idee? Sie war gar nicht der Typ für …«

      »… Verkleidespiele«, ergänzte Margie und Ava nickte ihr beipflichtend zu.

      »Sie tat doch ohnehin beruflich nichts anderes als sich ständig umzuziehen. Sie muss das Kleid aus dem Fundus geholt haben. Aus den Kellerräumen. Keine Ahnung wieso.«

      Von draußen hörte er Stimmen. Im Hof waren die Untersuchungen in vollem Gange. Zwischen dem dichten Astwerk hervor blitzte das helle Dach des Faltpavillons. Er war errichtet worden, um die Tote vor neugierigen Blicken zu schützen und ihre Würde zu wahren. Sie würden Suzan vollständig entkleiden, sie auf Flecken und Verletzungen hin untersuchen und in alle Körperöffnungen blicken – Vorschrift für das Verhalten am Tatort beim geringsten Verdacht auf Mord.

      Aber was, spann Paul sein Gedankengespinst um das weiße Kleid herum weiter, wenn nicht Suzan auf die Idee gekommen war, es zu tragen – sondern ihr Mörder?

      Aus dem Pavillon drangen dienstbeflissene Stimmen nach oben. Eine von ihnen klang ganz nach Coroner James Ward. »Dreh sie auf die Seite, Winnie. Gut so.« Danach herrschte Schweigen. Dank seiner beruflichen Ausbildung war Paul geläufig, was da gerade mit Suzan passierte, auch wenn er persönlich selten einer Spurensicherung im Mordfall beigewohnt hatte.

      »Wenn Sie mich dann entschuldigen

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