Wind über der Prärie. Regan Holdridge
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Es gab einiges für sie zu tun. Außer Nikolaus half nur einer der Ungarn aus ihrem Treck beim Misten, der zudem die Oberaufsicht über den Stall und die Tiere übertragen bekommen hatte. Die anderen Männer kannten sie nicht. Der Ungar brachte die Tiere jeden Tag nach draußen, auf eine Art Koppel, verschaffte ihnen Bewegung, striegelte sie und kümmerte sich um die Hufe und die Eisen. Miklós war ein Pferdemann gewesen in seiner alten Heimat und liebte die Tiere. Er redete in gebrochenem Englisch ohne Unterlass, während er neben den beiden Kleinfeld-Brüdern einen Verschlag nach dem anderen mistete.
Zum ersten Mal wurde Hugh bewusst, welche Schwerstarbeit sein kleiner Bruder hier zu verrichten hatte und er bewunderte ihn im Stillen dafür. Sie brauchten fast eine Stunde, bis sie sämtlichen Mist hinaus auf den Haufen gekarrt und frisch eingestreut hatten.
„Das ging wunderherrlich schnell heute“, strahlte der Ungar und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Könntest kommen jeden Tag! Würde alles immer so schnell sein!“ Er lachte fröhlich, wobei er seine dunklen Augen zusammenkniff.
„Geht nicht“, erwiderte Hugh entschuldigend. „Die Eisenbahn zählt auf mich!“
„Ah ja!“, rief Miklós und klatschte sich bedauernd in die Hände. „Die Eisenbahn! Die wird kosten eines Tages unseren Pferden das Dasein! Du wirst sehen!“ Er seufzte betrübt. „Aber was redet alter, dummer Miklós hier? Ihr müsst nach Hause, nicht wahr? Eltern warten und ist schon spät! Kommen morgen wieder! Gute Nacht!“
„Gute Nacht!“, rief Nikolaus fröhlich und drückte dem Ungar kurz die Hand. Er mochte ihn sehr und hörte unheimlich gerne seine Geschichten an, die er zu erzählen wusste.
„Gute Nacht“, sagte auch Hugh, doch nur leise, denn jedes lautere Wort hätte einen erneuten Hustenanfall ausgelöst. Er schlug den Kragen seiner Jacke hoch und schlurfte hinter seinem kleinen Bruder hinaus ins Freie. Noch immer fiel Regen vom Himmel.
„Ist das nicht schön?“, jubelte Nikolaus ausgelassen und hüpfte über mehrere Pfützen hinweg.
Hugh erwiderte nichts. Er fühlte sich ausgesprochen elend und erschöpft. Er konnte sich selbst nicht erklären, woher das kam. Am Morgen noch war er bei bester Gesundheit gewesen, das hieß, nein, eigentlich auch schon nicht mehr, wenn er ehrlich sein wollte. Einige male war ihm eigenartig schwindlig geworden und er war im Grunde ganz froh gewesen, als sein Arbeitstag sich dem Ende geneigt hatte.
Sie mussten wieder den weiten Weg quer durch die Stadt zurücklegen. Als sie das Pfarrhaus betraten, schlug ihnen der Duft von Luises Mahlzeit entgegen und drehte Hugh fast den Magen um. Er musste sich am Türrahmen festklammern. Die Welt um ihn herum begann, sich zu drehen.
„Du lieber Himmel! Wie siehst du denn aus?“ Das war Julie. Er spürte, wie ihre kleine, zarte Hand ihn fasste und stützte und die andere sich auf seine Stirn legte. „Du glühst ja! Los, leg dich sofort in dein Bett! Ich hole Hardy, du brauchst einen Arzt!“
„Mir...geht’s...gut“, brachte Hugh leise und schwerfällig hervor. „Wirklich...“
„Genauso siehst du auch aus!“, erwiderte Friedrich sarkastisch. Seine großen, kräftigen Pranken packten seinen Sohn entschlossen und zerrten ihn zur Treppe. „Rauf da! Mach’ schon!“
Nur mit letzter Kraftanstrengung und mit Hilfe seines Vaters gelang es Hugh, sich am Geländer hinaufzuziehen. Oben gab es nur zwei Räume: Im einen teilten sich die Kinder zwei Betten, im anderen schliefen Luise und Friedrich.
