Kirche im freien Fall. Cristina Fabry

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Kirche im freien Fall - Cristina Fabry

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nicht anständig planen können. Sollte man alle rausschmeißen. Schmarotzerpack!“

      Und das Wort war nicht mehr bei Gott. Gott war auch nicht das Wort, es war ein böses Wort. Ein Scheißgefühl.

      „Ekelhaft, wenn die Weiber ihre blutenden Windeln einfach so in den Hausmüll meiern. Gibt doch extra diese Papiertüten dafür. Drecksweiber, widerliche! Und der Küster macht auch nix, die Sau!“

      Alles Elend ist durch dasselbe gemacht und ohne dasselbe ist kein Elend gemacht, was entstanden ist.

      „Diese beschissene Pastorin! Der würde ich am liebsten büschelweise die Haare ausreißen. Als wenn irgendjemand sonst den Verkündigungsengel besser spielen könnte als meine Joelina. Immer wird sie nach hinten gedrängt und die Kinder von Borchardts und Vennebecks haben jedes Mal Hauptrollen. Ist doch eh alles abgekartet, stecken alle unter einer Decke!“

      In ihm war das Streben. Und das Streben war die dunkle Last der Menschen.

      „Kein Ave Maria bei der Trauung? Hallo? Wessen Hochzeit ist das eigentlich? Dass die Pastöre mit ihren vorsintflutlichen Vorstellungen einem einfach jede Party im Leben versauen müssen. Als ob das irgendeinen interessiert, dass man in der Evangelischen Kirche nicht zu Maria betet. Will ja auch keiner beten. Wir wollen doch einfach nur ergreifende Musik, wenn Blumen streuen und Reis werfen schon verboten sind. Wenn das alles über die Bühne ist, trete ich aus. Spätestens nach der Kindstaufe. Sollen sehen, wo sie ihre Steuern herkriegen. Wenn sie ihre Pastöre nicht mehr bezahlen können, weht hier endlich mal ein anderer Wind!“

      „Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat‘s nicht ergriffen.“ (Johannes 1, 5)

      „Kirche ist wirklich der allerletzte Vermieter! Schaffen es noch nicht einmal einen Parkplatz für Anwohner frei zu halten. Überall stellen diese fußfaulen Weiber ihre bonbonfarbenen Knutschkugeln ab und ich muss meinen Großeinkauf ‘n halben Kilometer um den Block schleppen. Abschleppen lassen müsste man die, damit sie es endlich lernen!“

      Und die Dunkelheit dringt in alle Ritzen, ergreift Besitz von jedem und die Macht über alle.

      „Jetzt ist es also amtlich. Ich habe ja schon immer gewusst, dass der ein krummer Hund ist. Wie der schon immer rumläuft. Und wie der redet, als käme er direkt aus der Gosse. Und so einen hat man nun jahrelang auf Kinder losgelassen. Dem zeigen wir es jetzt. Der kriegt hier nie mehr ein Bein an die Erde.“

      „Unfassbar. Dass der jahrelang damit durchgekommen ist. Wer weiß an wie vielen der sich am Ende vergangen hat. Immer schön auf Freizeiten gefahren und die kleinen Mädchen nachts am Strand verführt. Hat er wohl nicht mit gerechnet, dass mal eine auspackt. Jetzt kriegt er die Packung. Und nicht nur eine.“

      Vor dem Gemeindehaus zogen die düsteren Gestalten immer engere Kreise um den Eingangsbereich. Hier war kein Entkommen mehr für den, dessen sie habhaft werden wollten. Trotz der farblichen Vielfalt ihrer Walkmäntel und Funktionsjacken stockten sie langsam zu einer graubraunschwarzen homogenen Masse, denn die Finsternis ihrer versteinerten Mienen breitete sich rauchschwadengleich über ihnen aus. Sie waren die selbst beflügelten Racheengel mit der flammenden Rosenschere, dem donnernden Dachdeckerhammer, dem zornglühenden Gemüsemesser. Einige hatten sogar Fackeln dabei und wussten selbst nicht warum. Sie waren nur noch geballte Wut. Es hatte sich herumgesprochen in der Gemeinde, Rüdiger, der bärig-väterliche Diakon mit dem athletischen Kreuz und den hellbraunen Samtaugen war einer von diesen Subjekten. Lisa-Marie war am Samstag spät aus seinem Haus getreten, das Gesicht voller Tränen, ihre Lippen hatten nicht ein einziges Wort geformt, nur erstickte Schreie und sie hatte am ganzen Körper gezittert. Jetzt war er dran, das Schwein. Es ging ganz schnell. Hopp, zack, bumm und Rüdiger rührte sich nicht mehr. Sie waren schneller als Lisa-Maries Mutter, die sich beeilte zu erklären, dass die Lisa-Marie beim Rüdiger gewesen war, zum seelsorgerlichen Gespräch, weil, ja das war jetzt auch egal und überhaupt zu spät.

