DER WIDERSACHER. Eberhard Weidner

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DER WIDERSACHER - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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erschreckt, doch jetzt fand er es nur noch lächerlich. Aber anstatt der Farce ein schnelles Ende zu bereiten, indem er das Gespräch beendete, spielte er den Ahnungslosen.

      »Wer, sagten Sie, sind Sie noch mal? Ich hab es leider akustisch nicht richtig verstanden. Es klang doch tatsächlich so, als behaupteten Sie, Sie wären … der Tod

      »Du hast schon richtig verstanden, Angel«, antwortete die tiefe Stimme, in der keine Spur von Humor mitschwang, was Kohler, auch wenn er noch immer überzeugt war, dass er hier nach Strich und Faden verarscht werden sollte, dennoch ein unwohles Gefühl und eine Gänsehaut bescherte. »Ich bin tatsächlich der Tod!«

      Kohler lachte, obwohl es etwas aufgesetzt klang. »Und weswegen rufen Sie mich an, Herr … Tod?« Er bemühte sich, das letzte Wort möglichst hämisch auszusprechen, doch da seine Stimme dabei leicht zitterte, misslang sein Vorhaben.

      »Ich wollte dir nur sagen, dass ich in diesem Moment auf dem Weg zu dir bin, um dich zu holen, Angel

      Kohler konnte im Spiegel mitansehen, wie das unechte Lächeln auf seinem Gesicht zerfloss und sich in einen Ausdruck der Wut verwandelte, denn allmählich ging der Anrufer entschieden zu weit. Für einen Spaß war Kohler immer zu haben, solange er nicht auf seine Kosten ging. Aber was der Kerl hier tat, war kein Spaß mehr. »Jetzt hör mir mal gut zu, du dummes Arschloch«, sagte er daher, spannte die Muskeln an und ballte die linke Hand unwillkürlich zur Faust. »Das ist nicht witzig. Also hör sofort auf damit und sag mir, was dieser Scheiß soll!«

      »Ich sagte dir doch schon, was ich vorhabe. Ich komme, um dich zu holen.«

      Kohler schnaubte verächtlich. Die absolut humorfreie tiefe Stimme erfüllte ihn zwar immer stärker mit Unbehagen, doch er hatte nicht vor, sich davon beeindrucken zu lassen. Immerhin war er ausgebildeter Personenschützer und würde sich daher von irgendeinem dahergelaufenen Idioten nicht ins Bockshorn jagen lassen. »Hör zu, Arschloch. Ich glaube nicht, dass du wirklich den Mumm hast, zu mir zu kommen, denn in Wahrheit bist du nur ein perverser Schwächling, der am Telefon eine große Klappe hat, aber den Schwanz einzieht, wenn es darauf ankommt. Aber komm ruhig her, wenn du dich traust. Mach dich allerdings darauf gefasst, dass ich dir dann deine hässliche Fresse poliere und anschließend den Boden damit aufwische.« Den letzten Satz hatte Kohler mal irgendwo gehört und sich gemerkt, um ihn irgendwann selbst zum Besten geben zu können.

      »Bis gleich!«, erwiderte der Anrufer daraufhin nur und legte auf.

      Kohler nahm das Telefon vom Ohr und starrte es für ein paar Sekunden ungläubig an. Dann schnaubte er noch einmal kopfschüttelnd und legte es zurück auf die Kommode.

      »Was war das denn, verdammt noch mal?«, fragte er sein Spiegelbild, das ebenso ratlos aussah, wie er sich fühlte. Das unbehagliche Gefühl, das ihm die tiefe Stimme und die Worte des Anrufers bereitet hatten, erfüllte ihn noch immer. Doch da er davon überzeugt war, dass der Kerl nur heiße Luft von sich gegeben hatte, schüttelte er es einfach ab. Immerhin hatte er diesem Perversling gehörig den Spaß verdorben, indem er sich am Telefon unbeeindruckt gezeigt hatte. Vermutlich rief der Kerl in diesem Moment bereits die nächste Nummer auf seiner Liste an und hoffte, dass er damit mehr Erfolg hatte.

      Kohler beschloss, den merkwürdigen Anruf so schnell wie möglich wieder zu vergessen, was ihm in der Regel leichtfiel, und überlegte stattdessen konzentriert, was er eigentlich vorgehabt hatte, bevor das Telefon ihn dabei gestört hatte. Bei einem erneuten Blick auf sein eindrucksvolles Spiegelbild fiel es ihm wieder ein, denn er trug noch immer nicht mehr als ein Badetuch um die Hüften.

