DER WIDERSACHER. Eberhard Weidner

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DER WIDERSACHER - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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Tischen rechts und links wäre ohnehin nicht breit genug gewesen, als dass sich Wimmer, obwohl er von schlanker Statur war, an dem Mann mit dem Hund auf dem Arm problemlos hätte vorbeiquetschen können. Erschwerend kam hinzu, dass der Kerl unglaublich dick war. Wimmer, der bei einer Körpergröße von 1,77 Meter siebzig Kilo auf die Waage brachte, schätzte, dass sein Gegenüber, obwohl er mindestens fünf Zentimeter kleiner war, 170 bis 180 Kilogramm wiegen musste. Er war vermutlich Ende dreißig, Anfang vierzig, obwohl er auf den ersten Blick älter wirkte, was vor allem an der Halbglatze und dem Kranz aus langem dunkelblonden, fettigen Haar liegen mochte. Seine Gesichtshaut war gerötet, die feinen Blutäderchen unter der Haut waren deutlich zu erkennen. Außerdem hatte er eine mit Knötchen und Pusteln übersäte gerötete Knollennase, auf der eine Brille mit auffallend rotem Rahmen saß, die nach Wimmers Ansicht nicht zu seinem Gesicht passte. Er trug eine khakifarbene Outdoorweste mit unzähligen Taschen, darunter ein kurzärmliges dunkelblaues Hemd mit Blumenmuster und gewaltigen Schweißflecken unter den Armen und eine enge beige Baumwollhose, alles in Übergröße. Dazu an den Füßen braune Herren-Slipper in der Größe von Kindersärgen.

      Da Wimmer nicht ewig Zeit hatte, weil die Gäste auf ihre Getränke warteten, räusperte er sich schließlich. Allerdings schluckte er seinen Zorn auf diesen merkwürdigen Gast herunter, so wie er es stets tat, und fragte höflich: »Kann ich Ihnen helfen?«

      Das gerötete Gesicht des anderen Mannes richtete sich ruckartig auf den Kellner, und seine kornblumenblauen Augen schienen dabei Funken zu sprühen. »Was soll das?«, fragte er aufgebracht. »Sehen Sie denn nicht, dass ich mit meinem Hund gesprochen habe?«

      Da der Kerl beim Sprechen feine Speicheltröpfchen versprühte, hob Wimmer automatisch das Tablett mit den vollen Gläsern, um sie vor dem ekligen Sprühregen in Sicherheit zu bringen. Die wenigen Augenblicke in der Gegenwart dieses Mannes hatten ihm bereits gereicht, um sich aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung und Menschenkenntnis ein umfassendes Bild von ihm zu machen. Deshalb verlieh er ihm schon jetzt in Sachen Freundlichkeit kurzerhand die Note sechs. Da er jedoch andererseits über ausreichend Erfahrung mit schwierigen Gästen verfügte, blieb er weiterhin ruhig, freundlich und gelassen. Und daher verkniff er sich jede Erwiderung, die ihm unweigerlich in den Sinn kam, und wartete schweigend ab.

      Der Mann schnaubte kurz und wischte sich mit der linken Hand den Schweiß von der Stirn. Dann deutete er damit auf einen Tisch am Fenster. »Ich möchte den Tisch dort drüben haben.«

      Ohne einen Blick in die Richtung werfen zu müssen, in die der dicke Mann zeigte, wusste Wimmer, dass der Tisch reserviert war, was auch deutlich zu erkennen war. »Tut mir leid, mein Herr, aber dieser Tisch ist reserviert. Ich kann Ihnen aber gern einen anderen …«

      »Ich will diesen Tisch und keinen anderen!«, unterbrach ihn der Mann mit dem Hund auf dem Arm in höchst aggressivem Tonfall. »Und nachdem Sie mir beinahe ein Tablett mit vollen Gläsern auf den Kopf geworfen und fast meinen lieben, kleinen Hund ertränkt und zu Tode erschreckt haben, ist das noch das Mindeste, was ich verlangen kann.«

      Wimmer seufzte. Er warf einen raschen Seitenblick zum Wirt des Gasthauses, der Josef Drexl hieß und von allen Sepp genannt wurde. Er stand nur wenige Meter entfernt hinter der Theke, zapfte ein Bier und war mittlerweile von selbst auf das Gespräch zwischen seinem Kellner und dem Gast aufmerksam geworden. Wimmer hob fragend die Schultern und die Augenbrauen, woraufhin der Chef mit einem widerwilligen Nicken seine Zustimmung erteilte.

      »Natürlich bekommen Sie den gewünschten Tisch«, sagte Wimmer daraufhin zu dem dicken Mann vor ihm, obwohl ihm ganz andere Worte auf der Zunge lagen, die er allerdings wie immer für sich behielt und hinunterschluckte. Denn der Gast war bei ihnen nun einmal König und bekam in der Regel auch, was er verlangte.