Hugh wankte zu seinem Bett. Seine Knie gaben unter ihm nach, er sank auf die Daunendecke und spürte, wie im nächsten Augenblick eine harte, schwarze Dunkelheit über ihm hereinbrach und er das Bewusstsein verlor.
„Schnell, Mädchen!“, rief Friedrich erschrocken nach unten, während er die Decke unter seinem Sohn hervorzog und über ihm ausbreitete. „Hol’ Hardy! Deinem Bruder geht es sehr schlecht!“
„Ja, ich laufe!“ Bereits im Hinausstürmen warf Julie sich ihr Cape über und dann rannte sie los, durch den strömenden Regen und die morastigen Straßen. Sie merkte nicht, wie sich ihr langes, rotblondes Haar mit Wasser vollsog und ihre Schuhe durchweichten. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Den Symptomen nach zu urteilen musste es sich um eine schwere Grippe handeln oder womöglich um Schlimmeres. Sie atmete schnell und keuchend. Ihre Röcke waren längst völlig durchnässt und wurden mit jedem Schritt schwerer. Hoffentlich hatte sie Glück und Hardy war noch in der Praxis, sodass sie nicht bei Doktor Stankovski klopfen und diesen bei seinem Feierabend stören musste! Sie eilte die menschenleere, wie ausgestorben wirkende Hauptstraße hinab. Nur aus dem Saloon drangen Musik und Gelächter, wie jeden Abend. Um die nächste Kurve und dann war da die Praxis. Julie seufzte erleichtert – Licht fiel aus einem Fenster auf die Straße. Sie raffte ihre Röcke und eilte hinüber. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und sie hatte das Gefühl, jeden Augenblick ohnmächtig zu werden. Ihre Faust hämmerte laut gegen die Türe.
„Hardy?“, rief sie leise. „Sind Sie da?“ Es dauerte keine drei Sekunden, dann wurde die Tür von innen aufgerissen.
„Julie!“ Erschrocken fasste Doktor Retzner sie an den Schultern. „Was ist passiert? Geht es Ihnen nicht gut? Sie sind ja ganz nass!“
„Mit mir ist alles in Ordnung!“, brachte sie keuchend hervor. „Aber Hugh...ich meine, mein Bruder ist krank! Bitte, Hardy, Sie müssen sofort mitkommen!“
„Natürlich, warten Sie!“ Er wirbelte herum, griff nach seiner Tasche und der Jacke. Die Eingangstür fiel krachend ins Schloss. Der Österreicher legte einen Arm um Julies Schulter, als fürchtete er, sie würde andernfalls den Weg zurück in der Dunkelheit und dem Regen nicht überstehen.
Als sie das Pfarrhaus erreichten, wurden sie bereits von einer aufgeregten, äußerst besorgten Luise empfangen, die sich von ihrem Mann kaum beruhigen ließ. Nur Nikolaus saß, wie unbeteiligt am Tisch, über seinem Abendessen.
„Er hat mir geholfen, den Pferdestall zu misten“, sagte der Junge zwischen zwei Bissen und beobachtete, wie der österreichische Arzt die Treppe hinauf eilte, gefolgt von Luise.
„Was meinen Sie, Doktor?“, rief sie verängstigt und faltete die Hände, wie zum Gebet. „Es ist doch nichts Ernstes?“
„Lass ihn doch erst einmal schauen!“, versuchte Friedrich sie zu bremsen und zog sie vom Bett fort. „Wie soll er etwas sagen können, wenn du andauernd dazwischenredest?“
Doktor Retzner ließ sich nicht von dem Gespräch ablenken. Er kannte das bereits und hatte schon vor vielen Jahren gelernt, einfach wegzuhören und sich nur auf seine Arbeit zu konzentrieren. Julie stellte sich neben ihn und beobachtete, wie er Hughs Atem überprüfte, seinen Puls maß und die Temperatur nahm. Schließlich richtete er sich auf. Sein schmales Gesicht legte sich in tiefe Falten.
„Was ist es?“, fragte Julie leise, jede seiner Regungen besorgt beobachtend.
„Nun“, er biss sich kurz auf die Lippen. „Er hat sich ganz offensichtlich eine Lungenentzündung eingefangen.“
Luise stieß einen kurzen, leise Schrei des Entsetzens aus. Genauso gut hätte er das Todesurteil für ihren ältesten Sohn verkünden können.
„Sind Sie ganz sicher?“, wollte