Wind über der Prärie. Regan Holdridge
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Читать онлайн книгу Wind über der Prärie - Regan Holdridge страница 49
„Ach, ist nicht weiter schlimm“, meinte dieser, wurde jedoch von seinem Sergeant durch den Raum geschoben. „Ist letzte Nacht passiert, als ich versucht habe, das arme Mädchen noch aus dem Haus zu retten.“
Julie fiel nicht sofort eine passende Antwort ein. Schließlich fragte sie: „Wieso sind Sie denn überhaupt noch hier? Ihr Arzt im Fort könnte Ihnen viel besser helfen als ich!“
Die beiden Männer wechselten einen schnellen Blick. „Der Doktor ist zur Zeit nicht dort“, entgegnete Ron McVeagh, seinen Hut in den Händen drehend. Er beobachtete, wie Julie behutsam den Verband und die Schlinge vom rechten Arm des Soldaten löste. Er fand, dass er nichts Unrechtes tat, wenn er ihr die Wahrheit erzählte. „Er ist mit Captain Harbach und der Verstärkung zu den Cherokees geritten.“
Julie zog die Brauen hoch und starrte ihn eine Sekunde eindringlich an. „Zu den Cherokees? Wegen vergangener Nacht?“
Der Sergeant zögerte einen Augenblick. Er fuhr sich durch das blonde Haar und nickte dann. „Ja, genau deshalb.“
„Aha“, machte Julie gedehnt und überlegte. „Was hat er dort vor? Einen Krieg beginnen?“
„Möglich“, antwortete Ron McVeagh ausweichend und hob die Schultern. Das warme, freundliche Lächeln spielte wieder um seine Lippen. „Ich habe offengestanden keine genaue Ahnung von den Plänen, vielleicht Vergeltung, vielleicht Friedensverhandlungen. Wer weiß?“
„Vergeltung?“, wiederholte Julie und stockte kurz, als sie den Verband nun endgültig gelöst hatte und die schweren Verbrennungen auf dem Arm des jungen Soldaten erblickte. „In unserem Namen?“
„Ich denke.“
„Woher will er wissen, dass wir überhaupt Vergeltung üben wollen?“
Ron McVeagh verstand nicht ganz, worauf sie hinauswollte. „Er hat mit Sheriff O’Connor gesprochen.“
„Ach ja? Dann wundert mich nichts mehr.“
„Was meinen Sie?“
„Unser Sheriff ist der vehementeste Indianerhasser, den ich kenne.“ Julies bernsteinfarbene Augen fixierten den Sergeant lange. Er mochte Mitte zwanzig sein, vielleicht ein bisschen darüber, aber nicht älter.
„Sie scheinen diese Meinung nicht zu teilen.“ Er schien nicht recht zu wissen, was er von ihr halten sollte. Einerseits machte sie einen so naiven und zerbrechlichen Eindruck auf ihn und andererseits hatte sie offensichtlich keine Hemmungen, offen ihre Ansichten kundzutun.
„Was ich meine, spielt keine Rolle.“ Julie trat an den Medizinschrank, um die Brandsalbe zu holen. „Ich bin nur ein Mädchen, ich habe keine öffentliche Meinung zu vertreten. Das schickt sich nicht und es hört sowieso niemand darauf.“
Der Sergeant biss sich kurz auf die Lippen. Ein verwunderter Ausdruck trat auf sein gutaussehendes Gesicht. „Manchmal ist es besser, man wird dazu gezwungen, den Mund zu halten.“
„Sprechen Sie gerade aus eigener Erfahrung?“ Ihre Augen blickten eindringlich, doch sie grinste. „Weshalb sind Sie nicht mit den anderen Soldaten geritten?“
Er musste schmunzeln. „Nun...Captain Harbach hält nicht allzu viel davon, wenn ein kleiner Sergeant es wagt, seine Entscheidungen in Frage zu stellen und ihn außerdem noch belehren will!“
„So?“, machte Julie und konzentrierte sich darauf, die Salbe möglichst vorsichtig auf den großen Blasen zu verteilen, die den Arm bis über den Ellenbogen zierten. „Da haben Sie nochmal Glück gehabt“, meinte sie mit kritischer Miene.
