Wind über der Prärie. Regan Holdridge

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Wind über der Prärie - Regan Holdridge

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du“, wollte sie von ihrer Mutter wissen, „dass er mich hübsch finden wird?“

      Luise musste trotz des Schmerzes und der Trauer, die sie nicht eine Sekunde des Tages verließen, kurz lächeln. „Natürlich wird er das! Du bist das bezauberndste Mädchen in der ganzen Siedlung!“

      „Oh, Mutter!“ In Julies Augen war dies eine maßlose Übertreibung; doch sie spürte, wie sie bei den Worten leicht errötete. „Das stimmt doch gar nicht!“

      Luise tätschelte ihre Wangen. „Nun komm! Zieh dir noch dein Cape über. Es ist kalt draußen.“

      Sie beobachtete ihre Tochter bei ihrem hektischen, aufgeregten Tun und Erinnerungen stiegen in ihr hoch. Wie war es damals doch gleich gewesen, als sie mit Friedrich zum Dorffest gegangen war und zur Einweihung des neuen Pfarrhauses? Als er ihr erklärt hatte, dass er dort eines Tages einziehen würde, sobald er sei Studium zu Ende gebracht hatte? Luise erschrak und presste sich die Hände gegen die Wangen. Damals war sie ganze sechzehn gewesen und Friedrich auch nur drei Jahre älter! Beide waren sie voller Träume und Zukunftsvisionen gewesen – und das, obwohl die Ehe längst durch ihre Eltern beschlossen worden war. Sie hätte sich überhaupt keinen anderen mehr suchen dürfen, ohne, dass es zum Skandal gekommen wäre, aber sie hatte Friedrich sofort gern gehabt, von der ersten Sekunde an und deshalb war ihr das ‚Ja‘ nicht schwer gefallen.

      Und jetzt, dachte Luise, jetzt ist meine eigene Tochter schon älter als ich damals. Als ich siebzehn war, hatte ich bereits Hubert auf dem Schoß sitzen und ich trug das nächste Kind unter meinem Herzen.

      Wehmut überkam sie und sie musste sich abwenden. Sie tat, als würde sie den Dutt, der ihr eigenes, rotblondes Haar zusammenhielt, kontrollieren und trat an den Spiegel. Alt war sie geworden, fand sie, alt über den Strapazen, über den Sorgen und dem Leid. Jeden Moment konnte dieser junge Mann auftauchen und Juliane mit sich fortnehmen. Vorerst zwar nur zum Tanz, wer konnte ihr jedoch versprechen, dass es ihr nicht jetzt genauso ergehen würde, wie ihrer eigenen Mutter damals? Luise seufzte. Sie hatte die Sorgen ihrer Mutter nicht verstanden. Das tat sie erst jetzt, da sie ihr eigenes Kind freigeben musste, da das Leben von ihr verlangte, sich dem Schicksal zu beugen – dem Schicksal des Altwerdens und der Gleichgültigkeit, denn es erwartete sie nichts mehr, außer der Hoffnung auf Enkelkinder und darauf, dass Hubert eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten würde. Das verhaltene Klopfen an der Haustür ließ Luise zusammenzucken. Nervös kam Julie zu ihr gelaufen und fasste ihre rauen, von der Arbeit mitgenommenen Hände.

      „Oh, bitte, Mutter! Mach’ du ihm auf und lass ihn herein! Bitte!“

      Um Luises schmale Lippen spielte ein verständnisvolles Lächeln. „Schon gut! Ich gehe!“

      Sie schritt hinüber in den Wohnraum, wo Friedrich den jungen Sergeant soeben hereinbat. Er trug – wie immer – seine Uniform und hielt seinen Hut in den Händen, während er zuerst Friedrich, dann Luise höflich und zurückhaltend die Hand reichte.

      „Guten Abend, Mr. Kleinfeld – Mrs. Kleinfeld.“

      „Es freut uns sehr, Sie kennenzulernen!“, versicherte Friedrich und musterte den jungen Mann eindringlich von oben bis unten.

      Luise spürte, wie ihr schwer ums Herz wurde. Es war das erste Mal, dass sie ihn bewusst wahrnahm. Sie hatte zwar längst mitbekommen, dass ein paar Soldaten vom Fort hier untergebracht waren, als Wachposten, doch sie hatte noch keinem von ihnen wirklich ins Gesicht gesehen, denn im Grunde gab sie ihnen die Schuld. Schuld, weil sie das wichtigste, das bedeutendste und das liebste ihrer Kinder verloren hatte, weil der Sonnenschein, für den sie so hart hatte kämpfen müssen, ihr nun doch viel zu früh genommen worden war. Luise biss sich auf die Lippen. Wieder wollten sich Tränen in ihre hellbraunen Augen drängen, doch sie lächelte.

