Wind über der Prärie. Regan Holdridge

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Wind über der Prärie - Regan Holdridge

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das sie in Deutschland bewohnt hatten. Er hatte „Ente“ spielen wollen, wie er ihnen später erklärte und dabei war er stundenlang unbemerkt in dem niedrigen Rinnsal hin und her gepaddelt. Im Winter desselben Jahres hatte er sich auch die Lungenentzündung zugezogen, die seine Gesundheit auf ewig geschwächt und anfällig gemacht hatte.

      Julie schluckte. Sie konnte nicht daran zurückdenken. Es war zu früh, für sie alle. Sie konnten noch nicht darüber sprechen, wie dankbar sie dafür sein mussten, dass Nikolaus sie – wenn auch für eine viel zu kurze Zeit – ein Stück des Weges begleitet hatte. Irgendwann würde es wieder in Ordnung kommen, denn sie mussten ihr Leben weiterführen, auch ohne ihn. Sie würden so tun, als ginge es weiter wie bisher, auch wenn es niemals wieder so sein würde und ganz gleich, wie sehr ihr Herz sich danach sehnte, dass die Vergangenheit zurückkehrte. Sie würden sich ablenken mit neuen Aufgaben und Zielen, um den Schmerz weit fernhalten zu können und wenn sie es lange genug durchhielten, dann würden sie es irgendwann akzeptieren können.

      Der Überfall

      Die ersten Schneeflocken fielen wieder vom Himmel als der Trupp der Kavallerie sich langsam in Bewegung setzte. Die beiden Soldaten vor dem Tor zum Fort hoben salutierend ihre Gewehre und warteten, bis Captain Harbach mit der zwanzig Mann starken Truppe hinausgeritten war und den Weg in Richtung Stadt hinab verschwand.

      „Sergeant!“, brüllte er auf einmal und ein Reiter löste sich aus der Gruppe.

      „Ja, Sir?“ Der junge Mann ließ seinen Dunkelbraunen mit dem Hengst des Captains Schritt halten.

      „Wir werden als erstes den Sheriff aufsuchen und ihn grob über unser weiteres Vorgehen unterrichten. Nur für den Fall, dass er unsere Hilfe bräuchte. Ich hoffe aber nicht, dass das in nächster Zeit der Fall sein wird.“

      „Ja, Sir.“

      „Währenddessen können Sie nach unseren vier Soldaten sehen und prüfen, wie es ihnen geht! Verstanden?“

      „Jawohl, Sir!“ Der junge Mann hielt sein Pferd noch immer neben dem des Captains.

      „Irgendwelche Fragen, Sergeant? Irgendwelche Unklarheiten?“, fragte Captain Harbach mit deutlich unwilligem Unterton.

      „Nun, Sir...Captain...“, begann der junge Mann zögernd und merkte gleich darauf, dass er besser den Mund gehalten hätte. „Ich will Ihre Fähigkeiten und Ihre Entscheidungen wirklich nicht in Frage stellen und kritisieren, Sir, aber...“

      „Aber was, Sergeant?“, fiel der Captain ihm scharf ins Wort.

      Der junge Mann schluckte. „Nun, Sir...meiner Ansicht nach machen Sie das Problem mit den Cherokees nur schlimmer anstatt besser, wenn Sie jetzt hinausreiten, um wieder irgendwelche Verhandlungen anzustiften und am Ende vielleicht Rache zu üben und...“

      „Ihre Ansichten sind mir schnuppe!“, brüllte der Captain ihn ungehalten an. „Für wen halten Sie sich eigentlich, Sie...Sie...zweitrangiger Klugscheißer, Sie! Wofür, glauben Sie, habe ich wohl die Verstärkung bekommen? Damit sie sich in den Quartieren einen Urlaub gönnt, oder was?“

      „Nein, Sir...“, brachte der junge Sergeant mit einer gehörigen Portion Mut hervor.

      „Ist Ihnen entgangen, dass ich bereits vor ein paar Wochen versucht habe, eine friedliche Lösung mit den Rothäuten zu finden? Wie Sie aber jetzt feststellen müssen, offensichtlich ohne Resultat?“

      „Nein, Sir!“

      „Sehr spitzfindig!“, schnauzte der Captain ihn an und gab ihm mit der Hand einen Wink. „Wissen Sie was, Sergeant? Sie werden nicht mit uns reiten! Sie werden die ehrenvolle Aufgabe übernehmen und in der Siedlung für Recht und Ordnung sorgen und sich um den Treck vor der Stadt kümmern! Die sollen schon anfangen mit ihren Häusern! Ist doch egal, wie weit sie damit kommen! Solange noch keine geschlossene Schneedecke liegt, können Sie was tun! In dieser Wagenburg ist es viel zu gefährlich mit den Streifzügen unserer roten Freunde. Dort werden Sie dann auch bleiben, bis ich mit den Männern wieder zurück bin, vielleicht sogar, bis die Häuser fertig sind! Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?“

      „Jawohl, Sir!“, stieß der junge Mann hervor und zügelte sein Pferd, um es wieder mit den restlichen Soldaten in Zweierreihen laufen zu lassen.

