DER WIDERSACHER. Eberhard Weidner

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DER WIDERSACHER - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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Was noch? Spucken Sie es schon aus, bevor Sie daran ersticken.«

      »Sie haben unrecht.«

      »Inwiefern?«

      »Das Essen bei uns mag nicht mit dem in einem Sterne-Restaurant vergleichbar sein, aber es ist auf keinen Fall ein, wie nannten Sie es noch mal, miserabler Fraß.« Wimmer spürte, wie er allmählich in Fahrt geriet. Endlich konnte er all das herauslassen, was sich in über fünfunddreißig Berufsjahren in ihm angestaut hatte. »Und was den Service betrifft: Ich möchte mich ungern selbst loben, aber ich habe Sie mit Sicherheit nicht schlecht oder falsch, sondern im Gegenteil absolut korrekt und fehlerlos bedient.«

      »Sind Sie fertig?«

      »Nein, ich bin noch nicht fertig!«

      »Dann fahren Sie endlich fort«, sagte der dicke Mann. »Allmählich werde ich nämlich müde. Außerdem wäre ich gern zu Hause, bevor die Morgendämmerung anbricht.«

      »Leute wie Sie«, fuhr Wimmer fort, »haben immer an allem etwas auszusetzen. Sie suchen ständig nach dem Haar in der Suppe. Und wenn Sie keins finden, dann reißen Sie sich eben selbst eins aus und werfen es hinein. Und wissen Sie, warum Sie und Ihresgleichen das tun?«

      Der dicke Mann zuckte mit den Schultern. »Ich habe ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer. Aber da Sie es zu wissen scheinen, klären Sie mich doch bitte auf.«

      »Weil Ihr eigenes erbärmliches und inhaltsloses Leben Sie insgeheim ankotzt und Sie es nicht ertragen können, dass andere Menschen glücklich oder zumindest zufrieden mit ihrem Leben sind. Deshalb sind Sie so begierig darauf, anderen das Leben zu vermiesen und zur Hölle zu machen, indem Sie ihre Mitmenschen ständig kritisieren und heruntermachen und nach Dingen suchen, über die Sie sich aufregen können.«

      »War’s das jetzt?«

      Wimmer nickte. Nach dem Ausbruch fühlte er sich erschöpft. Gleichzeitig war er aber auch erleichtert, dass er endlich hatte aussprechen können, was ihm förmlich auf der Seele gebrannt hatte. Obwohl er bis vor wenigen Augenblicken gar nichts davon geahnt hatte. Erst dieser widerwärtige Mann hatte es zum Vorschein gebracht.

      »Das war ja ganz schön starker Tobak«, meinte der andere Mann. »Bist du nicht auch dieser Meinung, Hannibal?«

      Als hätte er ihn verstanden und wollte ihm zustimmen, bellte der Hund. Aber vermutlich reagierte er nur jedes Mal automatisch auf die Nennung seines Namens, weil er darauf abgerichtet war.

      Dann wandte sich der dicke Mann wieder an Wimmer. »Soll ich Ihnen etwas gestehen?«

      Der Kellner sah den anderen Mann argwöhnisch an. Dann nickte er.

      »Sie haben vollkommen recht!«

      »Was?«

      »Natürlich meine ich nicht den Teil, in dem Sie meinten, ich würde ein erbärmliches und inhaltsloses Leben führen, das mich insgeheim ankotzt. Im Gegenteil: Mein Leben ist erfüllt, aufregend und reich an Vergnügen und Abenteuern. Ich liebe es und wünsche mir kein anderes. Aber was den Rest angeht, da haben Sie, verflucht noch eins, einen Volltreffer gelandet.«

      »Ich verstehe nicht«, sagte Wimmer verwirrt.