      „Meine Tochter ist jeden Moment soweit!“ Sie trat zur Schlafzimmertür des Mädchens und öffnete sie einen Spalt. „Kommst du?“, fragte sie hinein und stieß die Tür ganz auf. Es schien ihr wie endgültig und nicht mehr rückgängig zu machen, als sie nun beiseite trat und den Weg freigab.

      Strahlend und hinreißend wie nie zuvor, betrat Julie den Wohnraum. Drei Schritte vor Ron McVeagh blieb sie stehen. „Guten Abend, Sergeant!“

      Es dauerte einen Moment, ehe er ihr antworten konnte. Seine hellblauen Augen hingen an ihrer bezaubernden Erscheinung und er musste schlucken. „Guten Abend, Miss Kleinfeld.“

      Und wieder war es da – dieses warme, herzliche Lächeln, das sie so sehr zu faszinieren vermochte. Er bot ihr galant seinen Arm und sie hakte sich bei ihm unter. Die Berührung seines Körpers durch die Jacke hindurch jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Da war plötzlich ein Gefühl, das sie nicht kannte, eine Sehnsucht nach etwas, das sie nicht zu benennen vermochte.

      Vielleicht, dachte sie, ist es das, wovon Hardy gesprochen hat: ‚Dieses bestimmte Gefühl, wenn ich dich berühre...‘ Vielleicht ist es das und ich lerne es gerade kennen.

      Lange blickte Luise den beiden nach, während sie langsam in der Dunkelheit, die nur von einzelnen Lichtern vor Häusern durchbrochen wurde, die Straße hinab schlenderten und leise miteinander redeten.

      „Komm“, sagte Friedrich schließlich sanft und schob sie zurück, um die Türe zu schließen. „Es wird kalt. Ich sollte nochmal Holz nachlegen, damit das Feuer nicht ausgeht über Nacht.“

      „Ja“, erwiderte Luise gedankenverloren. „Tu’ das.“

      Sie setzte sich in ihren Schaukelstuhl neben dem Kamin und griff, ganz selbstverständlich und ohne überhaupt darüber nachzudenken, nach ihrer Strickarbeit. Der Pullover, den sie für Nikolaus hatte stricken wollen, war überflüssig geworden. Jetzt würde Hubert ihn bekommen, er konnte ihn gebrauchen, denn wenn er das Schulhaus jeden Morgen als Erster betrat, war es eisig und bis der Ofen eine anständige Wärme abgab, dauerte es mindestens eine halbe Stunde. Meistens saß er dann dort alleine in der Kälte und kontrollierte die letzten Arbeiten der Schüler oder traf die letzten Vorbereitungen für den Unterricht.

      Luises Hände ruhten auf ihrer Strickarbeit und sie beobachtete mit starrem Blick das knisternde Spiel der Flammen. Der Weg, ihr Weg, hatte weiß Gott ungeahnte Richtungen eingeschlagen.

      „Ein gutaussehender und sympathischer junger Herr, dieser Sergeant“, sagte Friedrich leise in ihre Gedanken hinein.

      „Ja“, flüsterte Luise, denn jedes laute Wort hätte sie in Tränen ausbrechen lassen. „Er passt zu ihr.“

      Friedrich zündete seine Pfeife an und schmunzelte in sich hinein. „Hast du bemerkt, wie sie einander angesehen haben? Ich hoffe, unser Mädchen verbringt einen schönen Abend!“

      „Das wird sie“, erwiderte Luise leise. „Das wird sie ganz bestimmt...sie liebt ihn.“

      Langsam und in seine Überlegungen versunken schlenderte Hugh die Hauptstraße hinab. In wenigen Tagen war Weihnachten. Wie eigenartig. Das erste Weihnachten, das sie hier, in ihrer Stadt verbrachten, dabei kam es ihm viel länger vor, dass sie Deutschland verlassen hatten, wie Jahre und nicht nur einige Monate. St. Louis erschien vor seinem inneren Auge...die Erinnerung daran ließ ihn lächeln. Das Bild einer jungen, hübschen Frau erschien vor seinem geistigen Auge und die Gefühle, die sie in ihm ausgelöst hatte. Er schüttelte den Kopf, kurz und heftig. Nein, daran wollte er sich nicht erinnern. Es kam ihm vor, als läge dies schon zehn Jahre oder noch länger zurück. Alles kam ihm unendlich vor.

      Die Tage waren schrecklich kurz und es herrschte mehr Nacht und Dunkelheit als Tag. Hugh seufzte und wickelte sich den Schal fester um den Hals.

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