Ein fast perfekter Winter in St. Agnes. Bettina Reiter

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ein fast perfekter Winter in St. Agnes - Bettina Reiter страница 6

Ein fast perfekter Winter in St. Agnes - Bettina Reiter Liebesromanzen in St. Agnes/Cornwall

Скачать книгу

an deinem Geburtstag.“ Linda strich sich glättend über den Mantel. „Himmel, ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass ich damit angefangen habe!“

      „Eben. Du hast damit angefangen. Nun solltest du Klartext reden.“ Emma spürte, dass sie zitterte. „Immerhin habe ich ein Recht darauf zu wissen, wer hinter meinem Rücken solche Märchen verbreitet.“

      „Emma … ich habe … Brandon selbst gesehen. Er ist in der Stadt.“ Linda hatte Tränen in den Augen. „Vor einigen Stunden machte ich Weihnachtseinkäufe“, fuhr sie fort. „Dabei entdeckte ich ihn. Er kaufte einen Ring bei einem teuren Juwelier.“

      „Schön. Ich habe Geburtstag“, warf Emma ein, die sich fragte, woher er das Geld haben sollte. War er hinter ihr Notfallkonto gekommen? Nein, das würde er weder angreifen noch war er berechtigt, etwas abzuheben. Allein aus diesem Grund musste es sich um eine Verwechslung handeln. Oder hatte er sich Geld geliehen? Um ihr heuer eine besondere Überraschung zu bereiten, die so viel Planung erforderte, dass er seine Rückkehr geheim hielt, um in London einiges zu organisieren.

      „Hast du in den letzten Monaten Rosen bekommen? Oder einen hübschen roten Kapuzenmantel?“, hielt Linda an ihrer Behauptung fest und die Unsicherheit war plötzlich wie weggeblasen. Übrig blieb eine zutiefst wütende Frau. „Der Typ ist so dämlich und kauft in meinem Viertel ein“, redete sie sich in Rage, als hätte sie monatelang darauf gewartet, sich Luft zu verschaffen. „Obwohl er weiß, dass ich dort lebe und arbeite. Außerdem übernachtet er im nobelsten Hotel. Das weiß ich aus erster Hand, weil ich ihm gefolgt bin und da ich den Concierge kenne, erfuhr ich, dass Brandon wiederholt mit seiner Frau ein Zimmer mietet. Exakt zur selben Zeit, wenn er angeblich auf Geschäftsreise ist.“

      „Du musst dich irren.“ Emma zog sich den Hocker heran und setzte sich. Sonst wäre sie umgefallen. „Brandon würde mir das nie antun. Er weiß, wie sehr ich ihn liebe.“

      „Bevor Linda ihn zum ersten Mal in der Stadt gesehen hat“, sprang Grant ihrer Freundin zur Seite, „kamen uns Gerüchte zu Ohren. Wir hielten sie für Nonsens. Immerhin wissen wir alle, wie viel aufgebauscht wird. Umso schlimmer ist es, dass die Leute nicht gelogen haben.“

      „Stopp!“, rief Emma mit Wut im Bauch aus. „Was reimt ihr euch da zusammen? Es kann jeder gewesen sein, der Brandon ähnlich sieht. Oder hast du ihn zur Rede gestellt, Linda?“ Atemlos starrte sie auf deren blasse Lippen.

      „Ich habe ihn nur von weitem beobachtet. Aber da ist die Sache mit dem Hotel …“

      „Wofür es sicher eine plausible Erklärung gibt und bevor ich nicht mit Brandon gesprochen habe, glaube ich keinem ein Wort. Selbst euch nicht!“, griff Emma sie an. „Sobald mein Mann sämtliche Vorwürfe aus der Welt geschafft hat, könnt ihr euch übrigens bei uns entschuldigen!“

      „Ich weiß, was ich gesehen habe. Und du weißt, wo du mich findest, wenn du mich brauchst“, blieb Linda uneinsichtig. „Trotz allem bin ich froh, dass es endlich ausgesprochen ist. Ich fühlte mich schäbig, dich im Ungewissen zu lassen.“

      „Du fühlst dich schäbig?“, fuhr Emma endgültig aus der Haut. „Was denkst du, wie es mir geht? Ich dumme Kuh habe gedacht, dass ich mich wenigstens auf euch verlassen kann. Doch ihr seid dieselben Lügner wie alle anderen! Vielen Dank auch, dass ihr meinen Geburtstag ruiniert habt.“

      „Das wollten wir zuletzt. Aber du hast auf die Wahrheit bestanden“, verteidigte Linda ihre Ehre und blieb bewundernswert ruhig, während Emma sie am liebsten zur Vernunft geschüttelt hätte. „Wir kennen uns jahrzehntelang und waren immer ehrlich zueinander. Natürlich ist der Augenblick denkbar ungünstig, doch gibt es überhaupt den richtigen für eine Nachricht wie diese? Noch dazu hadern Grant und ich eine ganze Weile mit unserem Wissen. Ich persönlich hätte es ohnehin nicht mehr lange geschafft, den Mund zu halten. Dazu bist du mir zu wichtig.“ Grant nickte. „Das mit Brandon ist …“