      Der dicke Mann lächelte selbstzufrieden. »Na also. Warum nicht gleich so?« Dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort ab und marschierte zu dem Fenstertisch.

      Wimmer atmete erleichtert auf, dass er den Kerl vorerst los und der Weg endlich frei war. Er setzte sich unverzüglich in Bewegung, um die Getränke auf seinem Tablett zu verteilen, bevor die Gäste ungeduldig wurden. Dann nahm er an einem der anderen Tische gleich noch die Essensbestellung auf und meldete diese an die Küche weiter. Während er anstelle des Tisches, den der dicke Mann verlangt hatte, einen anderen freien Tisch mit einem Reserviert-Schild versah, vermied er es bewusst, in dessen Richtung zu blicken. Allerdings glaubte er immer wieder, die stechenden Blicke des Mannes zu spüren, als wären sie Dolche, die sich in seinen Rücken bohrten. Außerdem war er sich natürlich darüber bewusst, dass er sich früher oder später um den unangenehmen Gast kümmern musste. Er hätte ihn zwar liebend gern an den Tisch eines Kollegen gesetzt, wenn er die Wahl gehabt hätte, doch da der Kerl ausdrücklich den Fenstertisch verlangt hatte, war er weiterhin für ihn zuständig. Und da Unfreundlichkeit und Knauserigkeit seiner Erfahrung nach oftmals einträchtig Hand in Hand gingen, durfte er nicht einmal auf ein üppiges Trinkgeld hoffen, sofern es überhaupt eins gab.

      »Hallo, Sie da, wollen Sie mich noch lange ignorieren? Ich habe Hunger und möchte jetzt endlich bestellen.«

      Wimmer seufzte leise, als er jäh die unangenehme Stimme des dicken Mannes hörte, und schloss für einen Moment schicksalsergeben die Augen. Dann öffnete er sie wieder, richtete sich auf und wandte sich lächelnd um. Zahlreiche Augen waren auf ihn gerichtet, doch der Kellner ließ sich nicht anmerken, wie unangenehm ihm die Sache war. Allerdings richtete sich der Unmut der Gäste nicht etwa gegen ihn, sondern gegen den Mann mit dem Hund, der ihrer Meinung nach durchaus diskreter hätte vorgehen können.

      »Das wurde aber auch Zeit«, sagte der dicke Mann mit der geröteten Knollennase, als Wimmer an seinen Tisch trat. Der Hund, der unter dem Tisch saß, knurrte daraufhin angriffslustig.

      Wie das Herrchen, so der Hund, dachte Wimmer und machte sicherheitshalber einen Schritt nach hinten, damit das Tier nicht auf dumme Gedanken kam und ihn biss.

      »Beruhige dich, mein Schätzchen«, sagte der Mann, beugte sich ächzend zur Seite, sodass Wimmer befürchtete, er könnte gleich von seinem Stuhl kippen und bei seinem Aufprall das Gebäude zum Einsturz bringen, und streichelte dem Yorkshire Terrier über den Kopf, worauf dieser augenblicklich verstummte. »Warten wir doch erst einmal ab, was der gute Mann uns serviert, bevor wir böse auf ihn werden. Wenn er seine Arbeit nicht gut genug erledigt, kannst du ihn von mir aus immer noch fressen.« Er richtete sich wieder auf, sah Wimmer an und lächelte verschlagen.

      »Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?«, fragte der Kellner, dem es von Minute zu Minute immer schwerer fiel, freundlich zu bleiben, obwohl er in all den Jahren noch nie aus der Haut gefahren war und stets seine Fassung bewahrt hatte.

      »Als Allererstes bringen Sie einen Napf mit Wasser für meinen Hund«, sagte der Gast, hob die rechte Hand und stach mit dem ausgestreckten Zeigefinger mehrere Male in Wimmers Richtung, als wollte er seinen Worten auf diese Weise besonderen Nachdruck verleihen. »Aber auf keinen Fall ordinäres Leitungswasser, sondern nur stilles Mineralwasser.«

      In seinen dreieinhalb Jahrzehnten als Kellner hatte Wimmer genug erlebt, um die Bestellung, ohne mit der Wimper zu zucken, zur Kenntnis zu nehmen und auf seinem Block zu notieren.

      »Und kommen Sie bloß nicht auf den verrückten Gedanken, mir das Wasser in Rechnung stellen zu wollen. Erstens sollte das zum Service eines guten Hauses gegenüber Hundebesitzern gehören, und zweitens sind Sie es meinem kleinen Liebling schuldig nach allem, was Sie bisher angerichtet haben.«

      Wimmer seufzte, allerdings nur in Gedanken, denn angesichts dessen, wie dieser Mann sich bislang verhalten hatte, hatte er insgeheim bereits mit einem derartig unverschämten Ansinnen gerechnet. Die Forderung des Kerls, das Mineralwasser für seinen Hund nicht bezahlen zu wollen, ließ er sicherheitshalber unkommentiert. »Und was darf ich Ihnen bringen?«, fragte er stattdessen.

      »Ich

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