DER WIDERSACHER. Eberhard Weidner

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DER WIDERSACHER - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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vernehmlich und wandte sich um.

      Im Licht, das aus dem Flur auf ihn fiel, sah Kohler, dass der Eindringling sowohl einen Schnauz- als auch einen Kinnbart trug. Außerdem besaß er eine lange, spitze Nase und eng beieinanderstehende Augen. Er sah gar nicht wie der Verrückte aus, für den Kohler ihn hielt, sondern im Grunde völlig normal. Beinahe wie ein Künstler, dachte Kohler. Er konnte ihn sich zwar nicht unbedingt mit Pinsel und Palette vor einer Leinwand vorstellen, dafür aber mit Hammer und Meißel vor einem Marmorblock oder mit einer Kettensäge vor einem Baumstamm, um gekonnt eine Skulptur aus dem Material herauszuarbeiten.

      »Willst du wirklich, dass wir die kurze Zeit, die uns miteinander verbleibt, mit solchen Nebensächlichkeiten vertrödeln, Angel?«, fragte der Mann mit derselben tiefen Stimme, die Kohler bereits von ihrem Telefonat kannte. Er beseitigte damit nicht nur jeglichen Zweifel darüber, ob er der Anrufer war, sondern riss Kohler auch aus seinen Überlegungen. Dann schnaubte er und schüttelte den Kopf, um sein Unverständnis zum Ausdruck zu bringen.

      Kohler gefiel es, wenn seine Freunde – der Kerl hatte am Telefon recht gehabt, er hatte tatsächlich nur wenige – ihn Angel nannten. Deshalb hatte er ihnen diesen Namen ja auch vorgeschlagen. Doch aus dem Mund dieses Mannes, der den Spitznamen ständig mit einem höhnischen Unterton aussprach, hörte es sich lächerlich an.

      »Mein Name ist Ralf Kohler«, sagte er daher. »Ich empfehle Ihnen also, mich auch so anzusprechen.« Wie er es in der Ausbildung gelernt hatte, blieb er weiterhin höflich und sachlich, auch wenn es ihm schwerfiel. »Und jetzt sagen Sie mir gefälligst, wie Sie in meine Wohnung gekommen sind.«

      Der Fremde stieß deutlich hörbar die Luft aus und machte einen gelangweilten Gesichtsausdruck. »Na schön, wenn du es unbedingt wissen und deine restliche Lebenszeit mit diesem Unsinn verplempern willst, dann sage ich es dir eben: Ich habe mir erlaubt, einen Nachschlüssel sowohl für deine Wohnung als auch für die Haustür unten anzufertigen.« Er griff mit der rechten Hand in die Jackentasche und holte einen Ring heraus, an dem nur zwei Schlüssel hingen.

      »Was?«, fragte Kohler entgeistert. Er fiel aus allen Wolken und konnte nicht glauben, dass der Kerl tatsächlich einen Schlüssel für seine Wohnung besaß. »Aber wieso haben Sie das gemacht?«

      »Was glaubst du denn, Einstein?« Er klimperte mit den Schlüsseln, bevor er sie wieder einsteckte. »Natürlich, damit ich deine Wohnung betreten kann, um dich zu holen, so wie ich es dir bei unserem kurzen Telefonat versprochen habe. Erinnerst du dich? Du hättest mir besser glauben und abhauen oder die Polizei rufen sollen, solange du noch die Gelegenheit dazu hattest. Aber dafür ist es jetzt zu spät!«

      »Moment mal«, sagte Kohler, hob beide Hände und schüttelte verwirrt den Kopf. »Wieso sind Sie nicht einfach eingebrochen?«

      Der Mann zuckte mit den Schultern. »Das ist nun mal nicht mein Stil. Außerdem hättest du es dann unweigerlich bemerkt, als ich vorgestern hier war.«

      »Wie bitte?« Kohler riss vor Überraschung die Augen weit auf. »Sie waren schon mal in meiner Wohnung?«

      Der Mann nickte. »Das sagte ich doch soeben.«

      »Aber aus welchem Grund?«

      »Um die Abhörgeräte zu installieren.«

      »Abhörgeräte?«

      Erneut nickte der Mann. »Schließlich musste ich wissen, wie du auf meine telefonische Ankündigung reagierst. Hättest du die Polizei gerufen, dann hätte ich dich in Ruhe gelassen und mir eine andere Herausforderung gesucht. Aber du hast das Ganze ja für einen Witz gehalten und dich nicht an die Polizei gewandt. Also bin ich jetzt hier, und wir können allmählich anfangen.«

      »Anfangen?« Kohler schwirrte bereits der Kopf von all dem Unsinn, den der Eindringling erzählte. Seiner Meinung nach war der Kerl sogar noch verrückter, als er gedacht hatte, auch wenn er nicht danach aussah. »Anfangen womit?«

      »Mit unserem Kampf natürlich«, sagte der Mann mit der tiefen Stimme, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. »Ich fordere dich hiermit zu einem fairen Kampf auf Leben und Tod heraus. Aber da ich, wie ich dir bereits am Telefon sagte, der Tod bin, wird es für dich schwer werden, mich zu besiegen.«

      Zum ersten Mal veränderte sich die neutrale Miene des Eindringlings, als nun ein zuversichtliches Lächeln in seinem Gesicht auftauchte, das Kohler eine Gänsehaut bescherte.