      „Bitte halt den Mund, Linda“, fiel Emma ihr ins Wort, bevor die beiden hinter einem Tränenschleier verschwammen. „Ich will nichts mehr davon hören und jetzt geht bitte. Ich möchte alleine sein.“

Grafik 25

      Dichtes Schneetreiben fegte über London. Vom Wind getrieben, wirbelten dicke Flocken vor den beleuchteten Fenstern herum, als würden sie zu einer Musik tanzen. Vielleicht zum Lied von Louis Armstrong, das Emma auf dem Weg hierher aus einem der zahlreichen Lokale gehört hatte. What a wonderful world.

      Was für ein Hohn! Es war keine wundervolle Welt, obwohl der Platz nicht grandioser sein könnte. Von hier oben hatte man einen beeindruckenden Blick über London. Auf dieser Aussichtsplattform, wie geschaffen für Verliebte. In ihrer Anfangszeit war sie mit Brandon oft hergekommen, wenn er sie nach Dienstschluss abgeholt hatte. Etwas, das er schon lange nicht mehr tat, von anderen Dingen gänzlich abgesehen.

      Emmas Blick fiel auf das The Shard. Das EU-Gebäude galt als das höchste Londons und ragte wie eine nach oben schmaler werdende Säule aus Stahl und Glas in den Nachthimmel. Bis zwei Uhr würde die Spitze beleuchtet sein. Eine Tradition während der Weihnachtszeit.

      Sie zog den grauen Mantel enger und konnte den Nebel sehen, wenn sie ausatmete. Es war empfindlich kalt im Gegensatz zu ihrer Backstube, die sie eine halbe Stunde nach dem Streit mit Linda und Grant fluchtartig verlassen hatte. Zum ersten Mal unaufgeräumt, weil sie keine Lust verspürte, ständig den Schlussdienst zu übernehmen, während sich ihre Schwester irgendwo amüsierte. Heute mit diesem Mann, morgen mit jenem. Tiff genoss ihr Single-Leben in vollen Zügen. Andererseits war es durchaus vorstellbar, dass sie unzufriedener war, als sie nach außen hin tat. Immerhin war Kim seit kurzem schwanger und Emmas Dad freute sich wie ein Verrückter auf sein erstes Enkelkind. Damit hatte Kim momentan die Nase vorn, was Tiff sicherlich nicht auf sich sitzen lassen würde. Obwohl die Schwestern sonst zusammenhielten, wollten beide das Alpha-Tier der Familie sein. Ein ewiger Konkurrenzkampf, der Emma ermüdete und im Grunde war sie nicht besser. Seit Jahren versuchte sie mit den Schwestern mitzuhalten. Damit musste endlich Schluss sein!

      Das hieß jedoch, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Darüber nachzudenken, wie die Zukunft aussehen sollte und vor allem die Sache mit Brandon zu klären, den sie mindestens zwanzig Mal angerufen hatte. Ohne nennenswerten Erfolg und je mehr Zeit verging, desto mehr nagten Lindas und Grants Anschuldigungen wie Ratten an Emmas Gedanken, die sich ständig im Kreis drehten.

      Wieso zum Teufel hob ihr Mann nicht ab, damit sie darüber reden konnten? Danach würden sie darüber lachen und Pläne für morgen schmieden. Eine wohltuende Überlegung, die leider gegen das Bild prallte, das Emma ständig vor Augen hatte: Ein riesiges Hotelbett, auf dem sich Brandon mit irgendeiner Frau wälzte …

      Verdrossen trank Emma einige Schlucke aus der Sektflasche. Sie hatte sie im Geschäft mitgehen lassen. Einfach so. Ohne jemand zu fragen, wie sie es sonst tat. Wie draufgängerisch! Jedenfalls fühlte es sich besser an als ständig zu kuschen. Emma tu dies, Emma tu das. Und Emma tat es. Sogar die Angestellten gewöhnten es sich an, Arbeiten auf sie abzuwälzen. Allerdings durfte sie keinem böse sein. Sie selbst hatte das all die Jahre mit sich machen lassen.

      „Bevor Sie erschrecken: Ich bin kein Serienmörder, kein entlaufener Sträfling oder ein Psychopath, der aus einer Nervenheilanstalt geflohen ist.“

      Mit der Flasche in der Hand wirbelte Emma herum und spürte, wie Sekt über ihre Hand rieselte. „Warum sollte ich das denken?“, erkundigte sie sich mutiger als sie war. Im schalen Schein der Außenlampe stand ein Mann, der einen dunklen Mantel trug. Das Haar hatte er zu einem lockeren Dutt zusammengebunden und wirkte eher wie ein Model als ein angsteinflößender Unhold. „Wie es aussieht, haben wir denselben Friseur“,

Скачать книгу