      Langsam wanderte Julie die Straße hinab. Sie hatte es im Haus ihrer Eltern nicht länger ausgehalten. Dieses Schweigen während der ganzen Mahlzeiten, die zwanghafte Ruhe und die andauernden, verstohlenen Blicke aller auf den leeren Stuhl – sie hatte es einfach nicht länger ertragen können. Hugh war mit rotgeweinten Augen aus seinem Schlafzimmer gekommen, das er jetzt alleine bewohnte und hatte sich still an den Tisch gesetzt.

      Irgendwann war sie einfach gegangen – ohne ein Wort und ohne sich zu verabschieden. Vielleicht hatten sie auch alle geglaubt, sie wolle noch einmal hinüber zu den Gräbern sehen, die inzwischen zugeschüttet waren. Eine merkwürdige Ruhe lag über der Stadt, als hätten die Beerdigungen sie in eine Art Starre versetzt.

      Julie trat unter den Vorbau der Arztpraxis – die Tür war unverschlossen. Im Inneren war es kalt, denn der Bullerofen war längst ausgegangen. Ihr schauderte und sie beschloss, Feuer zu machen, als wäre er noch immer hier, als würde sie ihm noch immer bei seiner Arbeit assistieren. Bald schon verbreitete der Ofen eine angenehme Wärme. Julie zündete die Lampe auf dem Schreibtisch an und setzte sich. Dort, in der obersten Schublade, hatte Hardy penibel genau, wie es seine Art gewesen war, eine Patientenkartei angelegt. Auf jeder Seite des Heftes stand ein anderer Name in der obersten Zeile.

      Behutsam nahm Julie das Heft heraus und schlug es auf. Sie las die auf Deutsch verfassten Befunde und Behandlungen und mit jedem Buchstaben wurde ihr schwerer ums Herz. Hätte sie doch nur geahnt was geschehen würde, dann hätte sie ihn schamlos angelogen, ihm vorgemacht, dass er ihr mehr bedeutet hätte als nur ein guter Freund! Dann würde sie jetzt nicht das schlechte Gewissen plagen und die Gewissheit, dass sie ihm noch kurz vor seinem Tod so weh getan hatte – sie hatte ihm einen Traum gestohlen.

      Erschöpft legte Julie ihren Kopf in die Hände. Sie wollte weinen, doch sie konnte nicht. Ihre Tränen waren versiegt, sie fühlte sich zu leer und ausgelaugt. Julie wusste nicht, wie lange sie dort, auf Hardys Stuhl hinter seinem Schreibtisch gesessen hatte. Das laute, plötzliche Aufschlagen der Eingangstür riss sie hoch – zwei Soldaten standen in der Tür. Der eine war ihr bekannt – er war von Captain Harbach mit drei anderen in der Siedlung untergebracht worden und auch vergangene Nacht hier gewesen, um ihnen zur Seite zu stehen. Jetzt trug er seinen Arm in einer Schlinge.

      Der andere jedoch... Julie starrte ihn fassungslos an. Das konnte doch nicht möglich sein! Ihr Herz begann wie verrückt zu rasen und sie fürchtete, gleich ohnmächtig zu werden. Jetzt, da er so nah bei ihr stand, anstatt einige Meter entfernt, wie am Tag ihrer Ankunft in Fort Gibson, konnte sie erst erkennen, wie ungewöhnlich groß und schlank er war. Unter dem breiten, dunklen Hut schaute sein hellblondes Haar hervor und seine blauen Augen betrachteten sie abschätzend. Sein auffallend attraktives Gesicht zeigte ein feines Lächeln, das ihr Herz tief in seinem Innersten berührte. Sie konnte nicht anders, sie erwiderte das Lächeln.

      „Guten Tag, Miss!“, sagte er nun und seine Stimme klang warm und herzlich, wie es zu seiner ganzen Erscheinung passte. „Können Sie Amos vielleicht den Arm verbinden?“

      „Wir...wir haben keinen Doktor mehr“, erklärte Julie leise und trat langsam hinter dem Schreibtisch hervor. Sie musste sich zwingen, ihren Blick von dem großen, schlanken Mann abzuwenden.

      „Ich

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