      »Sie sind ja vollkommen irre!«, sagte er und schüttelte den Kopf.

      Der andere Mann wiegte, noch immer lächelnd, den Kopf hin und her. »Das ist Ansichtssache, würde ich mal sagen. Aber jetzt lass uns nicht noch mehr Zeit vergeuden und endlich anfangen, Angel.« Sobald er ein weiteres Mal Kohlers Spitznamen auf seine unnachahmlich herablassende Weise ausgesprochen hatte, setzte er sich auch schon in Bewegung und kam näher.

      Kohler zögerte einen Moment. Rein körperlich gesehen hatte er weder Angst noch Bedenken, den anderen zu besiegen. Doch dessen Selbstsicherheit und resolutes Auftreten erzeugten ein mulmiges Gefühl in ihm. Und nachdem der Kerl selbst mehrere Male von der Polizei gesprochen hatte, erschien es Angel inzwischen gar nicht mehr so abwegig, dort anzurufen. Er wandte daher kurz den Blick von dem Eindringling und suchte auf der Kommode neben sich nach seinem Handy. Aber es war nicht mehr da.

      »Suchst du das hier?«, fragte der andere Mann. Er war unmittelbar jenseits der Türschwelle im Wohnzimmer stehen geblieben und damit nur noch wenige Meter entfernt. In der erhobenen linken Hand hielt er Kohlers Smartphone.

      »Geben Sie das sofort her! Das gehört mir!« Noch während Kohler es sagte, kamen ihm seine Worte lächerlich vor. Wie zwei Fünfjährige, die sich im Sandkasten um einen Eimer stritten.

      Die Reaktion des Eindringlings fiel auch tatsächlich so aus, wie Kohler befürchtet hatte. »Geben Sie das sofort her! Das gehört mir!«, äffte er ihn nach und machte dabei sehr überzeugend die Stimme eines kleinen Jungen nach. Dann sprach er mit seiner normalen Stimme weiter: »Na, dann hol es dir doch, Angel

      Doch noch ehe Kohler sich in Bewegung setzen konnte, sagte er »Ups!« und ließ das Handy fallen. Als es auf dem Parkettboden aufkam, verzog Kohler unwillkürlich das Gesicht. Aber das Telefon, das direkt vor den Füßen des Eindringlings zu liegen gekommen war, schien den Aufprall unbeschadet überstanden zu haben, und so atmete Kohler auf. Doch er hatte sich zu früh gefreut, denn unvermittelt hob der Fremde den rechten Fuß und ließ den Stiefelabsatz auf das Display des Smartphones krachen, das sofort zersplitterte. »Nochmal ups!«, sagte er, zuckte in gespieltem Bedauern mit den Schultern, konnte sich dabei aber ein Grinsen nicht verkneifen.

      Jeder Gedanke daran, die Polizei zu rufen, war jäh vergessen. Glühender Zorn erfüllte Kohler und ließ ihn rot sehen, jede Furcht vergessen und jegliche Vorsicht über Bord werfen.

      »Das wirst du mir büßen, Arschloch«, knurrte Kohler, der nun ebenfalls auf jede Form von Höflichkeit verzichtete und zum Du überging. »Dafür nehme ich dich auseinander, Freundchen.« Und damit stampfte er auf den fremden Mann zu.

      Normalerweise wichen andere ängstlich zurück oder bemühten sich zumindest um beschwichtigende, Unterwerfung signalisierende Gesten, wenn ein in Rage geratener Ralf Kohler mit hochrotem Kopf und finsterem, Mord verheißendem Gesichtsausdruck wie ein außer Kontrolle geratener Gefahrgutlastwagen auf sie zu rauschte. Sogar Männer, die ihm sowohl in der Größe als auch in der Statur nahekamen, überlegten es sich unwillkürlich zweimal, ob es tatsächlich so wichtig war, auf ihrem Standpunkt zu beharren, oder sie in diesem Fall nicht doch lieber eine Ausnahme machen und nachgeben sollten. Der Eindringling

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