      Und am Ende heißt es dann wieder: Man habe das alles nicht gewusst und das habe man so nicht gewollt und wer hätte denn ahnen können und man habe ja auch nur seine Pflicht getan.

      Isebel – ein Ultrakurzkrimi

      Die Bereichsleitung hatte immer dagegengehalten, hatte die religiös Orientierten ausgelacht, als missionarisch stigmatisiert, als unaufgeklärt, als Fleisch gewordene Stagnation. Wie Isebel, immer voller Hohn, nur die eigene Karriere im Blick, alles andere egal.

      Konnte ja nicht wissen, dass die leerstehenden Räume, die anzumieten ich vorgeschlagen hatte, direkt an das Grundstück des Rottweiler-Züchters grenzte. Auch nicht, dass die Balkonbrüstung schadhaft war. Stürzte – wie Isebel. Und dann die Hunde – wie Isebel. War am Ende über das gesamte Grundstück verteilt – wie Isebel.

      Ouroboros

      1. Carla hatte schon seit Tagen nichts mehr von Jan-Olaf gehört. Zuerst war es ihr gar nicht aufgefallen; sie war so übertrieben beschäftigt mit den Abiturvorbereitungen und um den Kopf frei zu kriegen, raste sie gern noch eine Runde auf den Roller-Skates durch die Feldstraßen, bis sie richtig in Schweiß geriet. Danach liebte sie es, mit der fruchtigen Waschlotion zu duschen und dann bei Wildkirschtee auf dem Sofa zu sitzen und Skizzen für ihr nächstes Aquarell zu machen.

      Aber jetzt sehnte sie sich nach Streicheleinheiten, der Wärme und dem Geruch ihres Freundes und vielleicht auch nach ein bisschen mehr.

      Er war ebenfalls im Abistress, aber weniger ehrgeizig als Carla, ging alles entspannter an, weil er sich auch nicht so anstrengen musste, um gute Zensuren zu bekommen. Carla war stolz auf ihren Jan-Olaf, er war intelligent, kultiviert, sportlich, gutaussehend und sehr treu. Auch wenn sie ihn in den letzten Wochen häufiger zurückgewiesen hatte, konnte sie sich darauf verlassen, dass er sich spätestens nach drei Tagen wieder meldete. Jetzt waren aber schon fünf Tage vergangen. Dann eben nicht. Morgen Abend wollte sie mal wieder zum Jugendkreis gehen, ein bisschen Bibelarbeit machen und Anstecker aus Kronkorken basteln, dafür musste sie nichts vorbereiten, lag alles im Schrank.

      Am nächsten Abend waren sie immerhin zu siebt: Carla, Jan-Olaf, die dumme Imke, der stumme Jens, die anstrengende Kerstin, die lahmarschige Silke, die langweilige Annette und der witzige Martin.

      Kerstin wollte unbedingt das erste Lied mit der Gitarre begleiten und Carla ließ sie gewähren, obwohl die Barrégriffe regelmäßig danebengerieten und Kerstins Rythmus-Gefühl an übergewichtige, durchs Unterholz stolpernde Kinder erinnerte. Sie selbst war auch alles andere als unrund, aber stetig bemüht, wie ein Bambi-äugiges, scheues Reh zu wirken: elegant, grazil und schutzbedürftig.

      Bei der anschließenden Bibelarbeit versuchte sie permanent, sich der theologischen Deutungshoheit zu bemächtigen, stellte alles in Frage, was Carla erklärte, hielt immer dagegen und meinte, alles besser zu wissen, dabei war sie erst sechzehn und offensichtlich nicht außerordentlich belesen; nicht einmal durchschnittlich für eine Gymnasiastin ihres Alters. Am schlimmsten war, dass Jan-Olaf sie viel zu ernst nahm, auf alles einging, was sie absonderte und ihr hin und wieder sogar beipflichtete. Warum verschwendete er seine Aufmerksamkeit an so einen erbärmlichen Fettfleck?

      Auf dem Heimweg war er schweigsam. Er blieb noch eine Weile bei ihr, streichelte ihr leidenschaftslos den Rücken und sie tauschten sich über ihre Lernerfolge aus.

      Carla legte ein erstklassiges Abitur hin, Jan-Olaf ebenso. Als Carla zum Studium in die nächste Universitätsstadt zog, war Jan-Olaf schon aus ihrem Bundesland verschwunden. Und aus ihrem Leben.

      2.

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