      Er eilte daher ins Schlafzimmer, riss das Handtuch von seinem Körper und ließ es einfach zu Boden fallen, wie er es immer tat. Die Putzfrau, die zweimal in der Woche kam, würde sich schon darum kümmern. Dann nahm er seine Armbanduhr, eine Rolex Oyster Perpetual 34, und legte sie an. Es war zwar ein günstigeres Modell, das ihn, da er es unter der Hand erworben hatte, nur 2.000 Euro gekostet hatte, aber immerhin war es eine echte Rolex und machte etwas her. Als er einen Blick auf das schwarze Ziffernblatt warf, sah er, dass er noch genug Zeit hatte. Er war an diesem Abend mit zwei seiner Kollegen verabredet. Sie wollten zusammen in einen Club gehen. Und da er am nächsten Tag nicht arbeiten musste, würde es vermutlich spät werden.

      Vor der verspiegelten Front des riesigen Kleiderschranks zog er sich einen knappen weißen Slip und weiße Socken an, die sich deutlich von seiner gebräunten Haut abhoben. Er nahm verschiedene Posen ein, ließ die Muskeln spielen und betrachtete sich dabei im Spiegel. Anschließend schlüpfte er in eine hellgraue Leinenhose, ein naturweißes Hemd, das wie angegossen passte und daher seine ausgeprägte Brust- und Schultermuskulatur besonders hervorhob, und schließlich ein hellgraues Leinensakko. Die Sachen hatte er erst vor wenigen Tagen gekauft. Als er sich anschließend im Spiegel betrachtete, kehrten sowohl seine gute Laune als auch sein breites Grinsen zurück, und der merkwürdige Telefonanruf war längst vergessen.

      »Wow, siehst du heute Abend aber wieder mal gut aus!«, sagte er zu seinem Spiegelbild und zwinkerte ihm zu. Als er das Schlafzimmer verließ, sang er erneut ein paar der wenigen Zeilen des Liedes I’m Too Sexy von Right Said Fred, die er auswendig kannte: »I’m too sexy for my shirt, too sexy for my …«

      Doch er verstummte wie abgeschnitten und blieb wie zur Salzsäule erstarrt stehen, als er im erleuchteten Flur angekommen war und plötzlich eine Gestalt im dunklen Wohnzimmer stehen sah.

      Der Eindringling wandte ihm den Rücken zu und sah aus dem Fenster auf die Straße, als gäbe es dort etwas besonders Interessantes zu sehen. Entweder hatte der Mann noch nicht bemerkt, dass Kohler aus dem Schlafzimmer gekommen war, was eher unwahrscheinlich war, nachdem dessen Gesang soeben abrupt geendet hatte, oder es kümmerte ihn überhaupt nicht.

      Sobald Kohler verstummt war, war in der Wohnung Stille eingekehrt. Außerdem bewegte sich keiner der beiden Männer, als spielten sie ein kindisches Spiel, bei dem der Erste, der sich rührte, verlor. Kohler hatte daher Zeit, den Mann, dem es gelungen war, in seine Wohnung einzudringen, in aller Ruhe zu mustern. Der Kerl war einen Kopf kleiner als er, aber von stämmiger, gedrungener Gestalt und machte daher einen kräftigen Eindruck, auch wenn er natürlich längst nicht so muskulös wie Kohler war. Das lange dunkelbraune Haar hatte er zu einem Zopf geflochten, der so schnurgerade an seinem Rücken herunterhing, als wäre er mithilfe einer Wasserwaage ausgerichtet worden. Er trug eine schwarze Übergangsjacke, eine blaue Jeanshose, robuste schwarze Stiefel und schwarze Handschuhe aus dünnem Leder.

      Es dauerte nicht lange, bis Kohler sich einen ersten Eindruck von dem Eindringling verschafft und sich zudem von seinem Schrecken erholt hatte. Was er vor sich sah, machte keinen besonderen Eindruck auf ihn. Er war nicht nur größer, sondern auch viel muskulöser als der Kerl und würde ihm zuerst die Fresse polieren und anschließend den Boden mit ihm wischen, so wie er es ihm am Telefon versprochen hatte. Denn für Kohler bestand nicht der geringste Zweifel, dass er den Mann mit der tiefen Stimme vor sich hatte, der sich als Tod bezeichnet und gedroht hatte, er würde vorbeikommen, um ihn zu holen. Also hatte er tatsächlich den Mut gefunden, seine Drohung wahrzumachen, auch wenn ihm das schlecht bekommen würde. Kohler bedauerte lediglich, dass sein neuer Anzug bei der bevorstehenden Auseinandersetzung in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Aber eventuell war es ja gar nicht nötig, dass er handgreiflich wurde. Vielleicht sah der Kerl ein, dass er sich mit dem Falschen angelegt hatte, sobald er sich umdrehte und einen Blick auf Kohler warf, schließlich hatte er bislang noch nicht gesehen, wen er vor sich hatte.

      »Wie sind Sie hier hereingekommen?«, stellte Kohler die erstbeste Frage, die ihm in den Sinn kam, und brach damit das Schweigen. Er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten und setzte einen bedrohlich wirkenden Gesichtsausdruck auf, den er unzählige Male vor dem Spiegel eingeübt und dann als Personenschützer perfektioniert hatte.

      Der Mann

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