„Allerdings“, gab der andere Soldat zu. „Wäre ich nicht rechtzeitig beiseite gesprungen, hätte der Balken nicht bloß meinen Arm getroffen.“
„Sie dürfen ihn die nächsten Tage mit nichts bedecken oder verbinden“, erklärte Julie ernst. „Auch nicht mit dem Ärmel eines Hemds oder einer Jacke. Es muss Luft ran können.“
Der junge Soldat starrte sie fassungslos an. „Das wird aber verdammt kalt!“
„Tut mir leid! Wenn Sie die Brandblasen ersticken, werden sie nicht heilen!“
„Du solltest auf die junge Dame hören“, schlug Ron McVeagh vor und klopfte seinem Kollegen aufmunternd auf die Schulter. „Auch das geht vorüber!“
„Ja“, knurrte dieser. „Aber erst, wenn mein Arm abgefroren ist!“
„Du bist die nächsten Tage ins Warme abkommandiert“, entschied der Sergeant lächelnd. „Dann kann dir nichts passieren!“
„Das sind natürlich andere Aussichten!“ Er ließ sich von Julie und Ron McVeagh vom Behandlungstisch herabhelfen und schritt zielstrebig zur Tür.
„Sie schreiben uns eine Rechnung, Miss, ja?“, fragte der Sergeant und nickte ihr zu.
Unschlüssig hob Julie die Schultern. „Ich...ich weiß nicht! Ich meine, ich war ja immer nur Doktor Retzners Assistentin!“
„Sieht ganz danach aus, als müssten Sie nun seinen Posten übernehmen!“, erwiderte Ron McVeagh und lächelte noch immer zu ihr hinab. Seine schlanke, durchaus imponierende Gestalt überragte sie um fast zwei Köpfe.
„Ich werde mein Bestes tun, bis wir wieder einen richtigen Doktor haben“, versicherte Julie und betrachtete ihn lange. Ein eigenartiges Gefühl überkam sie. Es war sehr intensiv und überrollte sie förmlich von ihrer Magengegend aus, ließ sie erröten. Obwohl sie sich schalt, sah sie sich außerstande, ihren Blick von ihm abzuwenden, genauso wie damals, als sie ihn vor Fort Gibson das erste Mal erblickt hatte. Es gehörte sich nicht, wenn eine junge Frau einen fremden Mann anstarrte! Doch auch seine Augen hingen unablässig an ihr und um seine schön geschwungenen Lippen spielte das warme, sanfte Lächeln, das sie vom ersten Augenblick an so sehr beeindruckt hatte. Schließlich tippte er sich mit zwei Fingern an den breitkrempigen Hut.
„Auf Wiedersehen, Miss!“
„Auf Wiedersehen, Sergeant!“
Die beiden Männer verließen die Praxis und zogen die Türe hinter sich ins Schloss. Lange verharrte Julie regungslos am selben Fleck, um ihnen hinterher zu starren. Sie hörte, wie sich die Schritte ihrer schweren Stiefel entfernten. Ron McVeagh, Sergeant Ron McVeagh, hatte er gesagt. Sie atmete tief durch. Was für ein Mann! Sie presste sich die Hände auf die heißen, glühenden Wangen und stellte plötzlich fest, dass sie viel zu stark eingeheizt hatte, aber das machte nichts. Sie würde noch länger in der Praxis bleiben. Der Sergeant hatte Recht – jetzt war sie die einzige, die den Menschen helfen konnte, wenn der Arzt aus dem Fort gerade nicht anwesend war. Sie würde sich auf die Bücher stürzen, die Hardy gehört hatten und alles lesen, was sie über Medizin zwischen die Finger bekam. Sie würde ihn würdig vertreten, bis wieder ein anderer Arzt mit einem Siedlertreck ankommen würde. Das zumindest war sie Hardy schuldig. Er hatte so unendlich viel Zeit in sie investiert und ihr die Chance zur Unabhängigkeit gegeben – ein Geschenk, das sie ihm niemals würde vergessen können, ganz gleich, wie ihr weiteres Leben verlaufen würde. Durch ihn hatte sie sie gekannt – die Freiheit. Vielleicht nur für kurze Zeit, aber sie konnte sie nun auf ganz andere Weise schätzen, denn Julie wusste nun, wie unendlich kostbar Freiheit war.