      »Was ist daran denn so schwer zu verstehen, wenn ich Ihnen recht gebe?« Der dicke Mann schüttelte den Kopf. »Also wirklich, Ihnen kann man es auch gar nicht recht machen. Und irgendwie machen Sie es einem damit verdammt schwer, Sie zu mögen. Aber was soll’s. Ich werde es Ihnen erklären.« Er kam noch einen Schritt näher, sodass sie nun so eng zusammenstanden, dass sie sich beinahe berührten. Als er fortfuhr, sprach er unwillkürlich leiser, als befürchtete er, sie könnten belauscht werden: »Selbst wenn das Essen und der Service perfekt gewesen wären, was Sie natürlich nicht waren, wie Sie selbst zugeben müssen, hätte ich kein gutes Haar daran gelassen und an allem herumgemeckert.«

      »Aber warum tun Sie das?«

      »Einfach nur, um Sie zur Weißglut zu bringen.«

      »Um mich zur Weißglut zu bringen? Aber wieso?«

      »Ich brauchte schließlich einen vernünftigen Grund, um das zu tun, was ich mit Ihnen vorhabe. Und den haben Sie mir gegeben, als Sie mich widerlich nannten. Denn das kann ich Ihnen bei allem Verständnis leider nicht verzeihen.«

      Wimmer hatte gar nicht bemerkt, wie die Hand des Mannes in seiner Jacke verschwunden war, von wo er plötzlich wie ein Bühnenzauberer ein langes Fleischmesser zum Vorschein brachte.

      »Was …?«

      Wimmer konnte die letzte Frage nicht beenden, denn der dicke Mann riss die Hand mit dem Messer blitzschnell nach oben und fuhr damit über den Hals des Kellners. Im ersten Augenblick empfand Wimmer gar nichts und dachte, der Kerl hätte ihn verfehlt. Doch dann spürte er jäh, dass eine warme Flüssigkeit über seine Brust und in seinen Hals lief. Wimmer gurgelte hilflos. Seine Beine knickten ein, und er sank auf die Knie. Das Blut spritzte und sprudelte aus dem Schlitz in seinem Hals und schien jegliche Wärme und Energie mit sich zu nehmen, denn rasch breiteten sich eisige Kälte und Kraftlosigkeit in seinem ganzen Körper aus. Er kippte zur Seite und rollte dann auf den Rücken. Mit den bloßen Händen wollte er den Blutstrom stoppen, doch sein Lebenssaft sprudelte zwischen seinen Fingern hindurch und ließ sich nicht aufhalten. Er starrte zu dem dicken Mann empor, der lächelnd auf ihn herunterblickte, das Messer mit der blutigen Klinge noch immer in der Hand. Dann verließ ihn jegliche Kraft und Wärme. Seine Hände sanken herab und blieben reglos liegen. Die letzte Atemluft entwich durch den tiefen Schnitt, der seinen Hals durchtrennt hatte, und ließ das Blut Blasen werfen. Dann trübte sich sein Blick, und Edgar Wimmer nahm nichts mehr wahr.

      Der Mörder wartete geduldig, bis der Blutfluss zum Erliegen kam.

      »War viel einfacher, als ich dachte«, sagte er zu seinem Hund, der erwartungsvoll neben ihm saß und die Leiche ebenfalls ansah. »Ich habe insgeheim mit etwas mehr Gegenwehr gerechnet. Aber so ist es natürlich viel besser. Ein Kampf hätte nur den Adrenalinspiegel erhöht und sich negativ auf das Fleisch ausgewirkt.« Er lächelte.

      In diesem Moment erinnerte er sich an die Verpflichtung, die er übernommen hatte, und holte mit seiner freien Hand einen Tiefkühlbeutel aus einer der Taschen seiner blutbefleckten Outdoorweste. Er entnahm dem Beutel den kleinen Gegenstand, der sich darin befand, und steckte ihn in die linke Socke der Leiche, wo er nicht vom Blut befleckt werden konnte, das dem Toten über die Brust gelaufen und sein Hemd durchtränkt hatte. Nachdem er den Klarsichtbeutel zusammengeknüllt und wieder eingesteckt hatte, wandte er sich erneut an seinen Hund: »Was meinst du, Hannibal? Wollen wir uns nach dem miserablen Wirtshausfraß heute Nacht noch ein Stück gebratene Niere gönnen?«

      Der Yorkshire Terrier bellte und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz.

      »Gut. Dann werde ich mich mal ans Werk machen.«

      Der dicke Mann ging laut ächzend neben der Leiche in die Knie und machte sich dann fachmännisch mit dem Fleischmesser an die Arbeit.

      ERSTER TEIL

      DER LEBENDE TOTE

      Kapitel 4

      Das Haus sah aus wie eine Baustelle.

      Die Mitarbeiter der Fensterfirma hatten im Laufe des

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